Reizend Altbrandsleber fährt zur Skat-WM
Der Altbrandsleber Frank Dreyer beherrscht das Reizen: Ab dem 17. August tritt er in Berlin bei der Skat-Weltmeisterschaft an.
Altbrandsleben l „Unsere Väter, Opa und Onkel haben Skat gespielt, wir haben es von ihnen gelernt und so spielen wir eben auch Skat“, sagen Birgit und Frank Dreyer. Ihre Kinder Sophie und Bennet haben noch nicht den Reiz dieses Kartenspiels, das mit dem Reizen beginnt, erkannt. Wobei Bennet schon mal mit Mama und Papa spielt, denn schließlich wird beim Skat immer ein dritter Mann gebraucht. Aber Sohnemann, der in der nächsten Woche eingeschult wird, ist noch nicht so ganz im Skat angekommen.
Bei seinem Papa sah das anders aus. „Mit sechs Jahren habe ich von meinem Vater Skat spielen gelernt. Ab meinem siebenten Lebensjahr lernte er dann von mir“, erzählt Frank Dreyer. Bei Birgit Dreyer versuchte ihr Vater, Udo Sachwitz, in der Region ein bekannter Skatspieler, ihr bereits mit Fünf oder Sechs das Reizen näher zu bringen. „Gezündet hat es bei mir erst mit 16“, erinnert sie sich.
Das Skat-Spiel gehört zum Leben der Familie Dreyer einfach dazu. Eigentlich nicht verwunderlich, kommen doch Birgit und Frank Dreyer aus Skat spielenden Familien und haben sich bei einem Turnier kennen gelernt. Exakt am 6. Juni 1999. „Er hat den Tisch beherrscht und mich tief beeindruckt“, erinnert sich die ehemalige Wanzleberin. Zum Bodefest der Stadt Oschersleben gehört seit 20 Jahren auch ein Skat-Turnier. „15 Mal hat immer jemand aus unserer Familie gewonnen“, erzählt das Ehepaar Dreyer.
Mit Familie und zwei Kindern ist das Kartenspiel und die Teilnahme an Turnieren oder wie zuletzt in der Regionalliga für Birgit Dreyer in den Hintergrund getreten. Für Frank Dreyer nicht. Er spielt nach der zweiten Bundesliga künftig in der ersten Bundesliga und wird in zwei Wochen an den Weltmeisterschaften in Berlin teilnehmen. „Ähnlich wie beim Fußball wird in verschiedenen Ligen des Deutschen Skatverbandes auf Kreis- und Landesebene gespielt. Zudem gibt es neben der Oberliga die Regionalliga sowie die 1. und 2. Bundesliga. Doch es spielen immer weniger Leute Skat, erst recht nicht gemeinsam am Tisch. Der menschliche Kontakt bricht immer mehr ab, auch weil das Spiel mehr und mehr digitalisiert, im Internet gespielt wird“, berichtet Frank Dreyer. „Live-Skat wird weniger. Es fehlt vielen Leuten am Geld. Und in welchem Dorf gibt es schon noch eine Kneipe, in der die Menschen zu einer schönen Skat-Runde zusammen kommen können?“
Seit 2017 mischt Frank Dreyer in der 2. Bundesliga mit, tritt für einen Schöppenstedter Verein an. Die zweite Liga hat fünf Spieltage, die erste Bundesliga wird an drei Wochenenden an einem zentralen Spielort ausgetragen. In der Skat-Bundesliga spielen im Übrigen keine Berufsspieler. Zu einer Mannschaft gehören vier Leute. Aktuell spielen in der höchsten Liga 20 Mannschaften, ab 2019 wird diese Anzahl auf 16 reduziert. Aber wie in vielen anderen Bereichen oder Vereinen auch, fehlt dem Skat der Nachwuchs. Das Durchschnittsalter seiner Mitspieler in Schöppenstedt liegt um die 70. Frank Dreyer ist „aufgestiegen“. Künftig spielt er in der 1. Liga für die Stuttgarter Mannschaft, „Gut Blatt Esslingen“, die haben ihn abgeworben. In Sachsen-Anhalt gibt es keine Mannschaft, die so hochklassig spielt.
Wie Fußballer oder Leichtathleten trainieren, ist ja vorstellbar, aber Skat-Spieler? Trainiert der Altbrandsleber mit seiner Frau? Kann sie ihm das Wasser reichen? „Wir kennen uns in- und auswendig. Mit mir zu trainieren, macht keinen Sinn und auch keinen Spaß“, sagt Birgit Dreyer. Das beste Training wäre spielen, spielen, nochmals spielen. Frank Dreyers aktueller Trainingspartner ist allerdings der Computer. Der beruflich stark eingespannte Versicherungsfachmann versucht, mindestens 20 Stunden in der Woche zu schaffen. So trainiert er und bereitet sich auf den nächsten wichtigen Höhepunkt vor: Nach dem „Aufstieg“ in die erste Bundesliga wird Frank Dreyer vom 17. bis 25. August an der Skat-Weltmeisterschaft in Berlin teilnehmen. „Wenn so ein Wettkampf schon in der ,Nähe‘ ist, muss man schon die Möglichkeit wahrnehmen und teilnehmen“, meint der 44-Jährige, der im Übrigen 2017 in Polen Mannschaftseuropameister wurde.
Wer nun denkt, mit dem Skatspiel reich werden zu können, wird sich enttäuscht sehen. „Für den Europameistertitel gab es 350 Euro“, meint Dreyer. Er geht davon aus, dass die Weltmeisterschaft mit einer großen Teilnehmerzahl ausgetragen wird.
Was macht eigentlich den Reiz des Skatspiels aus? „Kein Spiel ist wie das andere und damit wird es niemals langweilig. Drei Leute bekommen unterschiedliche Karten, drei Leute spielen individuell“, ist sich das Ehepaar Dreyer einig. Skat habe eben auch viel mit Emotionen zu tun. „Es ist reine Psychologie und logisches Denken. Zum Spiel gehören 32 Karten, je 10 bekommen die drei Spieler, zwei bleiben als „Skat“ auf dem Tisch liegen. „Anhand der 32 Karten kann gut nachvollzogen werden, was für ein Blatt der Gegenspieler hat und der Gesichtsausdruck spricht oftmals auch Bände“, meint Frank Dreyer. Seine Frau wirft ein: „Ein echtes Pokerface hast du aber auch nicht.“
Birgit Dreyer bedauert es schon, dass sie kaum noch gemeinsam die Zeit finden, an Turnieren teilzunehmen. „Aber im Januar ist ein Turnier, da fahren wir zusammen hin“, erzählt sie, während ihr die Vorfreude ins Gesicht geschrieben ist. Aber jetzt steht die Weltmeisterschaft an... Mit welchen Erwartungen fährt Frank Dreyer dort hin? „Natürlich um zu gewinnen. Und wenn der Kartengott mir gnädig ist, ist alles möglich.“