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Mindestlohn und Co. Magdeburgs Taxifahrer schlagen Alarm

Magdeburgs Taxifahrer klagen über Mindestlohn, aggressive Fahrgäste, fehlende Videoüberwachung und Baustellenärger.

Von Rainer Schweingel 02.11.2016, 00:01

Magdeburg l Thomas Henschel macht bei der Problembeschreibung aus seinem Taxi-Fahrer-Herzen keine Mördergrube. Der Vorsitzende des Magdeburger Stadtverbandes der Taxiunternehmer sieht sich und seine Kollegen mit insgesamt 146 Fahrzeugen und rund 30.000 Fahrten im Monat in schweren Zeiten – und noch schwerere auf die Branche in Magdeburg zukommen. „Wenn sich nichts ändert, wird es stetig komplizierter und unwirtschaftlicher, die Versorgung aufrechtzuerhalten“, sagt er.

Zwei Hauptprobleme haben die Unternehmer ausgemacht: Die Einführung des Mindestlohns und die Sicherheit am und im Fahrzeug. Henschel: „Vor dem Mindestlohn bestimmte die Zahl der Fahrten das Einkommen. Heute muss Kollegen ein gewisser Stundensatz gewährt werden, der sich vor allem in den frühen Morgenstunden nicht durch Aufträge einfahren lässt.“

Die Folge: Vor allem zwischen 3 Uhr und 7 Uhr sei es bisweilen schwierig, ein Taxi zu bekommen. Es lohne sich für die Unternehmer einfach nicht, Fahrer in Bereitschaft auf die Straße zu schicken. Man habe Kosten von 25 Euro pro Stunde für den Fahrer, könne aber häufig nur 12 Euro durch Fahrten einnehmen. Gehe die Entwicklung weiter, werde es eine noch geringere Taxi-Versorgung geben.

Nach Kritiken an der Versorgung, die auch Volksstimme-Leser äußerten, gibt es seit Oktober in Magdeburg eine Vereinbarung mit der Stadtverwaltung, die für die Taxis als Teil des öffentlichen Nahverkehrs eine Art Aufsicht führt. Danach sagte der Taxiverband in der Krisenzeit zwischen 3 Uhr und 7 Uhr die Bereitstellung von mindestens fünf Taxis zu.

Mit diesen Problemen sei man nicht allein, so Henschel, was ein Blick nach außerhalb zeige. So gebe es in Sachsen-Anhalt nur noch in den beiden Großstädten Halle und Magdeburg eine 24-Stunden-Taxivermittlung. In allen anderen Landkreisen sei dieser Service längst eingestellt worden.

Ein zweiter Punkt macht den Fahrern das Leben schwer: die aggressive Kundschaft, gegen die man das Mittel der Videoüberwachung nicht einsetzen dürfe. „Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen Taxifahrer von den Kunden bedrängt und beschimpft werden, die Fahrgäste einfach aus dem Taxi aussteigen, ohne zu bezahlen, oder Betrunkene sich im Innenraum übergeben“, so Henschel.

Die einzige wirksame Lösung dagegen sieht der Verband in einer Videoüberwachung, die vom Datenschutzbeauftragten verboten sei.

Dort hält man sich mit einer Beurteilung zwar bedeckt, schließt aber zumindest eine Überwachung nicht grundsätzlich aus. Der sachsen-anhaltische Datenschutzbeauftragte Harald von Bose lässt auf Volksstimme-Anfrage ausrichten: Eine Überwachung mit Bildern sei nur bei einem „berechtigten Interesse“ möglich. Dieses könne bei konkret zu befürchtenden Angriffen gegen die Taxifahrer vorliegen, so von Bose. Es wäre dann aber zu prüfen, ob andere Mittel nicht mindestens genauso geeignet sind, Angriffe einzuschränken bzw. die Täter zu stellen. In Betracht zu ziehen wären die Auslösung eines stillen Alarms oder die Anfertigung von Standbildern. Sofern letztere Mittel zur Zweckerreichung ebenso geeignet seien wie die Videoüberwachung, seien sie vorzuziehen, da ihr Einsatz nicht mit einer Permanentüberwachung des Fahrgastverhaltens verbunden ist. Eine Beratung der Taxifahrer stellt er auf Wunsch allerdings in Aussicht.

Die Taxi-Fahrer indes wünschen sich Bremer Verhältnisse. Als einziges Bundesland wurde dort schon vor Jahren allen Taxis der Einsatz von Kameras in den Taxis gestattet. Marco Bark, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Bremer Taxi-Fahrer (550 Taxis): „Die Kameras in den Taxis haben die Sicherheit deutlich erhöht. Es gibt praktisch keine Übergriffe mehr.“ In Bremen schießen die Kameras von den Fahrgästen etwa vier Fotos pro Minute. Die Fotos werden nach 48 Stunden gelöscht.

Allerdings haben die Bremer inzwischen ein anderes Problem. Die 2009 eingeführte Technik muss dringend erneuert werden. Manche Unternehmer, so Bark, scheuten diese Investition. Damit entsteht die skurrile Situation, dass Bremen als einziges Bundesland die Videoüberwachung zulässt, nun aber nicht mehr jedes Taxi die Kameras einsetzen kann.

In Magdeburg wünschen sich die Taxifahrer neben der Videoüberwachung aber auch noch mehr Unterstützung der Stadt Magdeburg und ihrer Unternehmen. Dazu gehören aus Sicht von Taxi-Verbandschef Henschel eine bessere Koordinierung von Baustellen. Ein Ausgleich gegen die vielen Staus und Behinderungen könne die Erlaubnis sein, für Autos gesperrte Straßenbahngleise als Fahrspur benutzen zu dürfen.

„Die Nachtbusse tun dies ja auch“, so Henschel. Doch die Magdeburger Verkehrsbetriebe wehren den Vorstoß ab. MVB-Sprecher Tim Stein: „Generell befürchten wir, dass durch die Mitbenutzung der Gleisanlagen durch Taxis die Sicherheit beeinträchtigt werden würde. Taxis können sich zudem nicht in die Ampelprogramme der Straßenbahn einwählen, müssten somit gegebenenfalls bei ,Fahrt verboten‘ (entspricht dem Autofahrer-,Rot‘) fahren und würden somit nicht nur den Betrieb der Straßenbahn erheblich behindern, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer gefährden.“

Weiter argumentiert er: „Der besondere Bahnkörper für unsere Straßenbahnen dient vor allem der Beschleunigung unseres Betriebes und damit unseren Fahrgästen: Sie profitieren von kürzeren Reisezeiten. Eine Mitbenutzung durch Taxis würde den Zielen dieser Bauart für einen ungestörten, sicheren und beschleunigten Nahverkehr entgegenstehen.“

Bleibt noch die Unterstützung der Stadt direkt, zum Beispiel bei der Freihaltung der Taxi-Stellflächen, die nach Henschels Angaben häufig blockiert seien. Er fordert u. a. konsequenteres Abschleppen. Die Stadt weist den Vorwurf zurück. Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra listet auf: 2016 wurden bereits 456 Fahrzeuge an Taxenständen verwarnt. In der Regel handelt es sich nur um kurze Halte- und Parkvorgänge. Regelmäßig kommen die Fahrzeugführer während der Erfassung zum Fahrzeug zurück und fahren weg, so dass ein Abschleppen nicht mehr nötig und auch nicht mehr zulässig ist.“

Unterm Strich bleibt also viel Gesprächsbedarf unter allen Beteiligten, damit das „Hallo, Taxi“ der Kundschaft auch in Zukunft noch positiv beantwortet werden kann.