1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oschersleben
  6. >
  7. Seit 1798 wird in Großalsleben sportlich geschossen

Die Volksstimme stellt die Schützenvereine der Westliche Börde vor - Heute Teil 9 und Schluss Seit 1798 wird in Großalsleben sportlich geschossen

Von Marlies Müller 23.02.2012, 04:22

Schützenvereine gestalten das kulturelle Leben seit Jahrzehnten aktiv mit. Die Volksstimme stellt in einer Reihe die Vereine in der Westlichen Börde vor. Heute Teil 9 und Schluss: Schützenverein Großalsleben.

Kroppenstedt l Erste Beratungen zur Gründung der Schützengesellschaft Großalsleben fanden bereits im Jahr 1798 statt. Drei junge Männer baten laut Überlieferung "bei Herrn Erbprinzen um gnädigste Erlaubnis, in Großalsleben ein Freischießen abhalten zu dürfen". Sie wollten zudem eine Schützengesellschaft ins Leben rufen.

Am 27. Dezember 1798 wurde das beantragte Freischießen vom Rat und der Bürgerschaft festgesetzt, allerdings hatte man zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei finanzielle Mittel dafür zur Verfügung. Der Rat ersuchte demzufolge ein hiesiges hochfürstliches Amt und bat um Erlaubnis, aus der Kämmerung eine Fahne anschaffen zu dürfen.

Erste "Schützengesellschaft" begann mit 50 Mitgliedern

In einer Bürgerversammlung am 20. März 1799 ließen sich dann insgesamt 50 Bürger aus Großalsleben zur "Schützengesellschaft" einschreiben und ebneten so den Weg für das beantragte Freischießen. Bürgermeister Schütz und Kantor Köhler reisten nach Halberstadt und besorgten dort eine Fahne. Nach einer Zeichnung von Kantor Köhler fertigte der Maler Hagen ein Sinnbild, bestehend aus einem Lorbeerkranz, mit zwei Schleifen zusammengebunden. In diesem Kranz war ein schwarzer Bär zu sehen, der in seinen Vorderklauen ein Schild mit den Buchstaben "Vivat Anhalt" hielt.

Nun stand dem Freischießen nichts mehr im Weg. Es fand am 11. Juli 1799 statt. Der erste König war Ratmann Mathias Herbst. Der einzig vorhandene Nachweis der Gründung der Schützengesellschaft ist die beschriebene Fahne, die von den Jungfrauen aus Großalsleben zum 100-jährigen Bestehen der Schützengesellschaft gestiftet wurde und sich noch heute im Besitz des Schützenvereins Großalsleben befindet.

In den Aufzeichnungen der Großalsleber Chronik ist zu lesen, dass sich die Schützengesellschaft Anfang des 19. Jahrhunderts in den Schützenverein Großalsleben von 1799 umbenannte.

Wilhelm Specht wurde im Jahr 1939 mit 55 Ringen letzter Schützenkönig vor dem Zweiten Weltkrieg. Während der beiden Weltkriege fanden keine Schützenfeste statt. Auch nach Kriegsende gab es keinen Gedanken an die Fortführung dieser Art von Festlichkeiten.

Erst im Februar 1971 entstand bei einem Feuerwehrvergnügen der Gedanke, in Großalsleben wieder derartige Volksfeste zu feiern. Bürgermeister Edgar Scheide, Paul Fuhrmann, Heinz Baltruschat, Otto Neuwerth und Ernst Dickfeld berieten daraufhin, wie sie die alte Großalsleber Schützentradition wieder auf die Beine stellen könnten. "Wer soll dafür den Hut aufhaben", fragten sie sich. Auf Anraten von Ernst Dickfeld holte man den Großalsleber Bürger Richard Schubert ins Boot. Dieser hatte sogleich die Idee, aus dem angedachten Volksfest ein richtiges Schützenfest mit der alten Tradition des Ausschießens von Königen zu gestalten.

Das erste Schützenfest wurde vorbereitet

Nun war der Bann gebrochen. Aber für das Ausschießen der Könige wurden Gewehre gebraucht. Eine Waffe erhielt aber nur, wer Mitglied in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) wurde. Gesagt, getan. Dem Verein gehörten jetzt 54 Mitglieder an. Richard Schubert agierte als Vorsitzender. Die Vorbereitungen für das erste Volks- und Schützenfest liefen auf Hochtouren.

Frühere Vereinsfahne wiederentdeckt

Ein Zelt musste besorgt und Schausteller mussten bestellt werden, die Zeit drängte. Die Einwohner aus Großalsleben freuten sich und Richard Schubert tat, was er konnte. Im Jahre 1971 feierten die Großalsleber dann nach insgesamt 32 Jahren Pause das erste Volks- und Schützenfest in Großalsleben.

Eines Tages sagte Albert Lüddecke (Schützenkönig von 1930 und 1936): "Richard, komm mal rein, du musst auf den Hahnebalken klettern, da liegt nämlich noch die alte Fahne." Das war die Fahne, die 1899 von den Jungfrauen zum 100-jährigen Bestehen des Vereines gestiftet worden war. Nachdem diese Fahne noch 25 Jahre zu den Feierlichkeiten und Umzügen genutzt worden ist, hat sie nun einen Ehrenplatz im Vereinshaus der Schützen.

Einen Wehrmutstropfen erlebten die Schützen in der DDR-Zeit dennoch. Denn obwohl die alte Tradition in Großalsleben weitergeführt wurde, durfte der beste Schütze nur ein einziges Jahr "Schützenkönig" genannt werden. In den folgenden Jahren musste diese Majestät auf den Namen "Bestschütze" umbenannt werden. Auch auf Werbeplakaten durfte der Name "Schützenfest" nicht mehr erscheinen. Es gab nur ein "Volksfest".

Mit der politischen Wende im Jahr 1989 ergaben sich plötzlich für den Schützenverein Großalsleben hervorragende Möglichkeiten, die alte Tradition im wirklichen Sinn fortzuführen. Noch im November wurden erste Kontakte mit Schützenbrüdern aus Niedersachsen aufgenommen. Der damalige Bürgermeister, Eckhard Werner, organisierte gemeinsame Gespräche mit Vereinsmitgliedern aus Hoiersdorf im Landkreis Helmstedt und Richard Schubert nahm Kontakte mit Schützen aus Bremen und Hannover auf. Für die Schützen aus Großalsleben eröffnete sich eine völlig neue Perspektive. In einer Versammlung am 16. Februar 1990 stimmten die Mitglieder für die Weiterführung des Schützenvereines Großalsleben von 1799 ab. Zum Vorsitzenden wurde Richard Schubert gewählt, der dieses Amt bis 2004 mit ausübte. Bis 2006 übernahm Lothar Rosenberg diese Funktion. Anschließend wurde Ingrid Müller zur Vereinsvorsitzenden gewählt.

Nach der Neugründung vertieften die Mitglieder die Freundschaften zu weiteren Vereinen, es wurden Patenschaften abgeschlossen. Die Vereine luden sich gegenseitig zu Schützenveranstaltungen ein. 1990 fuhren die Großalsleber Schützen zum Schützenfest nach Hannover.

Freundschaftliche Beziehungen zu den Nachbarorten

Auch zu den Nachbarorten Krottorf, Hordorf, Günthersdorf, Gröningen, Alikendorf und Hadmersleben werden bis heute freundschaftliche Verbindungen gepflegt.

Ab 1991 wurden dann auch Frauen, Kinder und Jugendliche in den Schützenverein aufgenommen. Eckhard Werner stiftete dazu eine Damenschützenkette. Die Kette für Kinderkönige stiftete Hartmut Hiller. Die Jugendkette wurde von der Agrargenossenschaft Großalsleben bereitgestellt. Seit 1998 wird auch ein Volkskönig in der Stadt ausgeschossen. Dessen Kette sponserte Gisela Lachmund.

Mit dem Umbau des Schießstandes wurde 1992 begonnen. Es wurden drei 50-Meter-Schießbahnen mit Seilzuganlagen für Kleinkaliber sowie drei 25-Meter-Schießbahnen für Pistole errichtet. Das alte Schützenhaus entsprach nicht mehr den modernen Erfordernissen. So erhielt der Verein die Möglichkeit, den Grund und Boden am Schützenhaus am Theresienberg zu kaufen. Nun stand dem Bau eines neuen Domizils nichts mehr im Weg. Die Vereinsmitglieder errichteten das Haus ausschließlich in Eigenleistung. Um die finanzielle Belastung so gering wie möglich zu halten, wurden Abbruchsteine besorgt und verarbeitet. Fenster, Türen sowie eine Heizungsanlage wurde aus alten Abbruchgebäuden beschafft und ebenfalls im Bau verarbeitet.

2001 wurde das neue Schützenhaus übergeben

Im Jahr 2001 wurde das neue Schützenhaus feierlich eingeweiht und dient nun als Veranstaltungsdomizil für sämtliche Schützenaktivitäten. Neben internen Wettkämpfen wie Vereinsmeisterschaften, Pokalschießen oder Senioren- und Sponsorenschießen nehmen die Großalsleber Schützen auch an Rundenwettkämpfen im Kreis Helmstedt teil. Besondere Freude bereitet das jährliche Adlerschießen, das von einer Schützentradition in Bremen übernommen wurde. Dabei werden auch die Adlerkönige gebührend geehrt. Dennoch vermissen die Schützen aus Großalsleben den dringend benötigten Nachwuchs. "Hier müsste sich noch einiges tun", sagte Ingrid Müller.

Eine große Freude für die Schützen stellte sich im Jahr 2010 ein. Zwei Jugendliche entdeckten bei Abbrucharbeiten eine alte Kette, die sich bei näherer Betrachtung als die verschollen geglaubte Großalsleber Schützenkette herausstellte. Es war genau die Kette, die 1903 von den Frauen und Jungfrauen des Schützenvereines zu Großalsleben gewidmet worden war. Sie hat jetzt einen Ehrenplatz im Schützenhaus.

Neben dem jährlichen Schützenfest veranstaltet der Verein immer im Juni einen "Musikalischen Frühschoppen". Bei Blasmusik verleben die Schützen mit ihren Gästen vergnügliche Stunden.