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Stadtrat Die Debatte zur offenen Stadt Magdeburg

Eine Mehrheit im Stadtrat erklärte Magdeburg zum sicheren Hafen für Geflüchtete. Die Debatte:

Von Katja Tessnow 20.11.2019, 10:33

Magdeburg l „Weltoffenheit, Toleranz und Courage“ seien „linke Kampfbegriffe“ und es sei „befremdlich“, dass die Fraktion CDU/FDP sie schon im Titel eines Antrages verwende. Das bescheinigte der AfD-Fraktionsvize Jan Moldenhauer der angesprochenen Fraktion – und erntete eine laute Mischung aus Gelächter, Geraune und Bekundungen von Entsetzen aus dem versammelten Rat. So deutlich wie noch nicht zuvor in ihrer jungen Ratsgeschichte trat die AfD am Montagabend gegen alles Fremde in Magdeburg an und forderte offen dessen Ausgrenzung.

Eine Herausforderung an den großen Ratsrest. „Da kräuselt sich bei mir alles“, rief Grünenfraktionschef Olaf Meister zurück und bat um zügige Abstimmung. Der CDU/FDP-Antrag „Magdeburg, eine Stadt für Weltoffenheit, Toleranz und Courage“ fand eine breite Mehrheit neben der AfD. Der Oberbürgermeister soll dafür sorgen, dass Fördermöglichkeiten für Projekte gegen Extremismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt bekannter gemacht und Vereine bei deren Beantragung unterstützt werden.

Die AfD hat sich die Streichung sämtlicher Fördermittel für den genannten Zweck ins Kommunalwahlprogramm geschrieben, steht mit dieser Haltung aber alleine da im Stadtrat. Ebenfalls eine Bauchlandung erlebte die Rechtsaußenfraktion mit ihrem Antrag „Zuwanderungsnotstand ausrufen – Zuzugsstopp für sogenannte Flüchtlinge beschließen“. Die Mehrheit verteidigt die weltoffene Stadt.

Ein Zeichen für die Hilfs- und Aufnahmebereitschaft Magdeburgs sandte eine Ratsmehrheit auf rot-rot-grüne Initiative aus. SPD, Grüne/future! und Linke hatten beantragt, die Stadt Magdeburg möge sich dem Bündnis „Stadt sicherer Häfen“ anschließen und nach dem Beispiel von mehr als 40 weiteren Kommunen (z. B. Braunschweig, Kiel, Rostock und Potsdam) ihre Bereitschaft zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen erklären.

Seinen Ursprung hat das Bündnis in der Empörung vieler Menschen über die Behinderung privater Seenotretter im Mittelmeer, ihre Kriminalisierung und die Verweigerung von Anrainerstaaten, auf dem Meer gerettete Menschen anlanden zu lassen. „Es geht darum ein Zeichen zu setzen, dass auch wir nicht länger beim Sterben im Mittelmeer zusehen und dazu schweigen“, sagte SPD-Fraktionsvize Christian Hausmann, der den Antrag im Namen aller Absender mit emotionalen Worten einbrachte. Das Retten aus Seennot sei „ein Gebot der Menschlichkeit“.

„Jetzt werde ich keinen Beifall von links bekommen“, begann Oberbürgermeister Lutz Trümper seine Gegenrede: „Ich werde dem nicht zustimmen.“ Der Antrag unterstelle, dass jeder, der auf dem Meer gerettet wird, Aufnahme findet, so Trümper, „ein falsches Signal“. Es treibe Menschen in die Hände von Schleppern. Massenhaft traurige Schicksale spielten sich aktuell vielmehr auf den Landwegen der Flüchtlinge ab und in überfüllten Lagern, zum Beispiel in Griechenland.

„Der Antrag verklärt die Situation.“ Überdies sei er rein symbolisch. „Deutschland nimmt bereits 40 Prozent der Seenot-Flüchtlinge.“ Das seien wenige Hundert Menschen und mehr als 90 Prozent von ihnen ohne Anspruch auf Asyl. „In Magdeburg würde vielleicht ein Flüchtling im Jahr ankommen. Das hilft nicht, im Gegenteil.“

Für die CDU/FDP kündigt Wigbert Schwenke Enthaltung an: „Ich bewundere die Arbeit der Menschen, die sich bei der Seenotrettung selbst in Gefahr bringen. Seenotrettung ist nichts Böses.“ Dennoch sei auch seine Fraktion der Meinung, dass die so deklarierte Aufnahmebereitschaft ein falsches Signal in Richtung Schlepper aussenden könne.

Julia Brandt (SPD) verteidigte die Botschaft und wünscht sie sich aus vielen Kommunen. „Das ist ein Signal in Richtung Europa: Löst das Problem endlich!“ „Dann nehmen Sie doch einen Flüchtling auf“, rief Oliver Kirchner (AfD). Er war zuvor – in seinem Kontra zum „Schaufensterantrag“ – sogleich auf Ausländerkriminalität zu sprechen gekommen.

Schluss und Abstimmung: 26 Räte von SPD, Grüne/future!, Linke und Tierschutzpartei – eine Mehrheit – wollen, dass Magdeburg sicherer Hafen für Geflüchtete wird. CDU/FDP, Gartenpartei, Tierschutzallianz und Bund für Magdeburg (13 Stimmen) enthalten sich bei der Abstimmung. Der Oberbürgermeister und 7 AfD-Räte lehnen die Hafen-Botschaft entschieden ab.