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Wahlkreisreform Dafür fehlt jedes Verständnis

Die Stadt Oebisfelde-Weferlingen wurden von der Landesregierung aus dem Wahlkreis 7 dem Wahlkreis 2 zugeordnet mit Folgen.

Von Harald Schulz 20.12.2019, 00:01

Oebisfelde l  Die Volksstimme-Redaktion ging auf Stimmenfang bei den kommunalpolitischen Spitzenvertretern. Vorweggeschickt: Die Empörung vom Bürgermeister bis zu den Stadträten der Stadt Oebisfelde-Weferlingen ist aus vielerlei Gründen groß. Landrat Martin Stichnoth (CDU) ließ auf Anfrage über seinen Pressesprecher lediglich die gesetzlichen Grundlagen einer solchen Maßnahme übersenden. Das Mitglied des Deutschen Bundestages Manfred Behrens (CDU) antwortete gar nicht auf eine entsprechende Anfrage der Volksstimme.

Seine Unzufriedenheit mit der Entscheidung, dass die Stadt Oebisfelde-Weferlingen aus dem bisherigen Wahlkreis nunmehr dem Wahlkreis Gardelegen-Klötze zugeordnet wurde, die brachte der Vorsitzende des Stadtrates Oebisfelde-Weferlingen, Marko Alex (CDU), zum Ausdruck. „Insbesondere bin ich enttäuscht, dass eine solche Entscheidung ohne Anhörung beziehungsweise ohne Zuarbeit der Basis erfolgte. Meines Erachtens sollten Wahlkreise nicht außerhalb des jeweiligen Landkreises liegen, da der dort gewählte Abgeordnete die Probleme am besten kennt und die Probleme dann in den Landtag bringen kann“, argumentiert Alex.

„Ich stehe der Zuordnung unserer Kommune zum Wahlbereich Gardelegen-Klötze äußerst kritisch gegenüber“, antwortet Bürgermeister Hans-Werner Kraul (CDU) auf die Anfrage der Redaktion. Kraul weiter: „In einem durch zwei Reformen begleiteten sehr schweren Prozess wurde aus ehemals vier Landkreisen der Landkreis Börde. Wie sollen hier identitätsstiftende Dinge auf den Weg kommen, wenn wahltechnisch jetzt eine Herauslösung vorgenommen wird ? Hinzu kommt, dass diese Entscheidung im stillen Kämmerlein ohne Anhörung der Betroffenen erfolgte.“ „Die demokratischen Spielregeln hätten zumindest moralisch einen anderen Weg verlangt“, hinterfragt Kraul diese von der Landesregierung übergestülpte Regelung.

Für die CDU-Stadtratsfraktion stellte Marc Blanck fest: „Die Stadtratsfraktion spricht sich eindeutig gegen den Beschluss der Landesregierung aus, das Stadtgebiet Oebisfelde-Weferlingen dem Wahlkreis Gardelegen-Klötze zuzuordnen.“ Blanck begründet diese Stellungnahme damit, dass das vom Landtag beschlossene Gesetz zur Änderung der Wahlkreis des Landes Sachsen-Anhalt und des Volksabstimmungsgesetzes unter anderem das Ziel hat, die demokratische Teilhabe zu stärken. Aus CDU-Sicht wird nun aber genau das Gegenteil erreicht, erkennt Blanck. „Die Stadt Oebisfelde-Weferlingen wird mal wieder zum politischen Spielball“, stellt er fest. Meint damit, dass nach den Kreisgebietsreformen und der Bildung der Einheitsgemeinde sich das Gebilde Oebisfelde-Weferlingen insbesondere in den politischen Strukturen im Landkreis Börde gut verankern konnte.

Blanck: „Engagierte kommunalpolitische Mandatsträger und Mandatsträgerinnen aus unserer Gemeinde betätigen sich aktiv in den Gremien des Kreistages und tragen so zur politischen Teilhabe unserer Gemeinde bei. Wir kennen unsere Abgeordneten und ebenso sind unsere vielen ehrenamtlichen Akteure im Wahlkreis bekannt. Was man über den neu gebildeten Wahlkreis nicht sagen kann.“ Zusätzlich, so der CDU-Mann, erschwere die räumliche Vergrößerung des Wahlkreises auch den Wahlkampf, was letztendlich die eigene CDU-Position schwäche. „Das wird nicht zu einer Erhöhung der Wahlbeteiligung führen. Im Gegenteil, wir als Ganzes werden weiter abgehängt“, kritisiert Blanck.

Stadträtin Sabine Bastigkeit für die Stadtratsfraktion „Die Linke“ zeigt sich überrascht davon, dass die Änderung schon beschlossen ist. „Bei der letzten Landtags- oder Bundestagswahl war schon einmal die Rede davon, den Wahlkreis zu verändern. Bislang wurde es nicht durchgeführt.“ Sie kann nun nicht nachvollziehen, weshalb die Stadt Oebisfelde-Weferlingen es ist, die in einen anderen Wahlkreis musste. Aus diesem Grund hat die Linken-Stadtratsfraktion für die Petition gestimmt, die von der Ortsbürgermeisterin Kerstin Dörfel angeregt wurde. „Dieses Ereignis zeigt uns, wie wichtig die Einheitsgemeinde für den Landkreis ist. Brauchen wir eigentlich Landtags- oder Bundestagsabgeordnete, wenn die uns im Landkreis nicht vertreten?“, hinterfragt Bastigkeit.

„Leider war die Information ja nicht ganz neu“, antwortet Sven Groneberg für die SPD-Stadtratsfraktion. Bereits im Laufe des Jahres wurde über die geplante Änderung informiert und seitens des Bürgermeisters eine Stellungnahme dazu abgegeben. Aus Sicht der SPD-Stadtratsfraktion ist die Entscheidung zur Änderung der Wahlkreise keine demokratische Glanzleistung, stellt Groneberg fest.

Wie er meint, „kann ein Teil der Oebisfelder sich damit noch arrangieren, der überwiegende Teil der Einwohner der Einheitsgemeinde wird das jedoch nicht verstehen, nicht nachvollziehen und nicht gutheißen können. Die Entfremdung von der politischen Arbeit wird hierdurch unterstützt“. Es bleibt zu befürchten, so der SPD-Vertreter, dass die Wahlbeteiligung dafür die Quittung sein wird. Ein Versuch, die Akzeptanz dieser Wahlbereichsänderung in der Einheitsgemeinde zu erhöhen, wäre höchstens ein Landtagskandidat aus der Einheitsgemeinde. Für diesen gilt dann natürlich das Akzeptanzproblem und die Bekanntheit in Gardelegen, Klötze oder Kalbe, sieht Groneberg politisches Ungemach anrollen.

Für die Bundestagswahlen mag die Änderung vielleicht sogar noch zu verkraften sein, so seine Einschätzung. Für ihn stellt sich jedoch die Frage nach der Sinnhaftigkeit für den Landtag. „Die geografische Randlage von Oebisfelde-Weferlingen wird hier wieder einmal zu unserem Nachteil ausgelegt. Politische Vertreter der Stadt haben vor Jahren den Kreiswechsel in den Landkreis Haldensleben/Börde entschieden. Durch die jetzige Änderung der Wahlkreise wird ein Zusammenwachsen der Einheitsgemeinde torpediert“, missbilligt Groneberg diese Entscheidung der Landesregierung.

Der fraktionslose Stadtrat Martin Herrmann glaubt, dass Demokratie anders aussehen muss: „Vor zehn Jahren beschloss die Landesregierung die Gebietsreform, ohne mit Kommunalpolitikern in den Dialog zu gehen. Was jetzt mit der Wahlkreisverlegung passiert, ist nichts Anderes.“ Herrmann fragt sich, wie die Wähler darauf reagieren werden. Und ihm offenbart sich nicht, was der Südbereich der Einheitsgemeinde Oebisfelde-Weferlingen mit der Stadt Klötze verbindet. „Dann könnte man auch über eine gesamte Neuaufteilung aller Einheitsgemeinden und Verbandsgemeinden nachdenken“, schlussfolgert Herrmann überspitzt. Sein Fazit: „Die Landesregierung ist weit weg von der Realität.“

„Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnt diese Änderung ab“, erklärt Stadtrat Jörg Lauenroth-Mago. Er befindet, dass es bei Wahlen auch immer um regionale Identität geht. „Der Landkreis Börde war ja eine nicht ganz einfache Geburt. Nach dem Kreis Haldensleben, dem Ohrekreis sind wir nun Teil des Bördekreises. Das ist nun so und viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker bemühen sich darum, verbindende Elemente zu finden und alles für eine positive Identität mit dem Bördekreis zu entwickeln. Die einzelnen Kreise haben spezielle Themen, die als Ganzes auf Bundes- und Landesebene entsprechend vertreten werden sollen“, ist seine Meinung. Und deshalb sein Einwand: „Wenn Landkreise nun aber bei so wichtigen Entscheidungen wie den Landtagswahlen einfach zerschnitten und auseinandergenommen werden und mit anderen Regionen wieder zusammengesetzt werden, tritt eine Willkür ein. Die führt offensichtlich nicht zu einer Stärkung regionaler Betroffenheit und regionalem Engagement für die Region.“

„Der Bördekreis zwischen Magdeburg und Wolfsburg ist eine wichtige Region Sachsen-Anhalts. Viele Bereiche wie Wirtschaft, Arbeitsplätze, Tourismus, nicht zuletzt die Kultur sind besonders geprägt von dem Spannungsfeld Ost-West“, skizziert Lauenroth-Mago. „Da möchten wir schon Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahl und auch Bundestagswahlen haben, die sich hier speziell auskennen und später unsere speziellen Interessen in die jeweiligen Parlamente einbringen“, fordert Lauenroth-Mago für seine Fraktion.

„Diese Entscheidung ist, was die Stadt Oebisfelde-Weferlingen betrifft, eine falsche“, bringt die UWG-Stadträtin Bogumila Jacksch die Meinung ihrer Fraktion auf den Punkt. Sie sieht die Wähler bei künftigen Entscheidungen vor Probleme gestellt, weil so oder so die Wahlbewerber ein so gut wie unbeschriebenes Blatt für die Wählerschaft darstellen. „Die Stadt Oebisfelde-Weferlingen dann auch noch zusätzlich aus der Börde in die Altmark zu verfrachten, ist wie der Versuch, einen alten Baum aus der Erde zu reißen und in neuen Grund umzupflanzen“, argumentiert Jacksch sinnbildlich.

„Es mangelt der WfO-Fraktion bei dieser Entscheidung an Demokratieverständnis, Transparenz und Wahrnehmung einer Region“, beschreibt Dr. Alexander Harms die Auffassung der Fraktion „Wir für Oebisfelde“. „Ein gemeinsam mit den betroffenen Wählerkreisen geführter Abwägungsprozess hätte möglicherweise zu einem beiderseitigen Resultat geführt. Das aber wurde versäumt, aus welchen Gründen auch immer“, kritisiert Harms. Er hofft, dass die Petition doch noch zu einer Rücknahme der Entscheidung führt.