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Autobahngegner besetzen Wald Der Hambacher Forst lässt grüßen

Seit sich die Autobahngegner ohne den BUND neu formiert haben und die bei Seehausen geplante Waldrodung für die A14 immer lauter und offensiver kritisiert wird, hat mancher vielleicht schon einmal insgeheim an die Aktionen im Hambacher oder Dannenröder Forst gedacht. Zu Recht. Freitagabend ist die Baumbesetzer-Szene auch in der Altmark bei Losse (Verbandsgemeinde Seehausen) angekommen.

Von Ralf Franke Aktualisiert: 26.4.2021, 17:56
Eine Handvoll friedlicher Naturschützer richtet sich auf längere Zeit in einem Wald bei Losse ein. Hintergrund ist  der Widerstand gegen den Bau der A 14. Vorbild sind Proteste wie im Hambacher oder Dannenröder Forst.
Eine Handvoll friedlicher Naturschützer richtet sich auf längere Zeit in einem Wald bei Losse ein. Hintergrund ist der Widerstand gegen den Bau der A 14. Vorbild sind Proteste wie im Hambacher oder Dannenröder Forst. Foto: Ralf Franke

Seehausen

Klimawandel und Verkehrswende sind keine Konfliktthemen, die Gegner und Befürworter der A14 in der Altmark unter sich ausmachen. Zumindest nicht mehr. Inzwischen ist die Waldbesetzer-Szene auf das Projekt aufmerksam (gemacht) geworden.

Um das Abholzen von Wald für den Bau einer vierspurigen Schnellstraße zwischen Osterburg und Seehausen und das großräumige Versiegeln der Natur mit Beton und Asphalt zu verhindern, macht es sich seit Freitagabend eine Gruppe junger Leute in einem Privatwald bei Losse mehr oder weniger gemütlich. Bis gestern waren drei Hütten in bis zu acht, neun Metern Höhe an jeweils drei oder vier Bäumen des gut 80 Jahre alten Kiefernbestandes errichtet, die nicht mal eben auf die Schnelle von Ordnungshütern zu entern sein dürften.

„Bunte Truppe“ sucht Kontakt ins Umland

Die Frauen und Männer, die ihre Identität lieber für sich behalten, rekrutieren sich aus allen Ecken Deutschlands und darüber hinaus. Sie bezeichnen sich selbst als „bunte Truppe“, deren Mitglieder in dieser Art der Proteste offenbar nicht unerfahren sind. Wie viel oder wie wenig sie zum Leben brauchen, wird vor Ort schnell deutlich. Die Kletterausrüstung macht indes einen professionellen Eindruck. Für den Halt von Balken und Brettern, die die Besetzer selbst mitgebracht haben, sorgen hochwertige Seile. Nägel oder Haken werden nicht in die Stämme eingeschlagen. Schließlich wollen sie die Bäume ja schützen. Und Ärger mit dem Privatbesitzer der Fläche wolle auch niemand, versichern sie im Gespräch mit der Volksstimme. Im Gegenteil: Sie würden sogar gern mit Anwohnern in Kontakt kommen und ihr Netzwerk ausbauen.

Der Hambacher Forst lässt grüßen? In der Tat ist das berühmte Waldstück zwischen Köln und Aachen, das einer Tagebauerweiterung von RWE geopfert werden sollte, aber gerettet werden konnte, Vorbild für die Aktion auf der künftigen A-14-Trasse. Dass es im Norden der Altmark nicht um 500, sondern nur um etwa 20 Hektar geht, spielt keine Rolle. Letzteres gilt auch für die Dauer der Aktion, die sich hinziehen könnte, weil weder ein Baustart noch Rodungsarbeiten für den betreffenden Abschnitt in Sicht sind.

Wie lange die Umweltaktivisten, in dem Losser Waldstück aushalten, könnte sich davor aber mit dem Verhalten von Waldbesitzer, Forstbehörde, Ordnungsämtern und Polizei entscheiden.

Waldbrandgefahr ist derzeit das größte Risiko

Abgesehen davon, dass sie ungenehmigt campieren, könnten sie gegen ein halbes Dutzend anderer Bestimmungen vom Hausfriedensbruch bis zum Corona-Infektionsschutz verstoßen. Die größte Gefahr scheint derzeit aber die Trockenheit zu sein, auf die sie gestern eindringlich vom zuständigen Revierförster mit dem Verweis auf die drohende Waldbrandwarnstufe IV hingewiesen wurden. Dass die jungen Leute das Lager nach den ersten Hinweisen räumen, war nicht anzunehmen. Da halten sich die Waldschützer an das Bertolt-Brecht-Zitat: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Aber sie versicherten auch, sich ans Feuer-, Koch- und Rauchverbot zu halten, um keinen Brand zu provozieren.

Derweil hat die Sache bereits einen unschönen Beigeschmack bekommen, weil die Baumschützer Sonnabendnacht Besuch von Randalierern hatten. Nein, nicht im Wald, sondern im Seehäuser Bahnhof, wo sich die jungen Leute mit Erlaubnis des Eigentümers ein „jungendpolitisches Zentrum“ einrichteten und dafür den Bau, aber auch das Umfeld aufräumten.

Dass es bei dem Vorfall einen Zusammenhang mit dem Autokorso pro Autobahn geben könnte, glaubt Verbandsgemeindebürgermeister Rüdiger Kloth nicht, betont aber, dass Gewalt gegen Menschen und Einrichtungen nicht geduldet werde. Schon gar nicht, wenn sich der politische Einfluss von rechts bestätigen sollte. Inzwischen beschäftigt sich auch schon die Polizei mit dem Vorfall.