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Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit einem Bier für 1,03 Mark fing alles an

Timo Harland am aus Niedersachsen nach Magdeburg. Eine seiner Wende-Erinnerungen: Ein Pilsator-Bier für 1,03 Mark im damaligen Stadt Prag.

Von rs 29.07.2025, 08:15
Timo Harland, Geschäftsführer.
Timo Harland, Geschäftsführer. Foto: Pro M Magdeburg

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Timo Harland, Creditreform.

Zwischen Weihnachten und Neujahr 1989 sitzen Timo Harland und ein paar Freunde im Bus einer neu eingerichteten Linie, die seine Geburts- und Heimatstadt Braunschweig mit Magdeburg verbindet. Ein paar Wochen ist der Mauerfall bereits her und die junge Reisegruppe treibt die blanke Neugier an.

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Immerhin sind Magdeburg und Braunschweig schon seit Dezember 1987 als Partnerstädte verbunden, es wusste nur niemand, wie es beim jeweils anderen so aussah. „Ich war 17 Jahre alt und erinnere mich ehrlicherweise nur schemenhaft an das Magdeburg von damals“, sagt Timo Harland, der seit 2002 Geschäftsführer von Creditreform Magdeburg ist. „Aber wir hatten im Stadt Prag Pilsator-Bier für 1,03 Mark. Das weiß ich noch ganz genau.“

Aus dem Zonenrandgebiet nach Magdeburg

Persönlich, so sagt der gebürtige Niedersachse, habe er keinen Bezug oder familiäre Verbindungen zu Magdeburg oder in die DDR gehabt. „Wenn man so will, haben wir im Zonenrandgebiet gewohnt und ich weiß, dass wir manchmal die Transitstrecke nach Berlin gefahren sind.“

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An den 3. Oktober 1990 kann er sich nicht erinnern, wohl aber an den 9. November 1989. „Es gab einen Aufruf unserer Stadt, dass man Menschen aus der DDR beherbergen sollte. Viele kamen ja, um das Begrüßungsgeld abzuholen und der Weg war schon weit. Bei uns zu Hause ist damals für ein oder zwei Nächte eine Familie aus dem Raum Schönebeck untergekommen. Braunschweig war damals zwar überfüllt, aber voller guter Laune.“

Kontakte kommen über den Vater

Dass er einmal in Magdeburg seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt haben wird, steht in Zeiten von Begrüßungsgeld und Pilsator für Timo Harland überhaupt nicht zur Debatte. Wohl aber für seinen Vater, der noch 1989 als Geschäftsführer von Creditreform Braunschweig an die Elbe kommt, um hier eine Geschäftsstelle der Wirtschaftsauskunftei aufzubauen, die vor allem Bonitätsbewertungen von Unternehmen und Privatpersonen sowie Inkasso-Leistungen bietet. „Mein Vater hat die Mauer mit eingerissen“, sagt Timo Harland mit einem Schmunzeln.

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Er geht nach dem Abitur 1992 erst einmal in den Zivildienst und anschließend zum Jura-Studium nach Göttingen. „Während meiner einjährigen Wartezeit aufs Referendariat bin ich über verschiedene Praktika bei Crediteform gelandet. Anfang 2002 habe ich dann die Geschäftsführung am Standort Magdeburg übernommen. Und ich kann sagen: Das habe ich nie bereut.“

FCM-Stadion, Getec-Arena, Blauer Bock und vieles mehr

Seitdem blickt Timo Harland aus einem ganz bestimmten Winkel auf die Stadt, deren Wirtschaftskraft und Potenziale sowie auf die Menschen und Erfolge. „Das Stadtbild mit dem neuen Blauen Bock, der neuen Brücke, dem Stadion, der Getec-Arena, dem Hundertwasserhaus und, und, und – das ist aus meiner Sicht extrem positiv. Das sieht gut aus, das wirkt. Und dann feiern wir inzwischen im Stadion und in der Getec-Arena allergrößte, sportliche Erfolge. Das schätze ich für die Außenwirkung Magdeburgs sehr hoch ein, was übrigens für alle Sporterfolge gilt, die von hier kommen.“

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Bezogen auf die Wirtschaft sieht er, verglichen mit „dem Westen“, noch Unterschiede. „Es fehlen einfach mehrere Jahrzehnte freie Wirtschaft und es fehlt beispielsweise Vermögen, das vererbt wird. Auch, wenn das nur ein kleiner Ausschnitt ist, den ich da betrachte.“

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Magdeburg sei ein „hochinteressanter Standort“, nicht nur wegen der guten Verkehrsanbindung, sagt Timo Harland. Und er sagt auch: „Um all die Potenziale bestmöglich zu nutzen, braucht es auch Menschen aus dem Ausland. Mit Blick auf die Wahlergebnisse mache ich mir da allerdings ein wenig Sorgen.“ Trotzdem beschreibt er sein Magdeburg Fremden gegenüber gern als „lebendig und offen“. Aus dem eigenen Erleben und aus fester Überzeugung heraus.