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Naturschutz Sorge um Artenvielfalt im Großen Bruch zwischen Wulferstedt und Hornhausen

Die Naturfotografin Andrea Hosse macht sich Sorgen um das Große Bruch. Sie ist dort oft unterwegs. Doch sie befürchtet, dass das Naturschutzgebiet austrocknet. Die Artenvielfalt gehe immer weiter zurück. Ein solcher Verlust sei nicht wiedergutzumachen.

Von André Ziegenmeyer Aktualisiert: 30.06.2021, 09:35
Im Februar hat Andrea Hosse zahllose Kiebitze im Großen Bruch fotografiert. Nun sind sie verschwunden.
Im Februar hat Andrea Hosse zahllose Kiebitze im Großen Bruch fotografiert. Nun sind sie verschwunden. Foto: Andrea Hosse

Wulferstedt/Hornhausen - Im Mittelpunkt steht das Wulferstedter Wehr am Großen Graben. Es befindet sich ein Stück nordöstlich des namensgebenden Ortes. Im Winter wurde es laut Andrea Hosse gezogen. In der Folge sei der Große Graben vor einigen Wochen nur noch ein „klägliches Rinnsaal“ gewesen.

„Im Februar habe ich im Großen Bruch 1000 Kiebitze fotografiert. Jetzt ist keiner mehr da“, erklärt die Oschersleberin. Auch der Große Brachvogel sei aus dem Naturschutzgebiet verschwunden. „Solche Wiesenvögel brauchen feuchte Böden zum Brüten“, sagt Andrea Hosse. Aber immer, wenn das Wehr gezogen werde, falle das Gebiet trocken. Das sei auch für viele Landwirte ein Problem. Dabei solle das Wehr hauptsächlich dem Hochwasserschutz dienen. Die Bedeutung des Naturschutzgebietes lasse sich unter anderem daran erkennen, dass es dort sogar Seeadler gebe. Allgemein müsse die Natur „oberste Priorität“ haben, so die Fotografin. Es könne nicht angehen, dass man ein Naturschutzgebiet einfach austrocknen lasse.

Harald Schuhfuß teilt diese Sorgen. Er gehört zum Vorstand der „Vereinigung Umwelt- und Naturschutz Großes Bruch“. Wie er erklärt, seien die verschiedenen Gräben im Großen Bruch 2018 sogar völlig leer gewesen. „So etwas habe ich vorher noch nie gesehen“, erläutert Schuhfuß. Neben dem Großen Brachvogel seien mittlerweile auch die Bekassine und die Uferschnepfe verschwunden. Derzeit ist das untere Schott des Wulferstedter Wehrs herabgelassen. Davor ist das Wasser im Großen Graben wieder etwa einen Meter tief. Das sei gut, so Harald Schuhfuß. Doch an der grundsätzlichen Situation habe sich wenig geändert. Das Große Bruch sei viel zu trocken. Das Wasser brauche lange, um das umgebende Erdreich wirklich zu durchdringen. Historisch betrachtet handelt es sich beim Großen Bruch um eine Niedermoorlandschaft. Heute befindet sich dort eine über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft mit extensiver Landwirtschaft.

Doch wenn der Moorboden austrockne, verwandele er sich in eine ascheartige Substanz, erklärt Harald Schuhfuß. Das sei dann nur noch schwer umzukehren. Außerdem könne es durch Wassermangel auch zu Absackungen des Bodens kommen. Anzumerken ist, dass auch das Sachsenlandwehr westlich von Oschersleben für den Wasserhaushalt des Großes Bruchs eine wichtige Rolle spielt – ebenso wie viele weitere Gräben. Viele von ihnen sind laut Andrea Hosse derzeit vollständig ausgetrocknet. Aus Sicht der Vereinigung „Umwelt- und Naturschutz Großes Bruch“ wäre es das Beste, wenn die Wehre und Siele gleich nach der Ernte geschlossen würden. So könne sich über den Winter und das Frühjahr genug Wasser ansammeln, um ein Austrocknen des Gebietes zu verhindern.

Das Problem ist, dass bei diesem Thema ganz unterschiedliche Interessen aufeinander treffen. Schon 2019 hatte es eine umfangreiche Diskussion gegeben. Damals hatte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft sowohl das Wulferstedter als auch das Sachsenlandwehr „ökologisch“ schließen lassen. Das bedeutet, dass das Schott nicht bis auf den Grund des Grabens reichte. Es blieben ein paar Zentimeter Platz, um Fische und andere Tiere durchzulassen. Doch das war aus Sicht des Angelvereins Oschersleben nicht ausreichend. Der stellvertretende Vorsitzende Heimo Reilein forderte, dass das Wulferstedter und das Sachsenlandwehr abgerissen werden müssten.

An ihrer Stelle sollten Sohlgleiten gebaut werden. Dabei handelt es um Reihen aus Pfählen oder Steinen, die unter der Wasseroberfläche liegen und quer zur Strömung stehen. Laut Heimo Reilein sind sie hochwasserneutral und können auch von schwimmschwachen Wasserlebewesen passiert werden. „Die Gewässerentwicklungskonzepte des Landes fordern für so gut wie alle Wehrstandorte den Umbau in Sohlgleiten. Diese Fachplanungen berücksichtigen sowohl alle Belange der EU-Wasserrahmenrichtline als auch die Aspekte des Hochwasserschutzes“, führt der Gewässerwart aus. „Nur weil das Wehr drei Zentimeter offen ist, ist es noch lange nicht ökologisch durchgängig. Es gibt Arten, die es nicht passieren können“, so Heimo Reilein. Außerdem seien moderne Sohlgleiten auch wartungsfrei.

Das Problem: Aus Sicht der Vereinigung „Umwelt- und Naturschutz Großes Bruch“ sind Sohlgleiten für Fische und andere Lebewesen zwar von großem Vorteil – allerdings lasse sich mit ihrer Hilfe nicht der benötigte Wasserpegel erreichen.

Dieses Foto vom Wulferstedter Wehr ist vom 21. April 2021. Wo eigentlich Wasser sein sollte, ist vor allem Schlamm zu sehen.
Dieses Foto vom Wulferstedter Wehr ist vom 21. April 2021. Wo eigentlich Wasser sein sollte, ist vor allem Schlamm zu sehen.
Foto: Andrea Hosse
Wie wichtig das Naturschutzgebiet ist, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass dort sogar Seeadler leben.
Wie wichtig das Naturschutzgebiet ist, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass dort sogar Seeadler leben.
Foto: Andrea Hosse