Corona Tourismusbranche im Harz ist am Boden
Ferienwohnungen bleiben dicht – auch über Ostern. Ein herber Schlag für die Tourismusbranche in Wernigerode, die nun eine Öffnungsstrategie für sich einfordert.
Wernigerode
Der Tourismusbranche steht das Wasser bis zum Hals. Seit November gilt das touristische Beherbergungsverbot. Ein Ende der Beschränkungen ist bislang nicht in Sicht.
„Das ist schon eine blöde Situation“, sagt Wernigerodes Tourismuschef Andreas Meling. Bis vor kurzem hatte er noch Hoffnung, dass ab Ostern wenigstens Urlauber in Ferienwohnungen übernachten dürfen. Eine Hoffnung, die sich mit dem neuesten Regierungsbeschluss zerschlagen hat. „Wir sind enttäuscht“, so Meling gegenüber der Volksstimme. „Gerade Ferienhäuser und Ferienwohnungen hätten die Möglichkeit geboten, in der Pandemie sicher Urlaub zu machen. Schade, dass nun zunächst wieder Abwarten angesagt ist.“
Öffnungsstrategie für Tourismus
An die 9000 Gästebetten würden in Wernigerode und den Ortsteilen täglich leer stehen. „Der aktuelle Lockdown ist für die Branche hammerhart“, schätzt der Geschäftsführer der Wernigerode Tourismus GmbH (WTG) ein. In den letzten Monaten sei deutlich geworden, wie viel in Wernigerode vom Tourismus abhängt. „Das sind nicht nur die 5000 direkten Arbeitsplätze in der Tourismusbranche“, so Meling. Auch der Innenstadthandel, der Einzelhandel, die Gastronomie, das Dienstleistungsgewerbe würden dran hängen. „Von den Wernigerödern allein können die nicht überleben. Sie brauchen die Gäste.“
Wichtig sei es deshalb, der Branche eine Perspektive zu geben. Es sei doch erwiesen, dass der Tourismus nicht der treibende Part in der Pandemie sei. „Wir haben im vergangenen Jahr bewiesen, dass man unter Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen in Wernigerode sicher urlauben kann“, so der Tourismuschef. „Wir brauchen ein Zeichen, wie es weiter geht, eine Öffnungsstrategie.“
Doch die seit kurzem wieder steigenden Infektionenzahlen und die Ausbreitung der Briten-Mutation im Harzkreis stimmen den Tourismuschef nicht gerade positiv. „Die neuen Zahlen lassen erst einmal keine Entspannungen für den Tourismus vermuten.“
Trotzdem Spitzenplatz im Harz
Ein wenig Licht am Horizont sehe er aber trotz der derzeit schlechten Prognosen. „Es gibt Erfahrungen und Tendenzen aus dem vergangenen Jahr, die uns hoffen lassen, dass wir uns schnell erholen.“
In den Sommermonaten nach dem ersten Lockdown hatten Gäste und Touristen Wernigerode regelrecht gestürmt. „Ab Juni sind die Übernachtungszahlen explodiert“, blickt Meling zurück. „Im Sommer lagen wir 20 Prozent über den Zahlen von 2019. Und das war ein Spitzenjahr.“
Insgesamt 936.000 Übernachtungen seien 2020 in Wernigerode und den Ortsteilen registriert worden. Im Vergleich zu den 1,4 Millionen im Rekordjahr 2019 deutlich weniger. „Trotzdem ist es ein stolzes Ergebnis bei vier Monaten Beherbergungsverbot. Damit behaupten wir den Spitzenplatz im Harz und in Sachsen-Anhalt.“
Die Anzahl der ausländischen Touristen sei ebenfalls eingebrochen – von fünf Prozent im Vorjahr auf nicht mal mehr ein Prozent. „Das ist eine klare Corona-Auswirkung.“ Die durchschnittliche Verweildauer habe sich dagegen von 2,7 auf 2,9 Tage verlängert – ein Wert, der seit Jahren stagniert habe. Das und der Besucheransturm im vergangenen Sommer sind für Meling Signale, dass der Inlandstourismus zurückkommen und Wernigerode wieder beleben werde.
Schwierigstes Jahr für Tourismusbetrieb
Die Frage für ihn und viele andere Akteure in der Tourismusbranche ist nur, wann. „Und dabei schwingt immer die Sorge um die finanzielle Situation mit.“ Nicht nur für Hotel- und Pensionsbetreiber geht es immer mehr ans Eingemachte. Auch bei der WTG als städtisches Tochterunternehmen sind die finanziellen Folgen des Beherbergungsverbots spürbar.
„2020 war das schwierigste Jahr seit der Gründung der WTG im Jahr 1992.“ Fehlende Kurtax-Einnahmen, Umsatzeinbrüche bei der Touristinfo, Stadtführungen, Zimmervermittlung – „unsere normale Geschäftstätigkeit ist für Monate zum Erliegen gekommen“. Dennoch habe die WTG 2020 ein ausgeglichenes Jahresergebnis erzielt. Das sei eine „bemerkenswerte Teamleistung“, so Meling – eine Teamleistung, die nur durch massive Einschränkungen möglich gewesen sei. „Wir haben genau geschaut, welche Ausgaben notwendig waren.“ Dazu kamen Kurzarbeit und Einsparungen durch die Zwangsabsage von Veranstaltungen.
Was das Jahr 2021 finanziell für die WTG bringt, ist noch nicht abzusehen. Dennoch fährt das städtische Unternehmen seine Tätigkeit langsam wieder hoch, „in der Hoffnung auf einen Re-Start“, sagt Meling. Denn sollte das Beherbergungsverbot irgendwann aufgehoben werden, könne man den Tourismus nicht einfach wieder von null auf 100 hochfahren. „Das braucht etwas Vorlauf, Werbung und Marketing.“
Auch darüber hinaus steht für die WTG in diesem Jahr einiges an. Zum Beispiel ein neues Corporate Design. „Wir haben unser komplettes Erscheinungsbild mit all unseren Produkten überarbeitet.“ Das Ergebnis werde in Kürze vorgestellt.
Darüber hinaus beteiligt sich das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Landestourismusverband an einem neuen Zertifizierungsverfahren. Mit dem Label „TourCert“ würden ganze Tourismus-Destinationen ausgezeichnet. „Wir sind die ersten in Sachsen-Anhalt“, so Meling stolz.