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In Osterburg Fahrlehrer kritisiert neue Praxisprüfung

Die längere Führerschein-Praxisprüfung trägt laut Dekra zur Verkehrssicherheit bei. Der Osterburger Fahrlehrer Ronald Roefe ist skeptisch.

Von Alexander Rekow 19.02.2021, 00:01

Osterburg l „Das ist nicht weniger als ein Meilenstein im Fahrerlaubniswesen in Deutschland“, sagt Dr. Roland Krause, Vorstandsmitglied der Dekra (Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein) Dresden und Leiter der Technischen Prüfstelle. Gemeint ist die optimierte praktische Fahrerlaubnisprüfung bei allen Klassen, kurz Opfep. Statt wie bisher auf einem Zettel, dokumentiert der Prüfer nun digital auf einem Tablet, was besonders gut oder schlecht lief. Die Daten können Fahrschüler und Lehrer im Anschluss einsehen. Und weil nun die Fahraufgaben fünf Minuten mehr Zeit bekommen und sich an die Fahrprüfung noch ein Gespräch mit dem Prüfer anschließt, dauert die Prüfung zehn Minuten länger.

Doch offensichtlich sehen Fahrlehrer in dem Zusammenhang weniger einen „Meilenstein“, sondern sie finden die Neuerung schlichtweg überflüssig.

„Die Kollegen sind nicht begeistert“, betont der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Sachsen-Anhalt, Wolfgang Prescher: „Eine Relevanz für die Verkehrssicherheit halte ich für ausgeschlossen.“ Denn die Prüfungsschärfe habe sich durch die Änderungen nicht erhöht. Wolfgang Prescher ist im Prüfungsauschuss des Landes tätig und bildet seit 1978 als Fahrlehrer Fahranfänger aus.

Was sich mit der Änderung aber zweifelsfrei geändert hat, sind die Kosten. So werden statt bisher etwa 90 rund 117 Euro für den Prüfling bei Klasse B (Pkw) fällig. Dazu hat sich die Arbeitszeit für den Fahrlehrer um zehn Minuten verlängert, was sich ebenfalls im Gesamtpreis niederschlägt. Die Kosten sind aber nicht definiert und unterscheiden sich in den Regionen teils erheblich.

„Die Prüfung ist nur eine Momentaufnahme“, sagt Wolfgang Prescher, weshalb sich daraus für ihn keine Steigerung der Verkehrssicherheit ableiten lässt. Vielmehr sei es Aufgabe der hiesigen Fahrlehrer, ihre Schüler in der Fahrschulzeit entsprechend auszubilden. Und auch erst dann, wenn ein Fahrlehrer restlos überzeugt sei, der Schüler habe die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben, werde er von seinem Ausbilder in die Prüfung geschickt.

Ob die zehn Minuten mehr für die Prüfungen wirklich nötig sind? „Ich finde sie überflüssig. Wie es bisher lief, hat sich bewährt“, ist der Osterburger Fahrlehrer Ronald Roefe überzeugt. Bisher dauerte die Prüfung 45 Minuten. „Neben den mindestens 25 Minuten reine Fahrzeit standen zirka 20 Minuten für Grundfahrübungen wie Parken, Umkehren oder die Gefahrbremsung zur Verfügung. Bei guten Fahrschülern nahmen diese Übungen fünf Minuten in Anspuch, somit blieben noch 15 Minuten zum Fahren, Kennenlernen und die Beantwortung von Technikfragen vor der Prüfung sowie hinterher zur Auswertung“, erzählt Roefe.

In der Praxis hat er das Prüfungssystem noch nicht erlebt, „wir sind seit dem 14. Dezember stillgelegt. Anders als in den Nachbarländern Niedersachsen und Brandenburg sind Sachsen-Anhalts Fahrschulen als Dienstleister ausgebremst.“ Sowohl in Theorie als auch in Praxis baue sich deshalb derzeit ein gewaltiger Stau an Fahrschülern auf, „der uns über Monate hinaus fordern und beschäftigen wird“. Nun aber könnten zukünftig aufgrund der längeren Prüfungszeit von 55 Minuten pro Tag weniger Prüfungen gefahren werden. Dies habe so erhebliche Auswirkungen, „dass uns bei altmarkweit vier Prüfern quasi ein kompletter Prüfer verlorengeht. Wie soll das aufgefangen werden?“, fragt Ronald Roefe.

Der Fahrlehrer zweifelt auch daran, dass die Prüffahrt transparenter wird, weil der Prüfer seine Beobachtungen in ein Programm auf dem Tablet einträgt, das die Anforderungen zu den Fahraufgaben beschreibt und Bewertungskriterien dokumentiert.

Abgesehen davon, „dass ich mich frage, wie der Prüfer während der Fahrt Fehlerpunkte in das Tablet eingeben soll, ohne das Tun des Fahrschülers aus den Augen zu verlieren“, habe es auch bisher schon eine Auswertung durch den Prüfer gegeben. Wer durchgefallen sei, wäre noch einmal schriftlich über die entscheidenden Punkte informiert worden. Zukünftig geschehe das in Form eines Protokolls digital und per E-Mail. Transparenter werde dadurch aber nichts, „weil zwar Fehler aufgelistet sind, aber die Si­tuationen nicht dargestellt werden. Dafür müsste dann schon noch ein Video her“, sagt Roefe.

Für den Osterburger Fahrlehrer ist angesichts des Programms auf dem Tablet und seiner Bewertungskriterien auch offen, welchen eigenen Spielraum der Prüfer noch habe. „Wie frei ist er in seiner Entscheidung? Und was passiert, wenn er sich häufig gegen das Programm stellt?“, stellt Roefe Fragen, die sich wohl erst nach der Wiederaufnahme seines Fahrschulbetriebes beantworten lassen.