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Umstellung Video-Telefonie ersetzt den Hausbesuch

Vor welchen Herausforderungen stehen Hebammen in der Corona-Krise?

Von Uta Müller 09.04.2020, 01:01

Oschersleben l Manches lässt sich nicht mal eben in bessere virusfreie Zeiten verschieben: Geburten zum Beispiel. Die Verunsicherung bei den Schwangeren ist derzeit groß: Was, wenn ich alleine in den Kreißsaal muss? In einigen Kliniken dürfen die Männer nicht mehr bei der Geburt dabei sein und auch nicht mehr auf die Wochenbettstation - um das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus zu vermeiden.

Janett Hinze ist freiberufliche Hebamme und arbeitet in der Praxis von Gynäkologin Petra Ebeling in Oschersleben. Ihr Rat in dieser Zeit an die Frauen: sich gedanklich mit der angstmachenden Situation auseinandersetzen - und auf sich selbst vertrauen.

Eine Schwangerschaft und Geburt sind für die meisten Frauen und ihre Partner ohnehin eine Ausnahmesituation. Nun sorgt die Corona-Krise für zusätzliche Verunsicherung. Viele Frauen belaste die Ungewissheit, der fehlende Austausch, die Auflagen im Krankenhaus, sagt Janett Hinze. Die größte Sorge sei, dass der Mann nicht mit zur Geburt darf. Aber da könne sie die Frauen beruhigen. In den Krankenhäusern rund um Oschersleben, wie Helmstedt, dem Harzklinikum in Wernigerode und Quedlinburg oder auch dem Ameos Klinikum in Schönebeck sowie Halberstadt oder dem St. Marienstift in Magdeburg dürfe der Vater mit zur Geburt. Wie Krankenhaussprecherin Caterin Schmidt auf Volksstimme-Nachfrage bestätigt, gibt es in der Bördeklinik Neindorf seit einigen Jahren keine Entbindungsstation mehr. Gerade der Partner sei für die Frauen häufig eine große Unterstützung und entlaste auch das medizinische Personal vor Ort, sagt Janett Hinze.

Die Vor- und Nachsorge könne nur noch mit größter Vorsicht gemacht werden. „Wir können nicht jedes Mal persönlich kommen“, sagt Janett Hinze „Wir können keine Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungskurse machen, um Kontakte zu vermeiden“, so die Hebamme weiter. Das sei ein Problem. Um die betreuten Frauen und sich selbst nicht zu gefährden, würde sie derzeit viele ihrer Hausbesuche durch Anrufe und Video-Telefonie ersetzen, sagt die Hebamme aus Halberstadt. Wir können Hausbesuche machen, allerdings haben wir da bestimmte Auflagen“, sagt Hinze. Untersuchungen mit engem Kontakt würden allerdings nur noch mit Handschuhen sowie Mundschutz durchgeführt. Sie sei sehr auf Abstand bedacht und wenn sie für eine Untersuchung doch mal nah herangehen müsse, trüge sie Mundschutz und Handschuhe. Die Mütter und Schwangeren, die sie betreut, hätten meist großes Verständnis für diese Situation.

Die Benutzung von Desinfektionsmittel sei für sie noch wichtiger geworden. Zugleich betont sie, dass gerade Besuche von Frauen im Wochenbett unerlässlich seien. Das gebe den Frauen Stabilität. „Ich hatte bisher allerdings auch noch nie mit einer infektiösen Schwangeren oder Mutter zu tun und ich hoffe, dass ich nicht in diese Situation komme, sagt die 54-Jährige.

Aber für den Fall der Fälle sieht sich die Halberstädterin gut vorbereitet. „Ich bin geschult worden und würde eine frisch gebackene Mutti mit Coronavirus auch nicht ablehnen“, sagt Hinze. Die Betreuung einer positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Frau würde in enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen Gesundheitsamt ablaufen, von dem sie auch die nötige Schutzkleidung erhalten würde.

Nach Aussage der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gibt es derzeit keinen Hinweis darauf, dass Schwangere gefährdeter sind als Nicht-Schwangere – es sei denn, sie leiden unter Vorerkrankungen. „Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass das Virus während der Schwangerschaft auf das Baby übertragen werden kann“, heißt es auf der Internetseite der Fachgesellschaft.

Um die schwangeren Frauen, Mütter und vor allen auch die Babys zu schützen, wurde ein Besuchsverbot in Sachsen-Anhalts Krankenhäusern verhängt. Hier gilt allerdings eine Ausnahme für die meisten schwangeren Patientinnen: Bei Entbindungen wird normalerweise eine Begleitperson zugelassen - für gewöhnlich die werdenden Väter und nur unter strenger Kontrolle.

Hebamme Janett Hinze kann der ganzen Situation jedoch auch etwas Positives abverlangen. Kein Besuch auf der Wochenstation im Krankenhaus führe zur Entspannung bei den Müttern. „Sie können ganz in Ruhe ihr Neugeborenes kennenlernen und sich auf das Stillen konzentrieren“, so die Hebamme. Offenbar trete bei den jungen Familien zu Hause eine ungewöhnliche Ruhe ein. Die Frauen können nichts anderes tun, als sich mit ihrem Baby, dem Mann und vielleicht noch ein, zwei älteren Geschwisterkindern den ganzen Tag ins Bett zu kuscheln. Sich erholen, sich finden. Das, was man im Wochenbett eben so mache. Die junge Mutter muss nicht am dritten Tag schon wieder einkaufen oder zum ersten Sportkurs. Geht gerade alles nicht.