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Lesung Wie Omas listige Falle zuschnappt

Die Enkeltrickmasche: Wie Betrüger entlarvt werden können, das erfuhr das Oebisfelder Publikum im Verlauf der Lesung "Ich habe gar keine Enkel".

Von Harald Schulz 23.10.2018, 06:00

Oebisfelde l In Sachen Prävention gegen Trickdiebstahl und Betrugsmaschen ist Kriminaloberkommissar Klaus-Dieter Würdig vom Polizeirevier Haldensleben bei Seniorengemeinschaften im Stadtbereich von Oebisfelde gern gesehener Ratgeber. Hätte er jedoch die 82-jährige und vier Mal verheiratete wie verwitwete Oma Renate Bergmann an seiner Seite, er könnte sich wohl vor Einladungen nicht retten. Oma Bergmann ließ im Verlauf einer äußert humorvollen, durchaus auch spannend in Szene gesetzte Lesung im Oebisfelder Rittersaal die Falle für eine Enkeltrickbetrügerin mit spitzfindiger List erbarmungslos zuschnappen. Die Lesung wurde aus Anlass des 70-jährigen Bestehens der Stadtbibliothek Oebisfelde veranstaltet.

Das Publikum im ausverkauften Rittersaal war Sonnabend begeistert vom durch die Bank bestens pointierten Verlauf der Lesung, die von der Schauspielerin Anke Siefken auf Einladung des anwesenden Buchaustors Torsten Rohde par excellence in Gestik, Sprache und Wiedergabe aus dem Originaltext verkörpert wurde.

Bemerkenswert wie Schauspielerin Anke Siefken als 82-jährigen Kult-Oma Bergmann das Publikum durch die Erzählung führte. Die bietet aber noch weit aus mehr lesenswerten Stoff. Doch dank der literarischen Auswahl an Szenen blieb die Lesung immer schlüssig, mehr als amüsierend, noch dazu leicht verständlich. Eine Tageszeitung, ein Stuhl, ein Sessel am Tisch mit nostalgischem Telefonapparat und ein Smartphone, dazu eine große Ausdrucksstärke der Protagonistin, dass garantierte große Schauspielkunst auf kleiner Bühne.

Inhaltlich lebte die Lesung „Ich habe gar keine Enkel“ von der Fülle an Humor und von mit Schlitzohrigkeit angehäuften Zeilen des Buches, das die Renate Bergmann, geborene Strelemann, wohnhaft in Berlin-Spandau beschreibt. Die Trümmerfrau, Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwete Seniorin ist eine Frau der Tat und seit man ihre Friedhofsharke gestohlen hat, auch begeisterte Fernsehguckerin der Folgen von „Kennzeichen X Y“ und „Vorsicht Falle“ sowie „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“.

Ausgerechnet diese gegen Verbrechen jeglicher Art sensibilisierte Seniorin hat sich eine Enkeltrickbetrügerin als Opfer ausgesucht. Beim Abendbrot klingelte das Telefon bei Omi Renate – was für sie Anlass genug war, misstrauisch zu werden. Das Publikum bekommt nun ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen einer mit allen Wassern gewaschenen Betrügerin und einer ausgebufften Oma vorgespielt, dass humorvoll den Ernst dieser Betrugsmasche widerspiegelt. Dass Oma Bergmann am Ende die Falle zuschnappen lässt, kann das Publikum an ihrer Aussage erahnen, „dass sie ja gar keine Enkel hat“.

Dafür hätte die Spandauer Oma aber eine Tochter, die 50-jährige kinderlose Kirsten. Die verdiene ihren Lebensunterhalt aktuell als esoterische Lebensberaterin für Kleintiere. Derzeit biete sie Aquajogging und Unterwassergeburten für Katzen an.

Solche Berichte voller überzogener Lebensumstände als Nebenschauplätze, die ließen das Publikum sich vor Lachen schütteln. Eine weitere Kostprobe: Der Enkel bereitet bei einem Essen aus Maiskörnern leckeres Popcorn und spendiert die Nascherei seiner Oma, deren Freundin Ilse und ihrem Lebenspartner Kurt. Prompt wird dem 87-jährigen Rentner als Vorsorgemaßnahme das Essen von Salat mit Mais verboten. Dazu Ilse: „Man kann nie wissen, wann es soweit ist. Und Kurt will sich doch verbrennen lassen !“

Doch bis es soweit ist, hat Oma Renate mit Ilse, Kurt und Hund „Norbert“ eine mehr oder minder schlagkräftige Ermittlertruppe, ausgerüstet mit Lupe, Pfefferspray, einer Ration Schnaps und Rheumasalbe, in 24-Stunden-Alarmbereitschaft versetzt. Verzögerungen könnten nur durch Verlegen der Seh-, Geh-, Hör- und Bisshilfen eintreten, oder dass Kurt seine Kompressionsstrumpfhose nicht schnell genug übergestreift bekommt.

Während der Druck durch die vom Erfolg überzeugte Enkeltrickbetrügerin durch immer wieder bohrende Anrufe im Minutentakt zunimmt, zieht Oma Renate, jetzt auch noch mit Unterstützung der Bankangestellten „Knete-Grete“ und Polizist Lamprecht die Schlinge enger. Die verlockende Summe von 15 000 Euro von insgesamt 16 000 Euro Erspartem stellt Oma Getrud der geschickt agierenden Betrügerin für eine angebliches äußerst lukrative Möglichkeit eines Wohnungskaufts in Aussicht. Letztendlich schnappt die Falle zu, denn: Oma Renate hat gar keine Enkel. Und sie kennt sich mit Betrügern solchen Kalibers aus – dank gesundem Misstrauen und Menschenverstand.