1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Osterburg
  6. >
  7. Weiber lästern über Wirtshäuser und Wölfe

Spectakulum Weiber lästern über Wirtshäuser und Wölfe

Viel Trubel gab es in Seehausen zum 9. Mittelalterspektakel, dem Spectakulum. Die Stadt und seine Menschen erlebten eine Zeitreise.

Von Astrid Mathis 26.09.2017, 01:01

Seehausen l  Was so viel hieß wie „Herzlich willkommen zum 9. Mittelalterspektakel!“ Der Spruch galt den Damen, die fast alle in Hosen gekleidet waren, wie es sich damals nicht ziemte. Doch Vizebürgermeisterin Anke Meißner nebst Gatte Ralf wusste, was sich gehörte. Im langen Rock schritt sie dem Junker und den Musikern von „Hintertür“ nach. Hinunter zum Wehr, wo neben den Mücken die Gruppe „Hahn im Korb“ die Menge mit einem Schauspiel erwartete. Stadtinformationsleiterin Ingrid Jabke und Waltraud Deistler brachten derweil Schmalzstullen und Pfannkuchen unter die Leute.

„Händegeklapper!“ forderte Stadtführer Jürgen Schmidt das Publikum auf, und schon beginnen die Waschweiber des Burgherren zu lästern. Als die Konkurrenz des Bürgermeisters auftaucht, ist die Balgerei vorprogrammiert. Auf beiden Seiten wird schmutzige Wäsche gewaschen. Erst mit Erscheinen eines französischen Malers (Susanne Netal) kommt es zum Waffenstillstand. Dieser postiert die Damen zu einem Gemälde, das er wegen Einbruch der Dunkelheit nicht fertigstellen kann. Geschickt beraten sie ihn später, wo er sein Nachtlager aufschlagen könnte und bringen dabei ordentlich Kritik unter: Der Ratskeller sei nur für alte Leute, in Barsberge wisse man nicht, wann geöffnet werde, unter freiem Himmel müsste man den Wolf befürchten – und den Eichenprozessionusspinnus. Bleibt nur Bierbaum Henkel. Oder die eigene Stube.

Die nächste Geschichte erlebten die Mittelalterfans in St. Petri. Vor allem den jüngsten Gästen wurde die Sache unheimlich. „Stimmt es, dass hier eine Hexe verbrannt wird“, fragte ein Mädchen. Nein, nur Walter Fiedler trat in Erscheinung und berichtete als der erste Türmer namens Christian Historisches. Andächtig folgten Alt und Jung ihm durch das romanische Portal, das dank unzähliger Teelichte auf dem Weg zum Altar besonders imposant wirkte. Zwischen 1210 und 1220 als Eingang zur Basilika gebaut, hat die Marienkapelle ihm seit 1486 für Jahrhunderte Schutz geboten. Über 270 Jahre, bis 1958, waren Türmer für die Feuermeldung und das Treten des Blasebalgs verantwortlich. Nur einmal, nämlich 1776, passte einer nicht auf, was den großen Stadtbrand zur Folge hatte. Türmer sei ein Knochenjob gewesen, nicht zu vergleichen mit der Arbeit, die heutzutage Stadtangestellte zu verrichten hätten.

Von 22 bis 3 Uhr nachts hatte der Türmer alle Stunde ins Horn zu blasen, ab 5 kam das Glockengeläut hinzu. 14 Jahre lebte Christian in der Wohnung, die jetzt wieder besuchertauglich gemacht werden soll, teilweise mit Vieh. „Die Scheiße wurde heruntergelassen“, warf Junker Jürgen ein. Zweifellos zählen Lütkemüller-Orgel, auf der Janne Schmitz spielte, und die vermutlich holländischen Holzschnitzereien zu den Schmuckstücken in St. Petri.

Bevor es zum Festschmaus in die Salzkirche ging, schmetterte Junker Jürgen ein Lied von Francois Villon über einen Karmelitermönch, um die Wartezeit auf den Männerchor in Mönchskutten zu verkürzen. „Frisch auf, ihr Klosterbrüder“, erklang schließlich der Gesang der Herren. Gut gelaunt folgte daraufhin von allen Seiten Händegeklapper.