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Rohingya-Krise Bittere Armut, Not und Leiden lindern

Seit Monaten leistet Christin Mothsche aus Bergfriede humanitäre Hilfe für Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch.

Von Harald Schulz 03.08.2019, 06:00

Bergfriede/Cox´s-Bazar l Die junge Frau aus Bergfriede engagiert sich dort für die Caritas-Hilfsorganisation. Perspektivlosigkeit, bittere Armut, Not und leidvolle Belastungen bestimmen dort das tägliche Leben. Dass was Christin Mothsche in dem über den Horizont hinaus reichenden Flüchtlingscamp im Distrikt Cox´s Bazar im Südosten von Bangladesch betreibt, wird bei der Hilfsorganisation Caritas-International als Projektarbeit bezeichnet. Eine Aufgabe, die die 30-jährige Bergfriederin als Team mit 20 weiteren Caritas-Mitarbeitern täglich wieder aufs Neue mit Leben erfüllt. Denn das, was dort geplant wird, müssen die Rohingya auch annehmen wollen. Mit ihrem Team unterstützt Mothsche zirka 20 000 Rohingya-Flüchtlingen in einem Teilbereich des Mega-Camps in Sachen humanitäre Hilfe.

„Eine der größten Hürden, die wir bei jeder Maßnahme zu meistern haben, ist die Bürokratie. Da ist das oft kritisierte deutsche Behördentum im Vergleich bei Weitem nicht so ausgeprägt. Wir müssen Planungen, monatliche Berichte und eigentlich jeden Handschlag für unser Tun den staatlichen Aufsichten vorlegen. Die genehmigen dann oder eben nicht. Dann beginnt alles von vorn, nur eben anders“, verdeutlicht Mothsche wie dort die bürokratischen Mühlen mahlen.

Ein anderes Problem ist der Flüchtlingsdruck: Die Region Cox´s Bazar ist allein schon mit um die 175 000 Einheimischen bevölkert. Nach der Vertreibung im August 2017 strömten binnen weniger Monate 700 000 Rohingya-Flüchtlinge aus Myamar in dieses Gebiet, wo bereits 200 000 Landsleute Zuflucht gesucht hatten“, schildert Mothsche, die einen Master-Abschluss in Südasien-Wissenschaften besitzt.

Dieser Flüchtlingsdruck macht sich selbstverständlich auch bei der einheimischen Bevölkerung bemerkbar, berichtet Mothsche. Aufgrund der humanitären Hilfe durch die Organisationen, wie beispielsweise dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen und der Caritas, die Versorgungsmittel für den täglichen Verbrauch ausgeben, Beschäftigungsprogramme anbieten und auch medizinisch lokal in den sogenannten „Health-Posts“ helfen können, entsteht eine fragile Neidlinie. Spannungen wachsen auch durch Abholzungen für Bauholz, vermehrten Verkehrsfluss und nicht zuletzt durch ansteigende Lebensmittelpreise.

Die Überlebensumstände der Rohingya sind dort alles andere als leicht, doch die Hilfen von außen zeigen Wirkung, heißt es von Mothsche. Die „Kinderfreundlichen Centren“ und die sogenannten temporären Schulungsräume mit elementaren Angeboten werden angenommen, ebenso wie das Nahrungsprogramm für Säuglinge, wo Mütter und schwangere Frauen praxisorientiert informiert werden.

Ein anderes Projekt bietet vor allem Männern die Chance wenigstens etwas Geld durch Arbeit zu verdienen. Die Caritas bietet „Cash-for-work“ an. Durch dieses „Geldverdienen durch Arbeit“ floriert der Straßen- und Wegebau im Camp, Wasser- und Abwasserrinnen entstehen, Latrinen können stationiert werden, aber auch Schutzwände gegen Regenfluten und Erdrutsche entstehen und werden immer wieder erneuert. „Das ist auch der Grund, weshalb in unserem Camp überall gearbeitet wird. Den ganzen Tag über sind Männer damit beschäftigt, etwas zu bauen oder zu reparieren“, sieht Mothsche darin den praktischen Beweis, dass die Flüchtlinge selbst ihre Lage verbessern wollen.

Doch gerade die männlichen Flüchtlinge sind zu häufig die Ursache für das Leid vieler Frauen und Kinder. Die häusliche Gewalt gehört zur Tagesordnung, ist ein unerwünschtes aber reales Erscheinungsbild, weiß Christin Mothsche zu berichten. Aber nicht allein die Gewalt an Frauen und Kindern führt zu sozialen Spannungen und traumatischen Folgen. Auch werden schwanger gewordene Frauen oder solche mit Kleinkindern von ihren „Ernährern“ alleingelassen. Das kommt einer Katastrophe gleich, weil das Einkommen, wenn überhaupt, gerade einmal das Überleben für einige Tage sichert, beklagt Mothsche diese Auswüchse.

„Ein geregeltes Einkommen nach europäischen Vorstellungen ist für Rohingya nicht vorstellbar. Sie verdienen ihr Geld als Tagelöhner. Obwohl das Verlassen des Mega-Camps für die Flüchtlinge verboten ist, existieren genügend Schlupflöcher, um täglich auf die Arbeitssuche zu gehen, weiß Mothsche. Die Kontrollen für die Sicherheit und Ordnung wechseln täglich ab 17 Uhr auf die Regierungsorgane. Deshalb hat Christin Mothsche und alle anderen Helfer, die keine Sondergenehmigung besitzen, das Camp bis dahin verlassen. Für das Team stellt die Caritas eigene Unterkünfte in Cox´s Bazar.

Aber auch während der Arbeitszeit passt sich Mothsche an die lokalen und kulturellen Normen an, um als verständnisvolle Helferin akzeptiert zu werden. Dazu gehört eben auch, dass Schultern und Arme mit Kleidung bedeckt, Hosen oder Röcke deutlich den Kniebereich abdecken. Auch ist es ein ungeschriebenes Gesetz, als Helfer nie allein im Camp unterwegs zu sein, begrüßt die Bergfriederin diese Regelung.

Noch wird zuhause in Bergriede Urlaub gemacht, am 15. August geht es zurück – aus Berufung zu helfen.