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Stadtrat Magdeburg Neuer Ratschef und alte Facebook-Sünden

Michael Hoffmann, der neue Vorsitzende des Magdeburger Stadtrates, will vom Scharfsprecher zum Mann des Ausgleichs werden.

Von Katja Tessnow 16.07.2019, 01:01

Magdeburg l Der Stadtrat hat Sommerferien. Vor der Pause hat sich der neu gewählte Rat konstituiert. Die Wahl von Michael Hoffmann zum Vorsitzenden ging nicht ganz geräuschlos über die Bühne. Ein Gespräch mit dem Christdemokraten über seine Sicht auf Kritik an seiner Person und sein Selbstverständnis im neuen Amt.

Volksstimme: 30 von 56 Stadträten haben Sie zum Ratsvorsitzenden gewählt. Ihr Gegenkandidat von den Grünen bekam 21 Stimmen. Haben Sie sich mehr erhofft?
Michael Hoffmann:
Ich hatte ja nicht einmal eine Rede vorbereitet. Ich habe abgewartet, was passiert. Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Nun möchte ich beweisen, dass dann vielleicht auch irgendwann einmal das sogenannte höchste Lob eines Machteburjers anerkennt: Da kannste nich meckern.

Bereits in den vergangenen Jahren, aber auch aktuell vor dem Wahlgang im Stadtrat, haben unter anderem die Jugendvereinigungen von SPD und Linke Sie massiv angegriffen. Für die Linksjugend sind Sie „offen rassistisch und homophob“. Was sagen Sie dazu?
Dass ich das traditionelle Familienbild vertrete, ist keine Neuigkeit. Jeder möge nach seiner Fasson glücklich werden.

Die Diskussion in sozialen Medien und unter Stadträten befeuern alte Facebookeinträge von Ihnen. 2014 nannten Sie rot-rot-grüne Regierungsoptionen auf Landes- oder Bundesebene „Hochverrat an der deutschen Einheit“ und forderten, dass die „kuschelig-kommunistischen Betreiber“ solcher Konstellationen „vor ein politisches Gericht“ gestellt gehörten. Woher rührt Ihr Zorn? Würden Sie das heute noch so formulieren?
Ich komme aus einem christlich geprägten Elternhaus. Wir wurden von der Stasi überwacht. Ein naher Anverwandter war als Offizier im besonderen Einsatz für die Stasi tätig und mein bester Freund hat mich in seinem Auftrag für die Stasi als inoffizieller Mitarbeiter überwacht. Das prägt. Nach meiner Erinnerung habe ich mich damals für die scharfe Formulierung entschuldigt und diese zurückgenommen. Derartige politische Bündnisse sehe ich auch heute nicht als Lösungsansatz für die Probleme der Menschen in Deutschland.

Sie saßen nach der Wende für die SPD in der ersten Stadtverordnetenversammlung und später im Landtag. Warum sind Sie 2002 zur CDU gewechselt?
Ich war schon im Sommer 1989 im Dom mit dabei, wie auch Willi Polte und Reinhard Höppner (ehemaliger SPD-Oberbürgermeister und ehemaliger SPD-Ministerpräsident d. Red.). Ich bin Pragmatiker und wurde immer wieder gewählt, auch weil ich wohl die Probleme der Bürger ernst genommen habe und diese versucht habe zu lösen. Die schleichende Ideologisierung, die damals und zunehmend auch gegenwärtig zu verzeichnen ist, löst keine Probleme. Mit Höppner habe ich mich irgendwann nicht mehr verstanden. Da gab es viele persönliche Differenzen, auch um die politische Ausrichtung. Bekanntlich hat die damalige Minderheitsregierung dem Land, diplomatisch ausgedrückt, nicht genützt.

Ihr persönliches Erleben von Verrat vor der Wende mag Ihren Zorn auf linke Regierungsoptionen erklären, Facebookeinträge von einer „gefährlichen anti-christlichen Unterwanderung von Türken und anderen“ erklärt dies nicht.
Wir stellen zunehmend kulturelle Konflikte fest, die sich auch in Wahlergebnissen widerspiegeln. Mittlerweile gibt es viele umfangreiche Veröffentlichungen von bekannten Publizisten, die ebenfalls warnen. Ich halte es zudem mit Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, der eine differenzierte gesellschaftliche Diskussion fordert. Dazu empfehle ich auch Peter Hahne, u. a. auch sein Buch „Rauhe Sitten, freche Lügen“.

Wigbert Schwenke, Chef Ihrer Fraktion CDU/FDP im Rat, ist persönlich auch nicht begeistert vom Ton, den Sie einmal im Internet angeschlagen haben. Sie hätten nicht berücksichtigt, dass Facebook nichts vergisst und müssten sich als Ratsvorsitzender disziplinieren.
Anmerkungen anderer sollten meines Erachtens nicht aus Zusammenhängen gerissen werden. Ich muss mich nicht disziplinieren, da es selbstverständlich ist, dass ich mein Amt als Vorsitzender des Stadtrates neutral ausübe. Im Übrigen sind wir gewählt, um für unsere Stadt was zu bewegen, nicht um ideologische Grabenkämpfe anderer Ebenen herunterzubrechen.

War das am Ende auch die Idee Ihrer eigenen Fraktion – ruhigstellen durch Hochloben?
(lacht) Das habe ich mir schon selbst so ausgesucht. Ich hätte ja auch ein anderes Amt anstreben können. Schließlich hatte ich in Sudenburg das zweitbeste Wahlergebnis unter allen CDU-Kandidaten in Magdeburg.

Glauben Sie, dass es schwierig wird, die bunter gewordene Ratsversammlung mit vielen Neulingen zu leiten?
Es wird punktuell der deutlichen Anwendung der Geschäftsordnung bedürfen, davon ist schon auszugehen. Und wie der Oberbürgermeister schon sagte, wir werden viel mehr reden und die Themen breiter ausdiskutieren müssen. Wenn allerdings der fünfte Redner dasselbe sagt, muss das nicht sein.

Finden Sie es gut, dass der Rat bunter geworden ist?
Der Stadtrat soll die ganze Breite der Bürgerschaft widerspiegeln. Alles, was die Stadt ausmacht, muss sich im Stadtrat wiederfinden. Wir sollten lernen, andere Meinungen zu respektieren und nicht gleich alles abzubügeln. Wir sind alle demokratisch gewählte Stadträte, auch wenn der Diskurs schwieriger werden wird.

Wird aus Ihnen am Ende noch ein Mann des Ausgleichs?
Das sehe ich als meine neue Aufgabe im Stadtrat an. Dafür wird es Geduld brauchen, aber Geduld gehört eben auch zur Demokratie. Bei meinen politischen Grundüberzeugungen bleibe ich.