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Nach dem Kauf des Schlosses Groß Germersleben durch Rechtsradikalen Ein Dorf lebt jetzt in Angst und Schrecken

Von Yvonne Heyer 13.04.2013, 03:20

Egal, wo in diesen Tagen die Menschen in Groß Germersleben zusammenstehen, sie kennen nur diese Themen: Verkauf des Schlosses, das geplante Rechts-Konzert, die Zukunft des Dorfes und der Bewohner. Es herrscht Angst, aber auch Wut.

GroßGermersleben l Fragen über Fragen gehen den Groß Germerslebern durch den Kopf. Hätte man den Verkauf des Schlosses an den Neonazi nicht verhindern können? Hatte tatsächlich niemand Oliver Malina auf dem Schirm? Ging es der Stadt Oschersleben nur um das Geld? Kann gegen den Verkauf nicht Widerspruch eingelegt oder er sogar rückgängig gemacht werden?

Schwere Vorwürfe werden gegen Bürgermeister Dieter Klenke (parteilos) laut. "Schon zweimal ging der Verkauf des Schlosses schief. Nach dem ersten Verkauf 1999 ging es vier Wochen später in Flammen auf, der Nachfolger hat sich auch nicht um das Schloss gekümmert. Hätte man nicht gewarnt sein müssen, den abermaligen Verkauf besser beobachten müssen?", auch diese Fragen stellen die Groß Germersleber.

"Unser Dorf war immer ein ruhiges Dorf. Wir haben hier gut gelebt. Was soll das jetzt werden?", sagen die Leute. "Hier zieht keiner mehr her. Wir sind erst vor zwei Jahren hergezogen", sagt eine Frau. "Ja, Du kannst wieder wegziehen, bist Mieterin. Doch was wird aus unseren Häusern? Die werden an Wert verlieren", antwortet ein Groß Germersleber. Doch auch im Nachbarort Klein Oschersleben sehen die Menschen den Wert ihrer Häuser und Grundstücke bereits schwinden.

"Wie lange wird es dauern und wir werden auch in die rechte Ecke gestellt und dann heißt es, ihr kommt aus dem Nazi-Dorf?", auch diese Meinung wird vertreten.

Natürlich gibt es auch Leute, die der Sache gelassen gegenüberstehen, erst einmal abwarten wollen.

Öffentlich genannt oder gar fotografiert werden möchte in diesen Tagen niemand. Die, die sich bereits öffentlich geäußert haben, fürchten um ihre Häuser. Und doch entsteht aus dieser Angst die Frage: "Können wir überhaupt etwas tun? Wie können wir uns wehren?"

Mit vollem Namen hat sich indes Olaf Schönefuhs, Vorsitzender des Oschersleber Ortsvereins der SPD, gemeldet. "Es ist für mich als Sozialdemokrat nur schwer zu ertragen, dass sich solche Organisation in unserer Stadt niederlässt. Ich hoffe, dass sich ein breites Bündnis aus Bevölkerung und Politik findet, um dem entgegen zu stehen", sagt Schönefuhs. Er bekräftigt die Meinung des Hadmersleber Pfarrers Theo Spielmann. Dieser hatte bei der Sitzung des Oschersleber Stadtrates gesagt, dass er es als große Gefahr ansehe, wenn Groß Germersleben zu einem Ort menschenverachtender Propaganda werde. "Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken und müssen gegen die braune Brut Flagge zeigen", sagte der Oschersleber Markus Dölle in der Bürgerfragestunde der Stadtratssitzung. Die Rechtsradikaten dürfen hier nicht Fuß fassen, "wir müssen uns dagegen wehren", forderte der Oschersleber.

Einen ersten stillen Protest gibt es in Groß Germersleben bereits: An die Rückseite des Schlosses ist mit roter Farbe gesprüht: "Verpisst euch, Nazis!"

Eine traurige Berühmtheit hat Groß Germersleben bereits in ganz Deutschland allein durch das große Medieninteresse erlangt. Doch auch Verwandte, Bekannte, Kinder und Enkelkinder aus ganz Deutschland rufen an: "Was ist nur bei euch los?" Die ersten "Touristen" reisen an, nehmen das Schloss in Augenschein.

"Es ist ein schreckliches Zeichen, dass in Sachsen-Anhalt Platz für Nazis ist"

Brunhilde Jakobi, Landfrauen

Der Landfrauenverband Sachsen-Anhalt zeigt sich schockiert über die Nachricht vom Verkauf des Schlosses Groß Germersleben an einen Veranstalter rechtsextremer Konzerte. "Es ist überaus verständlich, dass eine Stadt wie Oschersleben in dieser besonderen Situation überfordert gewesen ist. Das Land jedoch kann sich angesichts der Brisanz des Falls schwerlich aus Pflicht und Verantwortung ziehen. Wo war das Frühwarnsystem?", fragt Brunhilde Jakobi, Vorsitzende der Landfrauen. Es sei bekannt gewesen, dass der aus Niedersachsen stammende Oliver Malina nach einer neuen Lokalität für seine rechtsextremen Veranstaltungen gesucht habe. Auch sei klar, dass diese wohl eher im ländlichen Raum liegen werde. Schließlich sei von den überwiegend älteren 600 Einwohnern in Groß Germersleben auch deutlich weniger Gegenwehr zu erwarten als in Ballungsgebieten.

Gerade die strategische Lage des Ortes sei bedenklich. Durch seine Nähe zu Niedersachsen und die gute Verkehrsanbindung werde dieser Treffpunkt auch für die niedersächsischen Rechten interessant. "Es ist ein schreckliches Zeichen, dass in Sachsen-Anhalt Platz für Nazis ist", bedauert Brunhilde Jakobi.

"Nicht nur, dass über 1000 Nazis das kleine Dorf Groß Germersleben im Mai überrennen und damit die öffentliche Sicherheit gefährden" verdeutlicht Jakobi, "wir müssen uns auch um unsere Jugendlichen in der Gegend sorgen, die jede Abwechslung auf dem Dorf liebend gern annehmen. Wir dürfen und wollen die ländlichen Gebiete nicht den Rechten überlassen." Schließlich gilt rechtsextreme Musik als Einstiegsdroge in diese politische Szene. Sie verbreitet unterschwellig menschenverachtendes Gedankengut.