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Stadtverwaltung Klage gegen Magdeburger Beigeordneten-Wahl

Im August tritt Sandra Yvonne Stieger in Magdeburg ihr Amt als neue Wirtschaftsbeigeordnete im Rathaus an. Doch hat ihre Wahl Bestand?

Von Katja Tessnow 30.07.2020, 13:01

Magdeburg l Nun also doch. Nachdem einige Wochen lang das Gerücht von Klagen gegen die Beigeordnetenwahlen am 14. Mai 2020 im Rathaus und in Magdeburger Wirtschaftskreisen die Runde machte, aber diese von offizieller Seite stets dementiert wurden, gibt Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) am Mittwoch auf Nachfrage zu Protokoll: „Ich bin am 22. Juli 2020 im Urlaub über den Eingang einer Klage informiert worden.“

Informiert hat das Arbeitsgericht Magdeburg höchstselbst. Es setzte die Stadtverwaltung in Kenntnis über den Eingang der Klage eines unterlegenen Bewerbers für die Leitung des Wirtschaftsressorts. Nach Angaben von Trümper handelt es sich beim Kläger um den gleichen Bewerber um das Amt des Wirtschaftsbeigeordneten, der bereits vor Wochen in einem Brief an die Verwaltung ungleiche Chancen im Auswahlverfahren beklagt hatte. Diesen Vorwurf behandele auch im Wesentlichen die Klage. Den Namen des Klägers nannte Trümper nicht.

Die Stadt ist nun aufgefordert, sich bis 6. August zur Sache zu äußern. Für den 2. September 2020 ist ein Kammertermin zur Verhandlung angesetzt.

Um die parallel neu zu besetzenden Spitzen des Wirtschafts- und des Kulturdezernates im Rathaus hatten sich bis Ende Januar 103 Frauen und Männer beworben, 50 fürs Kultur- und 53 fürs Wirtschaftsressort. Mehr als 90 Bewerber erfüllten die Ausschreibungsbedingungen, aber nur 14 wurden auf Beschluss des Verwaltungsausschusses zur persönlichen Vorstellung ins Rathaus eingeladen.

Erst in den beiden Wochen vor dem Wahltermin informierte die Stadtverwaltung alle anderen Bewerber darüber, dass ihre Namen öffentlich auf den Abstimmungszetteln im Stadtrat erscheinen und erbat ihr Einverständnis. Am Ende blieben 78 Bewerber – 39 pro Amt – im Rennen, aus dem die früh als Favoritin gehandelte Sandra Yvonne Stieger (CDU) als neue Wirtschaftsbeigeordnete und – überraschend – Regina-Dolores Stieler-Hinz (Grüne) als Kulturbeigeordnete siegreich hervorgingen. Beide Frauen gehörten zum Kreis der vorab ins Rathaus Geladenen. Der Kläger und die große Mehrheit der anderen Bewerber nicht.

Mangelnde Chancengleichheit im Auswahlverfahren mahnt nicht nur der bis dato öffentlich nicht benannte Kläger an, sondern auch Mikko Fritze, ein unterlegener Anwärter aufs Kulturressort. Fritze – als Leiter verschiedener Goethe-Institute weltweit und Macher der Europäischen Kulturhauptstadt Tallinn ein Mann mit schillernder Vita – klagt nicht, aber erneuert seine schon im Mai öffentlich vorgetragene Kritik am Verfahren in einem Beschwerdebrief an den Oberbürgermeister und die Ratsfraktionen. Auszüge aus dem Brief von Mikko Fritze finden Sie in unserem E-Paper vom 30. Juli 2020.

Dass zur jüngsten Beigeordnetenwahl so viele Bewerbungen wie nie zuvor bei einer derartigen Wahl im Rathaus eingingen und das Gros der Bewerber die Ausschreibungskriterien erfüllte, hat seinen Grund in der Vorgeschichte der Wahl. Bereits 2019 hatte der Stadtrat gegen den Widerstand des Stadtberhauptes die Zugangskriterien zu den Spitzenämtern abgesenkt. Neben einem Hochschulabschluss mit Bezug zum zur Wahl stehenden Ressort forderte Trümper eine mindestens dreijährige Berufserfahrung in vergleichbaren Führungspositionen der Verwaltung.

Der Stadtrat minderte die geforderte Führungserfahrung auf zwei Jahre und – vor allem – als nicht bindend, sondern nur „wünschenswert“. Trümper ist darüber bis heute ungehalten, fordert zur nächsten anstehenden Wahl fürs Bauressort ein Umdenken und sagt: „Sonst kann sich auch jeder bewerben, der gerade sein Studium abgeschlossen hat.“

Offenbar mindestens ahnend, auf welch rechtlich dünnem Eis sich die Stadt beim Auswahlverfahren im Vorfeld der letzten Beigeordnetenwahlen bewegte, hatte Trümper den Begriff einer „Vorauswahl“ für den kleinen Kreis der ins Rathaus eingeladenen Bewerber streng vermieden. „Als eine Vorauswahl ist das allerdings nicht zu verstehen. Das sind schlicht die Bewerber, an welche die Ratsfraktionen noch persönliche Nachfragen richten wollen“, sagte Trümper im März auf eine Volksstimme-Nachfrage zum Auswahlprozess. Professioneller Personalberaterfirmen bediente sich die Stadt bei der Sichtung der Vielzahl von Bewerbungsunterlagen nicht. Sie oblag allein der Verwaltung und den Ratsfraktionen.

Nun obliegt es den Arbeitsrichtern darüber zu urteilen, ob es vor und bei der Beigeordnetenwahl im Mai rechtlich sauber zuging. Welche Folgen das Urteil für die Stadtpolitik haben könnte, ist schwer abschätzbar. Trümper: „Das kommentiere ich nicht.“ Der Gerichtssprecher war am Mittwoch für Nachfragen nicht erreichbar.