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Kirche St. Vitus: Taufglocke kehrt zurück

Die Taufglocke ist nach Jahren der Abstinenz an ihren angestammten Platz in der Kirche St. Vitus in Kloster Gröningen zurückgekehrt.

Von Christian Besecke 10.04.2018, 01:01

Kloster Gröningen l Den Tag der Freude haben in Kloster Gröningen eine ganze Reihe von Gläubigen aus der Kirchengemeinde sowie Kirchenvertreter – darunter der Pfarrer im Ruhestand Jürgen Simon und die Gemeindepädagogin Jaqueline Manthei – live vor Ort erlebt.

Für die Pädagogin und ihren Mann Michael war es ein besonderer Moment, denn die Taufglocke läutete am 17. Oktober 1999 zum letzten Mal. Das war der Tag, an dem die beiden Söhne Samuel und Noah getauft worden sind. Große Freude haben auch der Küster Heiko Kessler und seine Frau Karin empfunden. Beide haben sich für die Sanierung der Glocke stark gemacht. Speziell der Küster hat mit großem Engagement Spenden für das große Vorhaben eingeworben.

„Dabei ist auch schon einmal eine Einzelspende über 2000 Euro in den Topf gekommen“, berichtet Karin Kessler. „Überhaupt ist die benötigte Summe nur auf diese Weise eingenommen worden. Das sind immerhin 6350 Euro.“ Allein die Anbringung der Krone und die weiteren Sanierungsmaßnahmen, wie die Ausbesserung der Anschlagstellen des Klöppels, haben gut 4300 Euro gekostet. Die Arbeiten wurden in der Glockengießerei in Nördlingen vorgenommen.

Die Taufglocke war nach der Elektrifizierung der beiden Stahlglocken ausgebaut worden, da sie nicht ohne die neue Krone betrieben werden konnte. Einige Zeit lang stand sie in der Kirche, um die Besucher zu Spenden für das Projekt zu animieren. Mit dem gestrigen Tag ist dieses nun in die Tat umgesetzt worden – dank der großen Spendenbereitschaft durch die auswärtigen Besucher. Auf den Weg gebracht hat die Sanierung ein ehemaliger Denkmalschützer aus Bonn.

„Wir sind am heutigen Tag natürlich sehr dankbar“, sagt Pfarrer Jürgen Simon in seiner Rede zur Rückkehr der Taufglocke. „Das Engagement der vielen Spender und der handelnden Personen ist nicht hoch genug einzuschätzen.“ Das genaue Alter des Geläuts lasse sich nur vermuten. Nach der Reformation seien sämtliche Unterlagen des Klosters in das Stammhaus nach Corvey zurückgekehrt und dort sind sie auch verschollen. Das einstige Benediktinerkloster sei seinerzeit geschlossen worden.

Der eigentliche Akt wird von Gemeindemitgliedern und Besuchern aus Börde und Harz begleitet. Diese schauen den beiden Arbeitern Laszlo Szabo und Rigo Rudel interessiert zu. Beide vertreten auch unterschiedliche Firmen, die die Wiederaufhängung als Joint-Venture angehen. Fachmännisch wird das kostbare Stück vertäut und für die Zeremonie vorbereitet. Nach den Worten des Pfarrers und einem Vaterunser steigt die Taufglocke in den Glockenstuhl hinauf. Zuvor schlägt der Küster sie dreimal an und alle können sich vom klaren Klang überzeugen.

Die Glocke fährt nach oben durch eine Luke, wo sie schon von Rigo Rudel in Empfang genommen wird. Schon bald wird sie hier wieder für die Einwohner von Kloster Gröningen und Umgebung erklingen. Die eingeworbene Spendensumme reicht nicht ganz aus, um alle Aufwendungen abzudecken, der Rest wird vom Kirchspiel Gröningen finanziert. Das ist durchaus als eine Investition in die Zukunft zu sehen, denn in der Region kreuzen sich gleich mehrere Pilgerpfade und auch die Straße der Romanik führt hier durch.

„Die Pilger kommen hierher mit Bussen, Autos, Fahrrädern und manchmal zu Fuß“, sagt Karin Kessler. „Dazu kommen dann noch Touristen, die sich die Klosterkirche anschauen wollen. Im letzten Jahr sind die Zahlen bei der ,Laufkundschaft‘ etwas eingebrochen.“ Bei der Verbreiterung der Bundesstraße 81 seien die Hinweisschilder zur Straße der Romanik abgebaut worden. Bislang fehlen sie immer noch.

Heiko Kessler verrät mit verschwörerischer Miene, dass schon weitere Vorhaben in der Vorbereitung stehen. „Im Jahr 1962 ist das Fenster über dem Altar ausgebaut worden, man hat die Öffnung vermauert. Hier wollen wir möglichst den Urzustand wieder herstellen.“ Das Vorhaben werde wohl einige Zeit benötigen.

Jürgen Simon blickt im Gespräch auf längst vergangene Zeiten zurück. „Früher waren die Pilgerwege um einiges beschwerlicher als heute, teilweise sogar lebensgefährlich“, schätzt er ein. „Die Gläubigen mussten, wenn sie auf die weite Reise gingen, auf einiges gefasst sein – sogar die Ausplünderung war möglich. Da traf das Heilige auf das Unheilige.“

Die Pfarrer und zuvor die Klöster seien quasi als Träger von Kulturgut und Erhalter tätig gewesen. „Es gehörte seinerzeit oft ein entsprechendes Stück Land zu einer Pfarrstelle“, erzählt der Geistliche. „So war der Hirte der Gemeinde als Bauer oder Gärtner tätig. Ich selber war zum Beispiel als Schweinezüchter aktiv.“ Schließlich sei es zu jener Zeit darum gegangen, auch die Familie entsprechend zu versorgen.

„Sogar als Bienenzüchter oder Bewahrer von alten Obst- und Gemüsesorten hat sich so mancher Pfarrer hervorgetan“, fährt Simon fort. „In Klöstern war das ganz ähnlich. Dort wurden Heilkräuter gezogen und das Wissen über sie Jahrhunderte bewahrt und weitergegeben.“ In der heutigen Zeit sei das fast vergessen, denn die Zahl der Gemeindemitglieder gehe immer weiter zurück.