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Aufgefangen Nach Depression oder Drogen: Jugendliche aus der Altmark finden mit Diakonie ins Berufsleben

Nach der Schule kommt die Ausbildung und das große Leben. Nicht überall. Bei wem aufgrund psychischer Erkrankungen, wegen Drogenkonsums oder anderer Gründe Plan A nicht greifen konnte, für den hat die Jugendwerkstatt Hindenburg einen Plan B. Nicht nur bei Kevin und Steven ging dieser auf.

Von Karina Hoppe 14.07.2023, 15:37
Mitarbeiter der Jugendwerkstatt Hindenburg bei Osterburg in der Altmark grillen gemeinsam mit ihren früheren Schützlingen. Das Projekt „Plan B“ half ihnen ins Leben.
Mitarbeiter der Jugendwerkstatt Hindenburg bei Osterburg in der Altmark grillen gemeinsam mit ihren früheren Schützlingen. Das Projekt „Plan B“ half ihnen ins Leben. Foto: Karina Hoppe

Hindenburg - Die Salate stehen parat, das Fleisch liegt auf dem Grill und es kommt ein Regenschauer. Kein Problem, dann werden Tische und Bänke eben unter den Nussbaum getragen. So einfach kann das Leben sein. Für jene, die am Donnerstagabend auf dem Gelände der Jugendwerkstatt Hindenburg mit anpackten, war es das lange nicht.

Ihre Rettung: das vom Jobcenter Stendal finanzierte Projekt „Plan B“. Es nimmt sich Menschen an, bei denen Plan A ins Leben nicht funktioniert hat, nicht funktionieren konnte. Weil sie aufgrund ihrer Umstände psychisch erkrankten, weil sie Drogen nahmen oder auch Sterbefälle in der Familie sie aus der Bahn warfen. Sie waren dadurch nicht in der Lage, eigenständig den Weg ins Berufsleben zu gehen. Die Betonung aber liegt auf „waren“. Denn wer am Donnerstag mitgrillte, weiß jetzt, wie es bei ihm weitergeht. Die Jugendwerkstatt Hindenburg unter dem Dach der Diakonie Osterburg lud ehemalige Teilnehmer beziehungsweise Schützlinge auf dem Absprung ein, um mit ihnen zu feiern.

Unter ihnen Steven Paßlack (26) aus Stendal, für den die Zeit in Hindenburg schon einige Jahre zurückliegt. Er sei zu „Plan B“ gekommen, weil er sehr in sich gekehrt war. „Ich kam nach der Schule nicht weiter, sperrte mich nur in meinem Zimmer ein“, erzählt er. Heute hat der junge Mann nicht nur eine Ausbildung als Bäckereifachverkäufer in der Tasche, er ist sogar Leiter einer Bäckerfiliale. Steven Paßlack strahlt über das ganze Gesicht. „Ich habe überhaupt keine Angst vor Menschen mehr. Ich kam immer mehr aus mir heraus. In Hindenburg musste ich ja sogar Theater spielen“, sagt er und lacht.

In der Jugendwerkstatt Hindenburg bei Osterburg: Die vier Teilnehmer des Projekts "Plan B" beginnen eine Ausbildung (von links) zur Verwaltungsfachangestellten, zum Industriemechaniker, zum Dachdecker und zur Kinderpflegerin.
In der Jugendwerkstatt Hindenburg bei Osterburg: Die vier Teilnehmer des Projekts "Plan B" beginnen eine Ausbildung (von links) zur Verwaltungsfachangestellten, zum Industriemechaniker, zum Dachdecker und zur Kinderpflegerin.
Foto: Petra Panse

Das Team der Jugendwerkstatt geht behutsam vor. In der ersten Phase des auf eineinhalb Jahren angelegten Projekts „Plan B“ besucht es die Teilnehmer zu Hause oder auf einer Parkbank, wie es eben möglich ist. Der Rucksack der Probleme ist meist riesengroß. „Mit 20000 Euro Schulden hast du keinen Kopf für eine Ausbildung“, sagt Petra Panse, Leiterin der Jugendwerkstatt. Also geht’s gemeinsam zur Schuldnerberatung. Der nächste muss dringend zum Zahnarzt. „Manchmal räumen wir bei den Leuten zu Hause gemeinsam auf “, erzählt Petra Pigorsch, Anleiterin im Bereich Hauswirtschaft. Wo auch immer es im Leben hakt, die Mitarbeiter holen ihre Schützlinge genau dort ab. Sie versuchen Vertrauen aufzubauen, um sie schließlich nach Hindenburg „zu locken“.

Tagesstruktur lautet die Devise, ganz viel Tagesstruktur. Die Teilnehmer sollen wieder ins Tun kommen, erledigen Holzarbeiten, kochen, backen oder machen Gartenarbeit. Letztlich, um herauszubekommen, welches Betätigungsfeld denn als Beruf passen würde. Wer stabiler ist, macht ein externes Praktikum.

Ist an einen Beruf noch nicht zu denken, gibt’s auch Hilfe. Wenn es geboten ist, vermittelt das breit aufgestellte Team eine stationäre oder ambulante Psychotherapie. „Suchtkranke begleiten wir zum Entzug in ganz Deutschland.“

Kevin aus Stendal erzählt, dass Hindenburg ihm „privat wie beruflich, in jeder Hinsicht sehr geholfen hat“. Der heute 21-Jährige hatte mehrere Ausbildungen abgebrochen, litt unter starken Selbstzweifeln, hatte Depressionen. Die Hindenburger Obhut half ihm da heraus. Kevin machte eine Ausbildung zum Pflegehelfer und will nun sogar noch weitergehen. Er beginnt eine Ausbildung zum Pflegefachmann der Psychiatrie und freue sich schon sehr darauf.

Die Stimmung beim Grillabend war gut. Eine junge Frau erzählte, wie froh sie ist, „da raus“ zu sein. „Du hast auch einen harten Kampf mit uns durch, was?“, sagte Petra Panse darauf und die Frau bestätigte nickend. Es sei aber auch gar nicht so leicht anzunehmen, dass die anderen es wirklich gut mit einem meinen. „Jeden wird man aber leider nicht erreichen können“, sagt sie.

Vier Teilnehmer, die nun eine Ausbildung beginnen, wurden dafür beim Grillabend besonders gefeiert. Sie erhielten eine kleine Schultüte von der Einrichtung und liebe Worte noch dazu. Die Stärkung des Selbstbewusstseins steht ganz oben bei „Plan B“.