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3. Oktober Zahn der Zeit nagt am Einheitstag

Die Wiedervereinigung verliert nach 27 Jahren in der Oebisfelder Region an Bedeutung, insbesondere bei der jungen Generation.

Von Harald Schulz 05.10.2017, 03:00

Oebisfelde l  Normalität und die täglichen Sorgen bestimmen die Emotionen. Doch für die Älteren behält diese Zeitspanne eine unvergessene Bedeutung. Noch ist es keine 27 Jahre her, dass die Staatsgrenze, der Todesstreifen, die Sperrgebiete ihre Bedrohungen für die Menschen entlang des heute so vielsagend beschriebenen Grünen Bandes verloren haben. Erinnerungen wurden auch am Tag der Deutschen Einheit wieder bei Zeitzeugen wach, die miterlebten, wie ihr Heimatstaat auseinanderbrach, die Menschen sich binnen kurzer Zeit völlig neu orientieren mussten.

Der Tag der Deutschen Einheit wurde durch den Einigungsvertrag als politisch bestimmter Feiertag der Wiedervereinigung festgelegt. Tatsächlich öffneten sich die Grenzen erst mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989, von Breitenrode aus war die Straße ins niedersächsische Nachbardorf Grafhorst erst Wochen später, um 6 Uhr morgens am 23. Dezember passierbar.

Einer der Zeitzeugen dieses Festaktes zu den Klängen der Breitenroder Blaskapelle war Dietmar Möllmann. Er selbst hatte den Mauerfall am 9. November im Verlauf einer Gemeinderatssitzung vernommen. Kaum jemand in der Runde wollte diese Nachricht glauben. Dass der Weg über die Grenze nun frei war, das war die halbe Wahrheit, so Möllmann. Die Wege und Straßen waren kaputt oder schlicht nicht mehr da. „Da haben wir Breitenroder angepackt und uns provisorisch selbst geholfen“, erinnert sich Möllmann an die „Wir-sind-das-Volk“-Leistung. Viele Erinnerungen sind als Foto-Dokumente noch heute in der Heimatstube ausgestellt.

In Oebisfelde hieß der Bürgermeister in jener Zeit Steffen Wetterling. Ihm war bewusst, dass sich etwas im Staat verändern musste – die Wiedervereinigung war dabei für ihn nicht mit eingeschlossen. „Ich habe die Wiedervereinigung auf keinen Fall erwartet“, so Wetterling. Erwartet hatte der Oebisfelder Bürgermeister jedoch hilfreiche Unterstützung des Staatsrates für das Volk. Stattdessen herrschte in diese Richtung nur Stille, aber der 40. Jahrestag der DDR wurde pompös gefeiert, kritisiert Wetterling.

Der Vorsitzende des Heimatvereins Oebisfelde, Ulrich Pettke, wurde von der Nachricht, dass die Grenzen offen sind, unter der Dusche erwischt. Seine Spätschicht im Zentralwerk der Deutschen Reichsbahn in Oebisfelde war beendet. So recht glauben, wollte Pettke diese Nachricht nicht.

Die Oebisfelder Margit Bertelmann arbeitete ebenfalls bei der Bahn in Oebisfelde, kannte die strikten Anweisungen für den Interzonenbahnhof. „Oebisfelde war von der Sperrzonenregelung doppelt betroffen. Die Menschen wurden durch die Nähe zur Grenze nochmals durch entsprechende Stempel im Personalausweis unterteilt, weiß sie nur zu gut.

Wie Bertelmann so erfuhr auch Annedore Händler von der Grenzöffnung durchs Fernsehen. „So recht dran glauben, das kam erst langsam. Aber wir sind nie auf die Idee gekommen, unsere Heimat aufzugeben“, versichert die Oebisfelderin.