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Ausbildung im Drömling 20-Jährige möchte Landwirtin werden - aus Leidenschaft

Jennie Schulze lässt sich in der Agrarproduktionsgesellschaft Bösdorf-Lockstedt bei Familie Stottmeister ausbilden. Der Kreisbauernverband Börde unterstützt sie bei den Prüfungsvorbereitung mit einem intensiven Praxistag im Vorharz.

Von VS 19.05.2025, 18:45
Öhrchen sind schlecht zu erkennen, also muss das Häutchen Aussage über die Getreideart geben: Jennie Schulze (links) im Gespräch mit Prüferin und Pflanzenexpertin Marie Saudhof.
Öhrchen sind schlecht zu erkennen, also muss das Häutchen Aussage über die Getreideart geben: Jennie Schulze (links) im Gespräch mit Prüferin und Pflanzenexpertin Marie Saudhof. Foto: Marius Denecke/Kreisbauernverband „Börde“

Bösdorf/Silstedt - „Mich macht die Arbeit in der Landwirtschaft einfach glücklich!“ Jennie Schulze meint, was sie sagt, das ist der jungen Frau anzusehen, wenn sie von früher erzählt, als die Eltern und Großeltern noch einen Bauernhof hatten, der später verpachtet wurde.

Die 20-Jährige aus Niedersachsen steht nach drei Jahren Lehrzeit kurz vor ihrer Abschlussprüfung als Landwirtin. Ihre Ausbildung hat sie in der Agrarproduktionsgesellschaft Bösdorf-Lockstedt bei Familie Stottmeister absolviert. Dort ist Herdenmanager Eric Wilke ihr Ausbilder. Er hat sie zum Praxistag nach Silstedt bei Wernigerode gebracht, wo kurz vor dem Abschluss noch einmal alle prüfungsrelevanten Themen durchgenommen werden. Der Betriebsverbund der Agrargenossenschaft „Vorharz“ Silstedt und der Agrar GmbH Darlingerode stellt dafür zum wiederholten Mal seinen Hof, Ackerflächen und den Stall zur Verfügung.

Prüfungsähnliche Simulation

Gestandene Landwirte, die zudem als Prüfer tätig sind, gehen hier noch einmal die Themen Technik, Pflanze und Tier mit den zukünftigen Landwirten, Fachkräften für Agrarservice und Tierwirten durch. 23 Azubis nutzten das diesjährige Angebot der Bauernverbände Salzland, Nordharz und Börde, die den Praxistag vor einigen Jahren wegen der ausgefallenen Zwischenprüfungen während der Coronazeit ins Leben riefen. Seitdem bieten die Verbände diesen Praxistag jedes Jahr abwechselnd in einem ihrer Betriebe an, weil viele ausbildende Betriebe und Azubis dieses Angebot gern nutzen.

Die Vorteile liegen klar auf der Hand, jeder Azubi bekommt noch einmal eine prüfungsähnliche Simulation und kann seine Schwächen wenige Wochen vor der Abschlussprüfung entdecken. Und gleichzeitig können zum Beispiel Tierwirte die Ackertechnik, die oft nur theoretisch in der Schule behandelt wird, noch einmal an Mähdrescher, Scheibenegge und Feldspritze erklärt bekommen.

Von der Technik zum Tier und umgekehrt

Auch Technikfreaks müssen in den Prüfungen genau wie alle anderen den Tierbewertungsbogen an der Kuh ausfüllen können. Auch das kommt während der Ausbildung manchmal nur am Rande vor.

So gehen die jungen Leute, unter ihnen vier Frauen, in drei Gruppen die Stationen in und um Silstedt durch. Diana Borchert, Geschäftsführerin des Bauernverbandes Nordharz, Katharina Elwert, Geschäftsführerin des Bauernverbandes Salzland“ und Marius Denecke, Geschäftsführer des Bauernverbandes Börde begrüßen die jungen Leute und Denecke gibt die Einteilung der Gruppen und die Stationsorte bekannt. Jennie Schulze ist in der ersten Gruppe, die den Bereich Technik absolviert. Hier warten schon Sandro Richter und Steffen Schmidt auf dem Technikhof auf die jungen Leute. Sandro Richter beginnt bei der Scheibenegge. Mit der Technik kennt sich Lennard Schaller, Azubi bei Justus Rohlfing in der GbR Weißenschirmbach „Birkenschäferei“, sehr gut aus und kann fast alle Maschinenteile und Funktionen erklären. Jennie Schulze ist still, hört zu; aber sie ist voll konzentriert bei der Sache.

Komplexe Zusammenhänge erklären

Als die Gruppe zum Mähdrescher übergeht, will Richter dann von allen das Wissen testen und stellt auch an Jennie Schulze Fragen, die sie fast alle beantworten kann. Auch Maurin Sievert, Lehrling in der Agrargenossenschaft Ammesdorf bei Güsten, hat auf Nachfrage eine Menge Technikwissen auf Lager. „Das Problem ist“, so Richter, „dass ihr in der Prüfung viel reden müsst und dann nicht einfach die Fachwörter raushaut, sondern komplexe Zusammenhänge erklären sollt.“

Auch Prüfer Steffen Schmidt stellt seine Aufgabe an der Feldspritze erst einmal ganz grob: „Erklärt mir mal, wo die Brühe in der Spritze langläuft.“ Aber er muss dann ganz genau zeigen und noch viel nachfragen, ehe von vorn bis hinten klar wird, wie was funktioniert und was alles beachtet werden muss. Man solle, so Schmidt, in der Prüfung am besten die Prüfer nicht zu Wort kommen lassen.

Wissenslücken füllen

Eine Aufgabe in der Prüfung könne zum Beispiel lauten: „Dort ist ein Feld mit Blattläusen. Was ist zu tun?“ Die Antwort müsse dann vieles umfassen, unter anderem die Schutzausrüstung, Mittelauswahl, Anwendung, Spritzeneinstellung, Witterungsbedingungen und so weiter. Der zukünftige Tierwirt Max Schuchhardt hält sich bei der Technik im Hintergrund. Aber auch er muss sich dem Thema stellen, um die Prüfung zu bestehen.

In einer größeren Gruppe geht es anschließend zum Weizenfeldrand, wo Landwirtin und Prüferin Marie Saudhof sowie der Pflanzenbaureferent vom sachsen-anhaltinischen Bauernverband, Oliver Sommerfeld, Getreidesorten, Unkräuter und den Weizenanbau abfragen und wenn nötig selbst erklären. Hier können die Azubis zwar mit theoretischem Wissen punkten, es aber an den Pflanzen mitunter nicht zeigen; da kommen doch etliche Wissenslücken zum Vorschein.

Vom Feld in den Stall

Jennie Schulze kennt sich hier recht gut aus, stellt bei Unklarheiten Fragen an die Fachleute. Marie Saudhof ist mit dem allgemeinen Wissenstand allerdings nicht zufrieden und empfiehlt dringend zum Rekapitulieren vor der Prüfung und fügt abschießend an: „Zur Ertragsbestimmung bei Gerste gibt es zum Beispiel ein sehr gutes Youtube-Video, was ich sehr empfehlen kann.“

Dann geht es für die Gruppe um Jennie Schulze zum Milchviehstall, wo Uwe Burkhardt vom Rinderzuchtverband und vier ausgewählte Kühe auf die „Fastbauern“ warten, um bewertet zu werden. Hier erklärt der Experte alle Kriterien einer guten Milchkuh anhand der sehr verschiedenen Rinder: Es geht um die Maße, um Fachbegriffe wie den Klauenstand, die Eutermarmorierung, die Strichdicke oder die Balance. Jennie Schulze erhält von Burkhardt die Aufgabe anhand der Stallkarte zu erläutern, was diese über die Kuh aussagt. Das macht sie gut.

Fortbildung in Haldensleben

Die junge Frau denkt, ganz gut durch die Prüfungen zu kommen, die in vier Wochen beginnen. „Ich will so gut wie möglich abschneiden, weiß jetzt auch besser, worauf es ankommt. Dieser Praxistag ist sehr hilfreich für mich, weil meine theoretische Ausbildung in Niedersachsen stattfand. Die Prüfung muss ich aber in Sachsen-Anhalt ablegen“, fügt sie an.

Ihr Wohnort liegt unweit der Landesgrenze und der Ausbildungsbetrieb ist in Sachsen-Anhalt. In Niedersachsen hatte sich trotz etlicher Bewerbungen keiner gefunden. Dafür weiß die 20-Jährige, die einen erweiterten Realschulabschluss hat, schon jetzt, wo sie nach den Prüfungen hingeht. Ein Landwirtschaftsbetrieb in ihrer Heimatgemeinde freut sich auf die junge Frau, der alles Spaß macht, was mit Landwirtschaft zu tun hat. Zudem wird sie die Wintersemester an der Fachschule für Landwirtschaft in Haldensleben nutzen, um sich weiterzubilden zum Betriebswirt.

Der Weg des Getreides vom Acker durch den Drescher bis ins Lager wird von Landwirt und Prüfer Sandro Richter (rechts) abgefragt und wenn nötig erläutert.
Der Weg des Getreides vom Acker durch den Drescher bis ins Lager wird von Landwirt und Prüfer Sandro Richter (rechts) abgefragt und wenn nötig erläutert.
Foto: Marius Denecke/Kreisbauernverband Börde

Auf dem Gelände der Agrargenossenschaft in Silstedt geht trotz der vielen jungen Leute der normale Betrieb weiter. Man nimmt allenthalben Rücksicht, aber die Stallarbeit muss weitergehen, und auf den Äckern ist man noch dabei, den letzten Mais zu legen. Trotzdem gebühre dem Betrieb ein großes Dankeschön, so Diana Borchert, Geschäftsführerin des Bauernverbands Nordharz.

Christian Trosien, hier auf dem Hof der Tierproduktionsleiter, erzählt etwas über die Betriebsstruktur: „Im Verbund beackern wir insgesamt 2.000 Hektar, davon 300 Hektar Grünland. Im Stall stehen 560 Milchkühe, inklusive Nachzucht, die von 7 der insgesamt 23 Mitarbeiter betreut werden.“ Man baut hier Weizen, Gerste, Raps Zuckerrüben, Mais und Zwischenfrüchte an. Letztere werden, wie die Grasschnitte, auch als Tierfutter verwendet. Zusätzlich gibt es eine Biogasanlage. Im Betrieb wird ausgebildet: Ein Lehrling ist im zweiten Lehrjahr und im August fängt ein neuer Azubi an. Trosien und seine Mitstreiter warten wie alle Bauern der Gegend sehnlichst auf Regen: Die 26 Millimeter von vor 14 Tagen reichten nicht weit.