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Notruf 110 Wann Magdeburger die Polizei rufen sollten

Ein Auffahrunfall: Nur Blechschäden, keine Verletzte, die Schuldfrage ist klar - soll man die Polizei rufen? Die Volksstimme fragt nach.

Von Franziska Ellrich 19.12.2017, 21:00

Magdeburg l Wer einen Unfall baut und dabei nur einen Blechschaden verursacht, ist nicht gezwungen, die Polizei zu informieren. „Dafür gibt es keine gesetzliche Vorschrift“, sagt Polizeisprecher Mike von Hoff. Allerdings: Es gibt einige Situationen, in denen die Polizeibeamten besser hinzugezogen werden sollten.

Stellt man zum Beispiel beim Unfallverursacher einen Alkoholgeruch fest oder geht davon aus, dass er vielleicht gar nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist oder geht der Austausch der Personalien nicht unkompliziert über den Tisch, „rufen Sie die Polizei unbedingt an“, rät Mike von Hoff.

Und: „Bei größeren Schäden sollte man in jedem Fall die 110 wählen.“ Wenn es später um die Erstattung der entstandenen Kosten geht, kann der vor Ort aufgenommene Unfallbericht der Polizeibeamten Gold wert sein. Zum Beispiel, wenn es um die Schuldfrage geht: Räumt ein Unfallverursacher am Tatort noch die Schuld ein, wisse man nie, ob derjenige „seine Meinung in den nächsten Tagen plötzlich ändert“, macht der Magdeburger Polizeisprecher aufmerksam.

Auch Ute Semkat von den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (Ösa) rät: „Sicherheitshalber empfehlen wir in der Regel die Polizei zu rufen.“ Eine Voraussetzung, wenn es um die Erstattung der Kosten geht, sei die Unfallaufnahme durch die Polizei allerdings nicht. Die Unfallbeteiligten sollten jedoch in jedem Fall Fotos von der Situation machen und die einzelnen Schäden explizit fotografieren. Das könne Ute Semkat zufolge später entscheidend für die Schadenshöhe sein.

Was die genaue Unfallsituation vor Ort betrifft, rät auch Mike von Hoff – sobald schwerere Schäden entstanden sind – die Autos an Ort und Stelle zu belassen, damit die Polizeibeamten vor Ort die Schuldfrage besser nachvollziehen können. Handele es sich wirklich nur um einen „Bagatellschaden“ und tauchten zwischen den Beteiligten keine Widersprüche auf, mache es Sinn, die Autos an die Seite zu fahren und die Fahrspur wieder frei zu machen.

Sollte im schlimmsten Fall der Unfallverursacher einfach weiterfahren, macht der Polizeisprecher deutlich: „Merken Sie sich nicht nur das Kennzeichen, sondern auch, wie der Fahrer aussieht.“ Denn: Nicht immer sitze auch der Halter am Steuer. Sollte man selbst Unfallverursacher sein und zum Beispiel ein parkendes Auto angefahren haben, dessen Besitzer nicht vor Ort ist, dann gilt: Unbedingt die Polizei informieren!

Wer bei reinen Blechschäden nicht auf die Unfallaufnahme der Polizei verzichten will, muss allerdings auch mal längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Denn: In der Leitstelle, in der die 110-Notrufe auflaufen, wird nach Priorität entschieden.

Das bedeutet: Eine Straftat, von der eine erhebliche Gefahr ausgeht, bei der es den Täter vielleicht sogar noch vor Ort zu fassen gilt, wird vor einem Blechschaden von den Polizisten angefahren. Bei Einsätzen oberster Priorität soll die durchschnittliche Wartezeit vom Anruf bis zum Eintreffen der Kräfte vor Ort laut Innenministerium bei rund 20 Minuten liegen, erklärt Mike von Hoff.

Diese Reaktionszeit habe man in den vergangenen Monaten regelmäßig unterboten. Der Polizeisprecher nennt Zahlen: zwischen November 2016 und Oktober 2017 gab es 1053 Verkehrsunfälle der Priorität 1 und die Reaktionszeit lag im Durchschnitt bei rund 15 Minuten.

Bei den insgesamt 6656 Verkehrsunfällen der Priorität 2 in diesem Zeitraum, wo also keine höchste Eile geboten war, lag die durchschnittliche Zeit bei rund 22 Minuten. Damit die Unfallaufnahme in diesen Blechschäden-Fällen vor Ort schneller geht, gibt es bereits seit Sommer 2016 eine neue Verfahrensweise für die Beamten, erklärt Stefan Brodtrück vom Innenministerium Sachsen-Anhalt. Er macht deutlich: „Die Polizei nimmt nach wie vor grundsätzlich jeden Verkehrsunfall auf, von dem sie Kenntnis erlangt.“

Jedoch: Ist die Sachlage klar und das Verfahren nur mit einem Verwarngeld von maximal 55 Euro zu ahnden, füllen die Beamten jetzt nur noch vor Ort den Unfallbericht aus und übergeben ihn als Durchschreibeblatt an die Beteiligten. Auf eine mehrseitige elektronische Unfallanzeige wird verzichtet.

Damit sei der Verwaltungsaufwand geringer. Denn vom Innenministerium heißt es: Regelmäßig würden solche Bagatellunfälle mehr als die Hälfte aller jährlich registrierten Verkehrsunfälle ausmachen.