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Holzwurmbefall Das große Fressen ist zu Ende

"Holzwurm ade" heißt es in der Seehäuser Petrikirche.

Von Ralf Franke 13.11.2018, 16:27

Seehausen l  Ein Wilhelmshavener Spezialunternehmen ist seit ein paar Tagen dabei, das Holz im Kirchenschiff auf seine Begasung vorzubereiten. Am Montag legten die Kollegen von Marcus Römer, Junior-Chef der gleichnamigen Biotec-Firma, mit dem Know-how zur Schädlingsbekämpfung im Kirchenschiff letzte Hand an. Gestern strömte Sulfuryldifluorid in das Gotteshaus, um sozusagen die letzte Stunde der Holzschädlinge einzuläuten.

Genau genommen sind es Stunden. Denn, um auf Nummer sicher zu gehen, wird das Holz 48 Stunden lang begast, bevor die Männer mit Druckluftatmern am Donnerstag die Planen wieder von den Holzteilen entfernen, um den Sakral­bau zu lüften und von allen Resten des toxischen Gases zu befreien, damit die Gerüste abgebaut werden können. Dass der gemeine Nagekäfer oder vielmehr dessen gefräßige Larven bekämpft werden müssen, steht seit einem Gutachten zweifelsfrei fest.

Marcus Römer nahm sich am Montagabend die Zeit, um Interessenten auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde das Verfahren zu erläutern. Dabei wurde auch klar, dass die Begasung in dem Fall der sinnvollste, schnellste und effektivste Weg zur Holzwurmbekämpfung ist.

Das Aufbringen einer Schutzlasur scheidet in dem Fall aus, weil es bei der Masse an Holz zu umständlich ist, ganz zu schweigen von den Stoffen, denen die Kirchgänger später ausgesetzt sind.

Abgesehen von der logistischen Machbarkeit kommt zum Beispiel auch eine thermische Behandlung nicht in Frage, weil das Holz in dem kalten Denkmal zu feucht ist und beim Erhitzen reißen würde. Was bei Gestühl, Treppen, Türen schlimm genug, bei Altar, Kanzel und dem Gehäuse der Lütkemüller-Orgel aber eine Katastrophe wäre. Dann könnte man für die Schädlingsbekämpfung gleich zum Vorschlaghammer greifen, ließ der Fachmann duchblicken.

Dass auf ein toxisches Gas gesetzt wird, ist vor allem der Zeit geschuldet. Mit einem Gas, das Sauerstoff verdrängt, würde das Verfahren etwa vier bis sechs Wochen dauern, so Römer, dessen Mannschaft deutschland- und europaweit auch in Kirchen einschlägige Erfahrungen gesammelt hat.

Sulfuryldifluorid ist so diffusionsfähig, dass selbst dicke Balken in wenigen Minuten messbar wirkungsvoll durchdrungen sind. Zur Sicherheit wird die Gaskonzentration aber zwei Tage unter den luftdicht eingehausten Holzteilen konstant hoch gehalten. Zur Erfolgskontrolle werden unter der Folie noch gesicherte Referenzhölzer positioniert, die vom Hausbock befallen sind. Wenn diese Larven getötet sind, sollte auch keiner der Holzwürmer überlebt haben. Zum Einhausen wird übrigens ganz normale Folie verwendet, mit der Landwirte ihre Silos mit Winterfutter luftdicht zur aeroben Vergärung abdecken.

Das Verfahren ist inzwischen so ausgereift, dass Römer eine 100-prozentige Wirkung garantiert. Und ein erneuter großflächiger Befall dürfte seine Zeit brauchen, weil die Schädlinge vier bis acht Jahre als Raupe leben, bevor sie als Käfer schlüpfen und nur zwei Wochen zur Paarung und Eiablage haben. Dass die gemeinen Nagekäfer den Weg allein zurück in das Gotteshaus finden, ist eher unwahrscheinlich. Viel mehr Gefahr geht von befallenen Möbeln und Holzteilen aus, die nach der Aktion in das Gotteshaus getragen werden, weshalb die Kirchengemeinde peinlich darauf achtete, selbst kleine und unscheinbare Holz­utensilien begasen zu lassen.

Übrigens: In den eigenen vier Wänden kommen Holzwürmer viel seltener vor, wenn diese gut beheizt und das Holz trocken ist. Außerdem räumte Marcus Römer am Montag mit einer alten Volksweisheit auf. Holzwürmer kann man nicht hören. Krach beim Nagen machen die Larven der Hausböcke.