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THW-Übung Rettungsaktion für Nutztiere in Magdeburg

Wie Nutztiere im Katastrophenfall gerettet werden können, hat sich das Magdeburger THW von einem Schäfer erklären lassen.

Von Martin Rieß 05.10.2017, 01:01

Magdeburg l Schäfer Andreas Karwath schwingt mit den weißen Seilen über die Weide im nördlichen Bereich des Magdeburger Herrenkrugs. Die Tiere kauen und schauen. Eine Mischung aus Neugier und Furcht hat die Herde ergriffen. Was ist heute denn schon wieder los? Denn das gab‘s ja noch nie: Neben dem Schäfer sind blau gekleidete Ehrenamtler des Technischen Hilfswerks zu dieser abgelegenen Stelle der Elbaue gekommen. 35 Menschen, die die Wiederkäuer bislang wohl noch nie zu Gesicht bekommen haben, schauen sie genau an.

Der Grund für den Menschenauflauf jenseits des Elektrozauns ist aber harmlos und keinesfalls ein Grund zur Furcht. Eher im Gegenteil. Denn die Mitstreiter des Technischen Hilfswerks (THW) wollen sich an diesem Tag darüber informieren, wie man Schafe und Esel bei der Rettung von Tieren handhaben muss. Grund: Im Zweifelsfall muss es schnell gehen, und die im Fall der Fälle beunruhigten Tiere müssen beispielsweise in Booten oder Fahrzeugen verstaut werden, damit der Transport weg aus der Gefahrenzone sicher vonstatten gehen kann.

Ein erster wichtiger Schritt: Selbst für Ruhe sorgen. Nicht hupen und unbedingt auch das Blaulicht an den Einsatzfahrzeugen ausschalten. „Schon diese einfachen Schritte sorgen nämlich dafür, dass die Tiere nicht unnötig aufgeregt sind“, berichtet der Schäfer, der in der Elbaue Hunderte Schafe hält.

Mit einem langen Haken angelt sich Schäfer Andreas Karwath eines der Schafe. Routiniert setzt er das Tier auf dessen Hinterteil, klemmt es mit den Beinen fest und beginnt, jeweils einen Vorder- und einen Hinterlauf des Tieres mit einem Seil zusammenzubinden. Er sagt: „Wenn ich das Tier so gesichert habe, kann es problemlos verladen werden, ohne dass es versucht auszubrechen und sich womöglich verletzt.“ Wichtig sei es, die Tiere seitlich liegen zu lassen, da dies für sie die bequemere und vor allem gesündere Position sei.

Auf einer anderen Weide stehen die Esel von Andreas Karwath – ein gutes Beispiel für Tiere, die man anders als ein Schaf auch zu viert nicht einfach wegtragen kann. Der Schäfer erläutert: „Esel sollte man am besten am Kopf und am Halfter zu fassen kriegen. Dann lässt er sich auch führen.“

Der Schäfer liebt die Esel so, weil sie intelligent sind. „Und das bedeutet eben, dass sie das, was sie nicht können, nicht machen“, sagt er. Mit einer Streicheleinheit am Kopf oder einem Stupser am Hinterteil kann man aber bis zu einem gewissen Maß Überzeugungsarbeit leisten. Da Esel aber im Vergleich zu Schafen gut schwimmen können, müssen sie nicht unbedingt über die Planke ins Boot gebracht werden.

Neben der Sicherheit und dem Wohlergehen der Tiere, so die Ermahnung von Andreas Karwath, spielt die Sicherheit der Menschen eine wichtige Rolle: Jede Tierart hat ihre Eigenheiten. „Selbst wenn Schafe beispielsweise sehr friedfertig sind – Rettungskräfte müssen bei einer Herde immer im Blick behalten, ob ein Hütehund in der Nähe ist.“ Ein anderes Beispiel sind Kühe mit Kälbern: „Die sollte man immer zusammen transportieren, da die Kuh ansonsten sehr unruhig werden kann. Und bei dem Gewicht dieser Tiere ist das dann nicht ungefährlich.“

Nach der Rettung stellt sich die Frage, was mit den Tieren weiter geschehen muss. Andreas Karwath erläutert: „Auch das kommt natürlich auf die Tierart an. Wichtig ist zum Beispiel bei Schafen, dass sie nicht auf eine Fläche mit Raps oder Klee kommen.“ Von diesen Pflanzen vertragen die Tiere nämlich nicht sonderlich viel. Und auch der Flüssigkeitsbedarf der Tiere muss irgendwann gestillt werden. „Während Esel als Steppentiere in diesem Zusammenhang recht genügsam sind, benötigen Pferde sehr viel eher Wasser“, berichtet der Schäfer.

Seitens der Zuhörer gibt es derweil eine Unzahl an Fragen, die der Schäfer beantwortet: Woran erkenne ich, wie sich das Tier fühlt? Welche Stricke sind geeignet, um die Schafe zusammenzubinden? Wie komme ich am besten über den Weidezaun?

Seitens des Magdeburger THW ist Jan Schwarzberg, Gruppenführer der Fachgruppe Wassergefahren, während der Schulung zur Tierrettung auf den Wiesen im Herrenkrug mit von der Partie. Er sagt: „Für viele Menschen ist der Umgang mit Nutztieren nicht mehr alltäglich und kaum einer weiß wirklich, wie man die Tiere richtig handhabt. Daher ist eine solche Veranstaltung natürlich Gold wert.“

Er berichtet, dass neben der Schulung zur Tierrettung an diesem Wochenende auch die Arbeit mit Booten auf dem Programm steht. „Bei solchen Veranstaltungen haben wir auch oft die Mitglieder von anderen Ortsverbänden des THW dabei. Der Grund ist einfach: Die Elbe in Magdeburg ist anspruchsvoll, und es bieten sich viele Stellen, an denen die unterschiedlichsten Situationen geprobt werden können.“

Unter den Gästen an diesem Wochenende ist auch Henri Geiger aus dem brandenburgischen Fürstenwalde. Er sagt: „Ich bin neu bei unserer Fachgruppe Wasser dabei – und da nutze ich natürlich gern die Gelegenheit, um mich über die damit verbundenen Handgriffe zu informieren.“ Klar, Schafe seien im ländlichen Raum wie seiner Heimat weit verbreitet. Vielleicht liegt es ja daran, dass er als Erster beim Schäfer mit zupackt und hilft, das Schaf sicher zu verschnüren.

Leichtere Schafe könnten die beiden sogar selbst zum Lkw oder zum Boot bringen – da ein Hammel aber auch gern einmal 150 Kilogramm wiegen könne, müssen dann auch einmal vier Menschen ran, um das Tier zu tragen. Auch das wird bei dieser Gelegenheit mit demonstriert. Größere Tiere – wie die 250 bis 350 Kilogramm schweren Esel ein paar Meter weiter – lassen sich aber auch von einer Menschengruppe nicht tragen, sie müssen selber laufen.

Andreas Karwath freut sich über das Interesse der Ehrenamtler in ihren blauen Anzügen. Der Schäfer sagt: „Ich habe immer einmal wieder Feuerwehrleuten den Umgang mit Nutztieren wie den Schafen und Eseln erläutert. Mit dem THW ist das eine Premiere.“ Auf jeden Fall sieht er seinen Einsatz als Ausbilder an einem solchen Tag als Selbstverständlichkeit an: „Wenn die Tiere in Not sind, dann ist es wichtig, dass die Einsatzkräfte genau wissen, was zu tun ist. Das ist auch im ureigensten Interesse der Tierhalter.“