Ballett Überraschung aus Monte Carlo im Opernhaus Magdeburg
Eigens für eine einzige Vorstellung des Balletts „Le Corsaire“ ist Lou Beyne als Solotänzerin aus Monte Carlo nach Magdeburg eingeflogen worden. Sie hat eine besondere Beziehung zu Magdeburg

Magdeburg - Der Ballettklassiker „Le Corsaire“ steht am Sonntag, 12. Juni 2022, zum letzten Mal auf dem Programm im Opernhaus. Es ist zeitgleich das letzte Ballett, das von Ballettdirektor Gonzalo Galguera in Magdeburg zu sehen ist. Lou Beyne tanzt die Hauptrolle. Sie hat sich in Magdeburg einen Namen gemacht. Doch dass sie hier auftritt, ist ebenso überraschend wie eine dramatische Geschichte.
Aus dem Ballett wird ein Thriller
Doch dieses Ballett hat sich am Ende rund um die Organisation zu einem wahren Thriller entwickelt. Denn die Solotänzerin des Magdeburger Ensembles, die ursprünglich die Hauptrolle innehatte, hatte sich im ersten Akt der ersten Vorstellung in dieser Spielzeit verletzt. Sie hatte den ersten Akt noch tapfer zu Ende gebracht, der zweite Akt musste dann ohne sie stattfinden. Und die zweite geplante Vorstellung musste zur Gänze ausfallen.
Für die Magdeburger Theaterleitung war nun guter Rat teuer: Wollte man doch wenigstens die letzte Vorstellung stattfinden lassen. Die Lösung: Lou Beyne. Sie hatte im Jahr 2017 die Hauptrolle getanzt, als „Le Corsaire“ in der Choreographie von Gonzalo Galguera das erste Mal auf die Bühne des Magdeburger Opernhauses kam. Sie kennt also die einzelnen Schritte und Bewegungen, hat ein echtes Gefühl für das Werk.
Nur: Seit 2018 ist die Französin nicht mehr Mitglied des Magdeburger Ensembles und hat natürlich anderes zu tun, als auf den Auftrag für ein einzelnes Stück aus Magdeburg zu warten. Engagiert ist sie inzwischen an den namhaften Les Ballets de Monte-Carlo.
Doch auch wenn sie schon seit vier Jahren nicht mehr in Magdeburg war – noch immer schlägt ihr Herz für die Elbestadt und deren Theater. „Ich wollte schon immer einmal wieder zurückkommen. Nur mein Zeitplan und die Pandemie ließen es nicht zu“, sagte sie jetzt der Volksstimme. In ihrem Terminkalender war jetzt ein Besuch im August vorgesehen. „Aber das ist ja noch besser“, sagt sie.
Erst vor einer Woche war der Termin mit Lou Beyne unter Dach und Fach. Diese erinnert sich: „Die Premiere im Jahr 2017 war schwierig, weil ich von einer Rückenverletzung zurückkam und nicht das Gefühl hatte, mein Bestes gegeben zu haben. Aber es ist ein wunderschönes und sehr episches Ballett. Und eine große Rolle für eine Ballerina. Ich war und bin auch heute wieder sehr geehrt, Medora zu tanzen.“
Nur: Lou Beyne steckte bis vor einer Woche in einem anderen Projekt fest: Unter dem Titel „Coppel-I.A.“ fanden mit ihr gerade Dreharbeiten für einen Film des französischen Fernsehsenders Mezzo statt. Am gestrigen Freitag um 21 Uhr wurde diese Interpretation des Stücks mit einer Anspielung auf das Thema rund um die künstliche Intelligenz der heutigen Zeit und der Zukunft mit einer auf Lou Beyne geschriebenen Rolle ausgestrahlt. Nachdem diese Arbeiten beendet waren, also schnell nach Nizza und in den Flieger nach Deutschland, um in wenigen Tagen für das Magdeburger Publikum die Rolle der Medora in „Le Corsaire“ wieder einzuüben. Die Balletttänzerin sagt: „Ich habe seit vier Jahren kein sehr klassisches Ballett mehr getanzt, und dies ist ein sehr herausforderndes Ballett. Doch ich liebe Herausforderungen.“
Sie hatte nun vier Tage Zeit, um neu in die Rolle zu schlüpfen, sie mit zwei Bühnenpartnern einzustudieren – und sie morgen Abend dann auf der Bühne mit Orchester vor dem Magdeburger Publikum zu tanzen.
Verschnaufen ist für sie dann aber auch nicht angesagt. Denn morgens um 9 Uhr muss sie am Montag wieder im Flieger sitzen. Um 13 Uhr soll sie in Monte Carlo an der nächsten Probe teilnehmen.
Doch woher stammt die Begeisterung für eine Stadt, in die sie als junge Frau aus einer Anstellung in Zürich gekommen war? Sie sagt: „Ich freue mich einfach, Gonzalo und Ballettmeisterin und Tanztrainerin Olga Ilieva wiederzusehen und mit ihnen zu arbeiten. Ich hatte sieben wunderbare Jahre mit ihnen und ich bin so aufgeregt, ein kleines Revival zu haben.“ Da es sich um die letzte Aufführung des scheidenden Magdeburger Ballettdirektors handelt, sieht sie es auch als eine Ehre an, zu diesem besonderen Abend beizutragen. „Er hat hier hervorragende Arbeit geleistet, und ich bin sicher, dass seine Karriere auch danach weitergehen wird“, sagt Lou Beyne. Und auch die Magdeburger, von denen einige Freunde geworden seien, sind ihr als sehr treues, freundliches, ermutigendes, enthusiastisches und lustiges Publikum in Erinnerung geblieben. „Ich vermisse das immer wieder“, sagt sie.
Ukrainischer Balletttänzer in der anderen Hauptrolle
In der männlichen Hauptrolle ist Yevheniy Svyetlitsa auf der Bühne zu erleben. Er war bereits bei der Vorstellung am 27. Mai zu sehen – wenngleich auch er für diese Rolle ursprünglich nicht eingeplant war. Der Balletttänzer stammt aus der Ukraine, war unter anderem in Lviv und Kiew als Solotänzer aufgetreten und zuletzt auf einer Tournee in den USA unterwegs.
Für ihn bedeutete das schnelle Einspringen von Lou Beyne nun aber auch noch einmal eine Herausforderung – mussten sich doch beide aufeinander abstimmen, um auf der Bühne gut zu harmonieren.
Geschichte: Seit seiner Uraufführung 1856 an der Pariser Oper zählt „Le Corsaire“ zu den eindrucksvollsten Handlungsballetten des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte: Auf einem Sklavenmarkt verliebt sich der Korsar Konrad in Medora, die gerade in den Harem von Said Pascha verkauft werden soll. Gemeinsam mit seiner Piratentruppe entführt Konrad Medora und weitere Sklavinnen auf seine Pirateninsel. Dort kommt es jedoch zum Streit unter den Korsaren, weil Medora Konrad bittet, alle Sklavinnen freizulassen. Konrads Konkurrent Birbanto gelingt es, Medora zu überwältigen und an Said Pascha zu übergeben. Nun muss Konrad zu einer List greifen, um Medora endgültig zu gewinnen.

In Magdeburg: Für die klassische Ballettkompanie in Magdeburg ist das Stück nicht nur aufgrund seiner Bedeutung etwas Besonderes, sondern zugleich eine tänzerische Leistungsschau.
Gonzalo Galgueras Choreographie dieses Ballettklassikers wartete bei seiner Premiere 2017 mit allem auf, was man von einer spannenden Piraten-Geschichte erwarten kann: Spektakuläre Bühneneffekte, exotische Szenerien, großartige Pas de deux, kraftvolle Ensembleszenen.
Karten: Zum Redaktionsschluss waren noch Karten auf dem Rang zu haben. Erhältlich sind diese an der Abendkasse, online unter www. theater-magdeburg.de und telefonisch unter 0391/40.490.490.