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Hochspannung Die Angst vor der Leitung bleibt

Der Protest gegen die neue oberirdische 380-kV-Leitung im Norden des Landkreises Stendal wächst. Ob es was nützt, ist aber offen.

Von Ralf Franke 23.01.2019, 18:00

Seehausen l Kurz bevor die Frist für Einwendungen gegen den nördlichen Teil der geplanten Starkstrom-trasse von Perleberg nach Wolmirstedt endet, stellten Fachleute des Netzbetreibers „50 Hertz Transmission“ die Pläne noch einmal in Seehausen vor. Die Bedenken und Ängste der Anlieger konnten sie dabei nicht zerstreuen.

Weil die Betroffenheit wegen der geplanten 380-kV-Leitung von Perleberg nach Wolmirstedt in der „Altmärkischen Wische“ bei Seehausen besonders groß ist, verlegte der Ausschuss für Ordnung, Umwelt und Landschaftsschutz des Landkreises Stendal auf Antrag der Fraktion Linke/Bündnisgrüne seine erste Sitzung im neuen Jahr in die Alandstadt. Die Resonanz auf die Einladung in den Schulungsraum der örtlichen Feuerwehr am Dienstagabend war mit fast 100 Gästen groß. Noch größer dürfte allerdings die Enttäuschung der Betroffenen gewesen sein.

Denn nach einem 45-minütigen Vortrag der Netzbetreiber von „50 Hertz“ über die Notwendigkeit der neuen Leitungen, um regenerative Energien in den Süden zu transportieren, über die geplante Investition, die planerischen Vorgaben und das Genehmigungsverfahren hatte keiner unter den Gästen das Gefühl, dass sich an den Plänen für die neue Überlandleitung groß etwas ändern wird. Schon gar nicht, dass die Leitungen als Kabel in der Erde verschwinden könnten, wie es bereits vielfach gefordert wurde. Wahrscheinlich nicht einmal stellenweise.

Das Gefühl wurde auch nicht dadurch verbessert, dass die Mitglieder des Fachgremiums um Uwe Klemm auf den nicht öffentlichen Sitzungsteil verzichteten, damit die Gäste den „50 Hertz“-Fachleuten unter der Moderation von Susanne Bohlander (Bündnigrüne) die Fragen stellen konnten, die im offiziellen Sitzungsteil nicht zugelassen waren.

Was vielen vorher klar war: Die Entscheidung für eine Überlandleitung, bei der sich die Masthöhen der jetzigen 220-kV-Trasse auf bis zu 75 Meter verdoppeln bis verdreifachen, wird zwischen Daumen und Zeigefinger getroffen. Die oberirdische Leitung, machte Projektleiter Oliver Britz deutlich, sei preiswerter in der Investition, in der Unterhaltung oder beim Flächenverbrauch und mit 80 Jahren deutlich langlebiger als Erdkabel, bei denen die Fachleute bislang von 40 Jahren bis zur nächsten Ersatzinvestition ausgehen. Dass die Hochbauvariante nicht schön für das Landschaftsbild, gefährlich für Zugvögel ist und die Nähe zu einer Höchstspannungsleitung den allermeisten Menschen bei einem Abstand von bis zu 50 Metern große Angst macht, spielt eine untergeordnete Rolle, so lange sich das Prozedere im gesetzlichen Rahmen bewegt.

Die Trasse in der Erde verursache laut Britz dagegen eine Baustelle fast wie bei einer großen Straße, sei entsprechend hindernisreich, tangiere viele Grundeigentümer, benötige wegen der Kürze der schweren Kabelstränge alle 700 bis 800 Meter ein Muffenbauwerk, setze Gleichstrom voraus, und Betroffene wären noch dichter an der Leitung als bei einer überirdischen Trasse. So recht erforscht sei das Verfahren auch noch nicht. Höchstpannungsleitungen in der Erde hätten immer noch Pilotcharakter.

Der Projektleiter machte dabei auch deutlich, dass seine Firma nur Erfüllungsgehilfe des Bundes beziehungsweise der Bundesnetzagentur im Dienst der Energiewende wäre und dass man sich bei der Durchführung an die preiswerteste Variante zu halten habe. So wollen es der Auftrag- und der Gesetzgeber. Wobei er nebenbei versuchte, mit aus seiner Sicht falsch interpretierten Abstandsregelungen und Angaben zu Gefahrenpotenzialen aufzuräumen.

Ob für den Bau ein Raumordnungsverfahren nötig gewesen wäre, was das Kräfteverhältnis wesentlich zu Gunsten der betroffenen Anlieger verschoben hätte, darüber scheiden sich noch die Geister, vielleicht demnächst die Anwälte.

Nichtsdestotrotz fordert Britz die Bürger und Politiker in der Runde auf, den Druck auf den Gesetzgeber zu verstärken, um Änderungen zumindest für künftige Vorhaben zu bewirken. Betroffene Anlieger der Trasse ermutigte er, die Zeit bis zum 4. Februar zu nutzten, um Einwendungen an das Landesverwaltungsamt als Träger des Genehmigungsverfahrens zu richten. Bei einem Erörterungstermin im Frühjahr werde man dann jedem Einspruch auf den Grund gehen. Und: Wie bei anderen Vorhaben ist auch niemand klageberechtigt, der vorher keine Einwendung verfasst hat.

Landkreis und Kommune haben in früheren und neueren Stellungnahmen als Träger öffentlicher Belange klar gemacht, dass sie auf der Seite der Bürger stehen und sowohl im Sinn des Schutzgutes Mensch, als auch der Natur sowie des touristischen Potenzials zumindest eine teilweise Erdverlegung der Energieleitung verlangen. Näher erläutert wurde das in der Runde nicht, obwohl nicht nur Christine Paschke (Linke) der Meinung war, dass es dafür eine andere Festlegung gegeben habe.

Susanne Bohlander wies die Gäste am Ende darauf hin, dass ihre Fraktion die Stellungnahme des Landkreises zum Mitnehmen ebenso vervielfältigt habe wie Informationen um das Planfeststellungsverfahren und Mustervorlagen für Einspruchwillige.