Farbfernsehen Die heimlichen Nachrüster
Vor 50 Jahren kam mit dem "Color 20" der erste DDR-Farbfernseher heraus. Kollegen der Firma Klaus in Osterburg bauten dazu Decoder.
Osterburg l „Color 20“ hieß das gute Stück ja nicht umsonst. Der erste Farbfernseher der DDR kam im Oktober 1969 pünktlich zum 20. Jahrestag der Republik heraus. Endlich Filme auch in Blau, Rot, Gelb und Grün sehen, das musste doch wohl jeder wollen?! Im Grunde schon, das Gerät hatte nur einen Haken. Mit dem so genannten SECAM-System ausgestattet, lieferte es nur die DDR-Programme in Farbe. ARD und ZDF, die hier im Grenzgebiet gut zu empfangen waren und selbstverständlich heimlich geguckt wurden, blieben schwarz-weiß. Kann man da nichts machen? Diese Frage lag auf der Hand, zumal für die Rundfunk- und Fernsehmechaniker Fritz Sellin, Günter Schulz und Herbert Kühne, die Kollegen bei der Elektro-Firma Klaus in Osterburg waren.
Fritz Sellin, heute 68 Jahre alt, nahm sich der Angelegenheit als erstes an. Bei der Fahne in Berlin-Henningsdorf gab es eine Bibliothek, „die alles hatte. Ich war selbst total überrascht“. In zig Stunden tüftelte er daran, die Leiterplatte für einen PAL-Decoder zu erstellen. Diesen brauchte es, um die Westfarbe zu entschlüsseln. Widerstände, Spulen, Kondensatoren, Relais, Dioden, Verzögerer – alles Material für den Decoder konnten die drei Herren schließlich in der DDR beziehen. Alles, bis auf ein kleines Teilchen: das Schwingquarz mit 4,433619 Megaherz, das die Signalfrequenz von Sender und Empfänger abgleicht. Beim Treffen in dieser Woche im kleinen privaten Gladigauer Rundfunk-, Fernsehen und Eisenbahnmuseum von Herbert Kühne konnte selbiger diese Ziffer aus dem Effeff sagen. Und der 73-Jährige schickte auch gleich die Lösung hinterher: „Da musste die Verwandtschaft aus dem Westen ran.“
Gut, dass das Teilchen nur etwa drei mal vier Zentimeter groß ist – beim „Röntgen“ an der Grenze fiel es trotzdem auf. Außer Rentner steckten es die Stannioltüte des Kaffees, den sie „von Drüben“ mitbrachten. „Gewusst haben sie es trotzdem bald“, sagt Gümter Schulz, mit nunmehr 78 Jahren der Älteste der drei, der manchmal noch von den Decodern träume. Denn mehrere Jahre, bis RFT Stassfurt 1977 im Sinne der politischen Entspannung selbst Nachrüstsätze für die Bürger baute, beschäftigten sich die Osterburger Feinmechaniker nach Feierabend quasi ausschließlich mit der Westfarbe. Andere hielten sich Schweine, sie bauten Decoder. Und da seien sie DDR-weit längst nicht die einzigen gewesen.
In etwa das, was andere für ein Schwein erhielten, sprang für die Bastler auch für einen Decoder heraus. „Man wurde immer schneller, aber Aufwand blieb es“, erinnert sich Günter Schulz. „Nachts fing die Arbeit ja erst richtig an.“ Beim Einstellen der Farbe waren die Männer auf das Testbild angewiesen. „Wir wollten ja keine grünen Gesichter.“
Wenn das heimliche Nachrüsten auch nicht gewollt war, so war es doch irgendwo geduldet, „so lange es nur Nebenbeschäftigung war, konnten sie uns nichts“, sagt Fritz Sellin. Das Material bezogen die Männer direkt über Elektro-Klaus, was dem Geschäft guten Umsatz einbrachte.
Besorgst Du mir ein Schwingquarz, bau ich dir einen PAL-Decoder für deinen Farbfernseher – so einfach war die Regel. „Und die Leute hatten das Geld, das war überhaupt nicht das Problem. Es gab ja zu wenig zu kaufen“, so Sellin. Als der Osterburger damals einmal zum Nachjustieren eines Decoders nach Schwerin fuhr, staunte er nicht schlecht, denn niemand anderes als ein Mitarbeiter von „Horch und Guck“ ließ sich von ihm den Farbfernseher „Color 20“ nachrüsten. Sellin weiß auch noch genau, was dieser als Erklärung gesagt hat. „Mein Bewusstsein ist so sehr gefestigt, dass das Westfernsehen mir gar nicht mehr schaden kann.“