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Wegen Corona„In Gladigau ist es stiller als sonst“

„Stiller als sonst“ empfindet Ortsbürgermeister Matthias Müller (50) Gladigau in diesen Tagen. Die Pandemie habe das Dorf tief getroffen.

Von Nico Maß 22.04.2020, 15:07

Gladigau l Nur ein paar Meter abseits von Klettergerüst und Schaukel flitzt Michelle (5) um den Tisch. Auf die Spielgeräte selbst darf das Mädchen aber nicht. Wie alle anderen Spielplätze in der Einheitsgemeinde ist auch das zwischen Wald und Sportplatz gelegene Kinderparadies der Gladigauer derzeit tabu. Pandemie-bedingt, aus Sorge vor Menschenansammlungen und der damit verbundenen Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus, zeigt Matthias Müller Verständnis für die Sperrung.

Mit der Tochter ein bisschen an die frische Luft ist aber trotzdem drin. Die Flessauer Kita, die Michelle sonst tagsüber besucht, hat wie alle anderen Kindereinrichtungen auf Notbetreuung umgestellt. Michelle bleibt zu Hause. Anfangs mit ihrer Mama, nun aber hat der Elektroingenieur seine Arbeit ins Heimbüro verlegt, um sich zeitgleich um die Tochter kümmern zu können.

Bis auf den neuen Arbeitsschwerpunkt in den eigenen vier Wänden hat sich in Müllers Berufsleben nicht wirklich etwas geändert, „die Baustellen laufen ja weiter“. Auch in Gladigau seien tagsüber die seit eh und je gewohnten Arbeitsgeräusche zu hören, „wir wohnen in einem Handwerkerdorf“. Abgesehen davon sei es aber viel ruhiger geworden, „die sonst üblichen Gartenfeste fehlen, der Jugendklub ist dicht“, sagt der Ortsbürgermeister.

Tief getroffen habe Gladigau, „dass unser Dorftheater seine Spielzeit kurz nach der Premiere und damit auf dem Höhepunkt der Saison abbrechen musste“. Obgleich wegen der Pandemie verständlich, wie Müller betont, sei das vorzeitige Aus doch sehr schade „für unser Dorf und seine Außenwirkung“ gewesen. „Und ein ganz schwerer Schlag für den ,Dörpschen Krug‘, der zudem wie alle anderen Gaststätten geschlossen werden musste. Für unsere Wirtsleute ist das eine ungemein schwierige Situation“, bedauert der Bürgermeister.

Abseits davon brechen nach und nach auch Höhepunkte weg, die Gladigau üblicherweise für das Frühjahr auf den Zettel hat. Nachdem 2019 die Waldbrand-Gefahrenstufe IV einen Strich durch die Rechnung machte, fiel das Osterfeuer nun schon das zweite Jahr in Folge aus. Hinter der eigentlich für den 31. Mai geplanten Konfirmation stehe ganz bestimmt ein großes Fragezeichen. Gleiches gelte für das traditionsreiche Landsportfest des örtlichen Sportvereins „Blau-Weiß“. Ihren Spiel- und Trainingsbetrieb haben die Gladigauer Kicker selbstredend schon vor Wochen eingestellt.

Das Dorfleben steht quasi still, abseits davon empfindet es Matthias Müller als „so­zial sehr schwierig, dass es viel weniger Besuche gibt und viele Großeltern jetzt allein bleiben“. Durch das Coronavirus und die als Reaktion auf die Pandemie verordneten Einschränkungen seien gravierende Verwerfungen in Gang gesetzt worden, „die es so und in der Kürze der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg nicht bei uns gegeben hat“, ist der Bürgermeister überzeugt.

Gleichzeitig weiß Matthias Müller aber auch um das Gemeinschaftsgefühl der Gladigauer. Hilfe zu organisieren, um beispielsweise älteren Einwohnern das Einkaufen abzunehmen, sei so überhaupt nicht nötig gewesen, „weil es das schon längst gibt.“ Da Gladigau seit ein paar Jahren ohne einen eigenen Laden sei, wäre es unter Nachbarn durchaus üblich, sich bei Einkaufsfahrten gegenseitig zu helfen, erklärt Müller. Falls aber doch jemand Unterstützung benötige, könne er sich gern an ihn wenden, so der Bürgermeister, der sich wünscht, „dass wir im Mai halbwegs zur Normalität zurückkehren können.“

Dass die kleinen Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis 800 Quadratmeter seit Montag, 20. April, wieder öffnen dürfen, begrüßt der Bürgermeister. „Ich hoffe aber auch, dass sich schnell etwas für Gaststätten tut“, fügt er hinzu, während sich Michelle neben ihm auf seinem Smartphone einen Trickfilm anschaut. „Dass wir jetzt einen Funkturm im Dorf haben, ist echt ein Segen“, sagt Müller und schmunzelt. Die 4G-Versorgung mache aber natürlich nicht nur das Streamen von Unterhaltungsangeboten möglich, sie erleichtere beispielsweise auch Kindern und Jugendlichen das Lernen daheim. Seit 2012 hatte sich der Ortsbürgermeister mit Unterstützung seiner Ortschaftsräte um die Vodafone-Investition bemüht und sich auch nicht durch zwischenzeitliche Rückschläge entmutigen lassen. „Das war die richtige Entscheidung“, blickt Matthias Müller zurück. Denn die Hartnäckigkeit zahlte sich aus, Anfang 2019 ging der am Waldrand in Nähe des Sportplatzes errichtete Funkmast in Betrieb. „Und wie wichtig er ist, zeigt sich erst recht in einer Krise wie der heutigen.“