Geschäftsschließung Ende Juli gibt‘s die letzte Wurst
Eine Ära geht zu Ende: In der kommenden Woche wird der Goldbecker Kurt Wohlfahrt (64) die Tür zu seiner Fleischerei für immer schließen.
Goldbeck l Kurt Wohlfahrt geht, wie er selbst sagt, mit einem lachenden und einem weinenden Auge in Rente, wobei das weinende ganz deutlich überwiege. Aber 50 Arbeitsjahre sollen reichen und auch die Gesundheit meint, dass der engagierte Fleischermeister etwas kürzer treten sollte. Morgens um 4 Uhr aufstehen und abends spät ins Bett, das war Kurt Wohlfahrts Tagesablauf. Zwei Wochen Urlaub im Jahr, mehr war nie drin.
1879 steht als Gründungsjahr, damals war es August Walzel, der eine Fleisch- und Wurstfabrik in Goldbeck eröffnete. Später übernahm Georg Walzel das Geschäft und durch Heirat wurde dann Wohlfahrt der Firmenname. Kurt und Ingeborg (die Eltern von Kurt Wohlfahrt) übernahmen 1957 das Geschäft und führten es bis 1990. Von 1951 bis 1957 lebten sie noch in Seehausen, dort wurde 1952 auch ihr Sohn, der ebenso wie der Vater Kurt heißen sollte, geboren. Senior Kurt übernahm die Fleischerei, der Junior wuchs auf und erlernte von 1967 bis 1970 im Stendaler Schlachthof selbst den Beruf des Fleischers. Später arbeitete er in Arendsee, bildete sich weiter und legte am 30. August 1980 erfolgreich die Meisterprüfung ab. Zehn Jahre später, am 1. Januar 1990, übernahm er das Goldbecker Geschäft von seinem Vater, führte es nunmehr also selbst 27 Jahre.
Es gab schöne und schlechtere Zeiten, erinnert sich Kurt Wohlfahrt, „wir haben uns aber immer über Wasser gehalten“. Das auch nach der Wende, wo es in Goldbeck praktisch noch drei Fleischereien gibt. „Die Goldbecker waren immer verwöhnt, zwei private Fleischereien und dann noch der im Supermarkt.“ Die Zeit wurde aber immer schwerer, viele Stammkunden sind verstorben, die Jüngeren arbeiten außerhalb, kommen nicht mal jedes Wochenende nach Goldbeck.
Ein schwerer Schicksalsschlag traf die Familie, als die Frau vor elf Jahren den Kampf gegen den Krebs verlor. Sie hat die ganze Buchführung gemacht, plötzlich stand Kurt alleine da. Wobei: In der ganz schlimmen Zeit und auch heute noch, stand und steht seine Tochter Kristin ihm zur Seite. Mit Schwiegersohn Dirk Beier hat sie zwar selbst eine Firma in Kläden, nach Feierabend wird dann aber noch fleißig in Goldbeck geholfen. Die Tochter übernahm Buchführung und Schriftverkehr und der Schwiegersohn kümmert sich um all die technischen Sachen. Die Arbeit musste weiter gehen und sie ging weiter. Nicht ohne Stolz berichtet Kurt Wohlfahrt, dessen Sohn (der dritte Kurt) in Seehausen ein Fleischereigeschäft betreibt, dass er bei der Herstellung seiner Wurst immer ohne Chemie ausgekommen sei.
Viele Stammkunden dankten es ihm. Auch von weither. So kam beispielsweise ein Mann extra aus Gardelegen, der in der Spargelzeit die Koteletts immer bei Wohlfahrt aus Goldbeck holte. Ein Anderer hatte Verwandschaft hier und kam selbst von der Insel Rügen. Wenn er zu Besuch war und wieder zur Ostsee reiste, war der Kofferraum für ihn und seine Nachbarschaft gefüllt mit Wurst und Fleisch aus Goldbeck. Schon fast legendär ist im Übrigen dessen Leberwurst, die nun auch schon ausverkauft ist. Andere Wurstsorten, Bratwurst und Grillfleisch wird es aber noch bis zuletzt geben.
Kürzer treten will und muss der Goldbecker. Zeit dazu nimmt er sich auch in Rathenow. „Hier wohnt der Hund mit seinem Herrchen“ steht über der Tür seines kleinen Bungalows, wo er sich gerne zurückzieht. Natürlich mit seinem Rottweiler, den er über alles liebt. Vielleicht kann er dort auch wieder sein Angelhobby auffrischen, was er lange nicht getan hat. „Ich mach mir keine Gedanken, lasse alles auf mich zukommen.“
„Ich nehme ungern von meinen Kunden Abschied, die mir so viele Jahre die Treue hielten“, sagt Kurt Wohlfahrt. Bedanken möchte er sich auch bei seinen beiden Verkäuferinnen Stefanie Jühling und Birgit Winter, die am Sonnabend, 29. Juli, die letzte Wurst der Fleischerei Wohlfahrt verkaufen werden.