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Kasachstan Wenn die Steppe Kornkammer werden soll

Inzwischen interessiert es durchaus, wenn in China ein Sack Reis oder in Kasachstan ein Sack Korn umfällt - sogar in Falkenberg.

Von Ralf Franke 03.01.2018, 16:20

Falkenberg l Die Weiten Kasachstans sind in dem Fall für Dr. Ralph Meißner wichtig, der in der ehemals sowjetischen Republik eines seiner letzten Projekte im Dienst des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) mit angeschoben hat. Dass sich der Leiter der Falkenberger Außenstelle demnächst wirklich zur Ruhe setzt, ist allerdings schwer vorstellbar. Vielleicht konzentriert sich der motivierte Doktorvater dann ja mehr auf seine Professur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Einmal mehr sind es die sogenannten Lysimeter (von griechisch lysis für Lösung oder Auflösung und metron für Maß), die den Altmärker in den vergangenen Jahren dienstlich quasi zum Global Player gemacht haben. Die monolitische Entnahme von Bodensäulen zur Langzeitbeobachtung im Freien, aber trotzdem unter Laborbedingungen wurde in Falkenberg zwar nicht erfunden, aber perfektioniert. Heißt: Ein Verfahren entwickelt, bei dem das für die jeweilige Region repräsentativ ausgewählte Stück Bodenprofil erschütterungsfrei aus der Erde gesägt wird, damit es authentisch erhalten bleibt, um genau wie die Heimatscholle am Ursprungsstandort bearbeitet, gedüngt und beerntet zu werden.

Der Sinn des Verfahrens ist leicht erklärt. Den Wissenschaftlern und ihren Mitstreitern geht es darum, Wasser- und Stofftransporte an 365 Tagen im Jahr unter unterschiedlichen Bedingungen (Nutzungsart und Bewirtschaftungsform) durch den natürlich gewachsenen Boden zu erfassen, Rückschlüsse vom Kleinen aufs Große zu ziehen und damit Empfehlungen insbesondere für die praktische Landwirtschaft zu geben.

Wichtige Grundlage der Forschung sind die Untersuchung des in gut zwei Meter Tiefe gewonnenen Sickerwassers und das Wägen des Bodenstücks. Bei einer Gesamtmasse von bis zu fünf Tonnen und einer Oberfläche von einem Quadratmeter können die Falkenberger Gewichtsdifferenzen von bis zu 20 Gramm feststellen. Womit sogar der Morgentau nachweisbar ist, erklärt Meißner im Gespräch mit der Volksstimme.

Lysimeter sind also ein Hilfsmittel bei der Lösung der Ernährungsprobleme dieser Welt, bei der Erforschung der Folgen des Klimawandels und anderer Dinge. Sie sind aber auch beim Projekt Kasachstan „nur“ ein Rädchen im Getriebe, das der Landwirtschaft vor Ort mit Unterstützung des Bundesministeriums für Forschung und Bildung über drei Jahre bis Mitte 2020 helfen soll, mehr Fahrt aufzunehmen, was letztlich für Ertragssteigerung und Effektivität steht.

Während unter der Federführung des UFZ der Wasserhaushalt durch innovatives Bodenmanagement optimiert wird, sind weitere Partner aus Deutschland, Kasachstan und Russland für andere Aufgaben von der Düngung, über die Fruchtfolge bis zur Organisation des Ackerbaus zuständig.

Das Besondere an dieser Herausforderung ist weniger der Boden. Der hat laut Meißner zum Teil sogar Schwarzerdequalität. Das Problem sind lange Winter und geringe Niederschläge. Diese fallen im Schnitt nur halb so ergiebig wie in der Altmark und darüber hinaus zum Großteil im Winter als Schnee auf die bis zu zwei Meter tief gefroren Böden. Was zum Beispiel bedeutet, dass es im Frühjahr wichtig ist, den Acker schlagkräftig sowie wasserschonend zu bearbeiten und Bodenerosion zu vermeiden.

Der je nach Bedingungen stark schwankende Getreideertrag liegt derzeit durchschnittlich zwischen 10 und 20 Dezitonnen je Hektar und damit bei einen Bruchteil dessen, was in Deutschland geerntet wird. Aber bei einer reinen Ackerfläche von rund 24 Millionen Hektar rechnen sich auch vergleichsweise geringe Ertragssteigerungen durch die Masse, ist Meißner überzeugt, der die Vision von einem weltweiten Netz entsprechender Messstellen hat, um Klima und Boden besser erforschen und global verstehen zu können.