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Coronavirus Krebskranke Frau aus Irxleben im Impfzentrum in Magdeburg abgewiesen

Die Magdeburger Vorgabe, dass nur Personen mit Wohnsitz oder Arbeitsplatz in der Landeshauptstadt geimpft werden, trifft auch Menschen aus dem direkten Umland.

Von Ivar Lüthe Aktualisiert: 19.4.2021, 08:32

Magdeburg. Sabine Radke versteht die Welt nicht mehr: Die 51-Jährige ist krebskrank und damit in der Corona-Pandemie besonders risikogefährdet. Sie gehört zur Prioritätsgruppe 2 der Bundesimpfverordnung und hat somit Anspruch auf eine Impfung. Im Impfzentrum in Magdeburg jedoch wird sie abgewiesen. Denn Sabine Radke wohnt in Irxleben, nur wenige Kilometer vor den Toren der Landeshauptstadt. Und nicht nur ihr geht es derzeit so.

Dass sie abgewiesen wird, liegt an einer aktuell bestehenden Weisung des Magdeburger Oberbürgermeisters Lutz Trümper (SPD). Wer nicht in Magdeburg gemeldet ist oder keinen dauerhaften Arbeitsplatz in der Landeshauptstadt nachweisen kann, wird aktuell im Impfzentrum nicht berücksichtigt.

Nach Ostern hatte der OB diese Regelung eingeführt. Hintergrund war, dass gut 40 Prozent aller angebotenen Impftermine in Magdeburg von Menschen aus anderen Bundesländern belegt worden waren. Aus Niedersachsen, Hamburg, Berlin, selbst aus München seien Impfwillige angereist und hatten sich in den Messehallen der Elbestadt impfen lassen. Mehr als 2000 Impfungen seien so an Nicht-Magdeburger gegangen.

Regel soll Impftourismus in Größenordnung eindämmen

Zuviel für den OB. Einem derartigen Impftourismus wollte er einen Riegel vorschieben. „Es kann doch nicht sein, dass sich ganz Deutschland in Magdeburg impfen lässt und für die Magdeburger bleiben keine Termine“, zürnte Trümper. Bei knappem Impfstoff und dem Einsatz städtischen Personals sollte der Impfstoff auch den Magdeburgern zugutekommen. Per Weisung legte er die „Magdeburger zuerst“-Regel fest und sich damit auch mit Landes-Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) an.

Sie sagt: Laut Bundesimpfverordnung ist jeder Bürger in jedem Landkreis impfberechtigt, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat und der die medizinischen Kriterien erfüllt. Trümper entgegnet, dass beispielsweise Niedersachsen Impfberechtigte aus Sachsen-Anhalt ablehnt – mit den gleichen Argumenten wie er. Grimm-Benne wiederum forderte den OB in einem Schreiben auf, seine Regel aufzuheben. Der Streit ist noch nicht ausgeräumt.

Mittendrin steckt nun Sabine Radke. Seit langem habe sie sich vergeblich um einen Impftermin in ihrem Heimat-Landkreis Börde bemüht. Anders in der Landeshauptstadt – hier fand sie freie Termine und buchte für sich und ihren Lebenspartner als direkte Kontaktperson.

Immunsystem ist stark geschwächt

Doch sie kam nach der Buchung des Termins vor Ort nur bis zur Einlasskontrolle. Kein Wohnsitz oder dauerhafter Arbeitsplatz in Magdeburg, keine Impfung. Die Mitarbeiter vor Ort können da nichts machen, sie müssen sich an die bestehende Weisung halten.

„Ich bin erschüttert über diesen ganzen Vorgang, zumal ich gesundheitlich dringend auf eine zeitnahe Impfung angewiesen bin, mein Immunsystem durch die Chemotherapie sehr geschwächt ist und ich eine Corona-Infektion mit stärkerem Verlauf unter Umständen nicht überleben würde“, sagt sie.

Die Magdeburger Regelung kann sie nicht nachvollziehen. „Ich als Risikopatientin bin maßlos enttäuscht über eine derartige Vorgehensweise und dass damit ganz offiziell gegen bundesweit geltendes Recht, die Bundesimpfverordnung, verstoßen wird“, meint sie.

Protest vor dem Impfzentrum

Zum aktuell noch ungeklärten Streit um die Rechtmäßigkeit der Vorgabe zwischen Gesundheitsministerin und Oberbürgermeister sagt sie: „Man fühlt sich wie so ein Pingpongball, weil jeder sein eigenes Süppchen kocht. Da verzweifelt man, da kommen einem die Tränen. Ich fühle mich wie ein Mensch zweiter Klasse.“

Nachdem sie am Sonnabend im Impfzentrum abgewiesen wurde, machte sie ihrem Frust darüber Luft und stellte sich gemeinsam mit ihrem Lebenspartner mit Schildern um den Hals vor das Impfzentrum. „Ich habe Krebs und werde nicht geimpft, weil ich kein Magdeburger bin! (Wohnort Irxleben)“ war darauf zu lesen. Auf dem anderen Schild wurde auf den aktuellen Streit zwischen Trümper und Grimm-Benne verwiesen. Passanten schüttelten nach dem Lesen nur den Kopf: „Das ist nicht in Ordnung. Das geht so nicht“, pflichtete ein Pärchen den Irxlebern bei.

Von dem Fall erfuhr Sozialbeigeordnete Simone Borris, die Leiterin des Aufbaustabes Impfen. Am Sonntagabend, kurz vor Redaktionsschluss, erklärte sie, dass „in diesem speziellen Fall die Impfung in Magdeburg doch vorgenommen werden kann“. Die Weisung des OB bleibe aber grundsätzlich bestehen.