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Zollamt Magdeburg Rolex für ’nen Appel und ’n Ei

Etwa 8000 Postsendungen landen pro Jahr im Zollamt in Magdeburg. Doch nicht alle erreichen auch ihren Empfänger.

Von Ivar Lüthe 26.09.2019, 01:01

Magdeburg l Eine goldene Rolex, ein nagelneues VW-Navigationsgerät, die neuesten Adidas-Turnschuhe im Wert von mehr als 1000 Euro – was vor Zollamtsleiter Manfred Schübel und Pressesprecherin Annica Wieblitz da auf dem Tisch liegt, ist so richtig teuer. Ist es wiederum aber auch nicht. Denn alle diese Artikel haben eines gemein – sie alle sind Fälschungen.

Die Plagiate haben Schübel und seine Kollegen vom Zollamt in Rothensee aus Päckchen und Versandtüten herausgefischt, die von China aus in der Landeshauptstadt an ihre Empfänger gehen sollten. Doch so weit kamen die Artikel eben nicht, denn den kritischen Blicken der Zöllner sind weder die Absender noch die Produktbeschreibungen auf den Zollformularen entgangen. Manfred Schübel und seine Kollegen wissen schon genau, worauf sie achten müssen.

Das war auch in dem Fall so, als ein Päckchen aus China nach Magdeburg kam. Inhalt: ein Außenspiegel für einen VW. Verschickt an eine Privatperson. Hier schrillen bei den Zöllnern schon alle Alarmglocken. Zwar lässt VW auch in China Außenspiegel produzieren, „aber die Hersteller dort verschicken keine einzelnen Spiegel an Privatpersonen“, weiß Manfred Schübel. Und tatsächlich, bei dem Außenspiegel handelte es sich um einen billigen Nachbau. Genauso wie das VW-Autoradio samt Navi, das die Magdeburger ebenso aus einem Paket aus China herausholten.

Nicht immer ist es einfach, herauszufinden, worum es sich bei den verschickten Artikeln handelt, und ob es denn auch ein Plagiat oder vielleicht doch echt ist. In solchen Fällen hilft den Zöllnern eine Datenbank, wo für unterschiedlichste Artikel Merkmale einer Fälschung dokumentiert sind.

Längst nicht alles, was von Asien oder sonstwo in Richtung Magdeburg geschickt wird, kommt auch hier an. Gerade Päckchen und Pakete aus Asien kommen per Flugzeug nach Deutschland und werden in den Verteilzentren in Frankfurt/Main oder Leipzig bereits vom Zoll dort unter die Lupe genommen und im Plagiatsfall abgefangen. In Magdeburg findet dann die letzte „Feinkontrolle“ der Postsendungen statt, die es bis hier her geschafft haben.

Im vergangenen Jahr haben die Magdeburger Zöllner in 64 Fällen Produktpiraterie festgestellt, also nachgemachte Uhren, Kleidung, Schuhe oder Autoteile herausgefischt. Noch größer war der Anteil bei der sogenannten Produktsicherheit. Gemeint sind beispielsweise billig hergestellte Elektronikartikel. Von der Weihnachtsbaumbeleuchtung aus China bis hin zu Handy-Akkus oder gar Drohnen. Alles, was den Sicherheits- und Qualitätsbestimmungen der EU nicht standhält, darf nicht in Umlauf gelangen.

„Wir haben hier schon so manchen Brand verhindert“, ist sich Manfred Schübel sicher und erinnert sich an einen aktuellen Fall. Im Internet hat sich ein Kunde aus Magdeburg eine Beleuchtung für den heimischen Pool bestellt. Günstig aus China. Als sich die Zöllner die Unterwasserleuchte genauer ansahen, war schnell klar, warum das Teil so günstig war. Während die Lampenscheibe noch wasserdicht verklebt war, war der hintere Teil mit der Elektronik und dem Stromanschluss überhaupt nicht abgedichtet. Beim ersten Einschalten wären alle Sicherungen herausgeflogen oder gar Schlimmeres passiert. Ähnliche Fällen hatten sie auch mit Lichterketten bereits erlebt.

Ebenfalls nicht durch den Zoll kamen im vergangenen Jahr auch einige verschickte Produkte, die in Deutschland unter das Arzneimittelgesetz fallen. In 19 Fällen hielten die Zöllner diese Produkte zurück. Aber auch Waffen beziehungsweise Waffenteile zogen die Magdeburger Zöllner aus dem Verkehr. Darunter Messer mit zu langer Klinge oder auch Wurfsterne. „Wir hatten sogar schon eine Armbrust dabei“, sagt Manfred Schübel.

Werden Plagiate festgestellt, werden die Fälschungen grundsätzlich eingezogen und vernichtet. Bei festgestellten Verstößen gegen die Produktsicherheit muss der Empfänger entscheiden, ob er den Artikel zurückschicken will und auf eine Kaufpreiserstattung hofft, oder ob der Artikel entsorgt werden soll. Das passiert dann im benachbarten Müllheizkraftwerk in Rothensee. Hier ging schon so mancher heiße Rolex-Traum in Flammen auf.

Ob den Plagiat-Käufer eine Strafe erwartet, das muss der jeweilige Rechteinhaber entscheiden. „Manche sind da sehr streng und wollen über jede einzelne Fälschung informiert werden, andere lassen eine gewisse Stückzahl zu, geben eine Untergrenze vor, bei der sie erst informiert werden wollen“, erklärt der Zollamtschef. Entsprechend der Herstellervorgaben handeln dann die Zöllner. Ob der Kunde dann später Post von einem Anwaltsbüro mit Strafzahlung erhält, bekommen die Zöllner nicht mehr mit. Doch Manfred Schübel weiß von so manchem Kunden, den der günstige Einkauf im Internet später teuer zu stehen kam.