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Altmark Industrie meistert das Corona-Jahr

Mit großen Anstrengungen meisterten die Industriebetriebe in der Altmark das Corona-Jahr 2020. Dazu gab es sogar einige gute Nachrichten.

21.01.2021, 16:00

Altmark l Die größeren Unternehmen in der Altmark haben das Corona-Krisenjahr 2020 deutlich besser überstanden, als anfangs zu befürchten war. Die Volksstimme hat sechs Großbetriebe im Altmarkkreis Salzwedel und im Landkreis Stendal zu ihrem jeweiligen Umgang mit den Pandemie-Maßnahmen, ihrer aktuellen wirtschaftlichen Lage und dem Ausblick auf 2021 befragt. Fazit: Überraschenderweise haben einige Unternehmen im Vorjahr sogar Arbeitsplätze schaffen können und damit auch ihre Produktion ausgebaut.

So sieht es in den Unternehmen aus der Altmark im einzelnen aus:

„Wir sind bisher gut durch die Krise gekommen“, betont Georg Stockhammer, Geschäftsführer bei Kraiburg Relastec. Aber Stockhammer verweist auch auf Widrigkeiten aufgrund der Pandemie. „Wir hatten Einbrüche beim Umsatz von Bodenbelägen für Fitness-Studios“, berichtet der Geschäftsführer. Das Geschäft in diesem Bereich habe sich bis heute nicht erholt. Dennoch bleibt er bei seinem positiven Fazit, denn die Umsatzverluste konnten von anderen Bereichen aufgefangen werden.

Von Corona-Fällen blieb das Salzwedeler Werk, trotz zahlreicher Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsregelung, nicht verschont. Bisher gab es drei Infizierte bei Mitarbeitern in der Produktion und einen in der Verwaltung. In letztgenanntem Bereich gab es weitere Maßnahmen. So sind zum Beispiel Dienstreisen und Kundenbesuche untersagt. Auf das laufende Jahr blickt Stockhammer optimistisch. „Der Auftragsbestand ist gut. Die Produktion voll ausgelastet“, berichtet der Geschäftsführer, das auch Unwägbarkeiten wie der Brexit bisher keine gravierenden Auswirkungen auf das Unternehmen hatten. Mit einer neuen Fertigungsanlage sei die Mitarbeiterzahl zuletzt gewachsen. 2020 sowie zum 1. Januar 2021 gab es jeweils vier Neueinstellungen.

Im Stendaler Alstom Werk gab es im Corona-Jahr 2020 sogar richtig gute Nachrichten. Mitte November vergab die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) einen Großauftrag an das Unternehmen. 169 Doppelstockwagen der Gesellschaft werden in Stendal bis 2026 modernisiert. Der Auftrag hat ein Volumen von 27 Millionen Euro. „Das kommt dem Werk dauerhaft zu Gute“, meinte Alstom Deutschland-Sprecher Stefan Brausse.

Insgesamt sei Alstom gut durch das turbulente Jahr gekommen, erklärte der Sprecher. Frühzeitig habe das Unternehmen Corona-Maßnahmen im Arbeitsalltag umgesetzt, verweist der Sprecher auf die Maskenpflicht und die Einhaltung der Abstandsregeln. Das habe sich bewährt. So berichtet Brausse, dass es deutschlandweit bisher 33 Fälle von Corona-Infektionen unter Mitarbeitern gegeben habe, einen Fall im Stendaler Werk.

Insgesamt beschäftigt Alstom 2500 Mitarbeiter in Deutschland, in Stendal sind es 220. In den Bereichen, in denen Homeoffice möglich sei, habe man die Mitarbeiter nach Hause geschickt. „Es gab die Maßgabe von einem Präsenztag pro Woche“, berichtet Brausse, aber diese Regelung sei aufgrund der aktuellen Lage derzeit ausgesetzt.

Wichtig war oftmals die interne Kommunikation, meint der Unternehmenssprecher. So kann er aus seinem Alltag berichten, dass weit mehr interne als externe Kommunikation im vergangenen Jahr stattgefunden habe. Nun steht bei Al-stom die Fusion mit Bombardier an. Das habe „kurzfristig keine Auswirkungen“ auf das Stendaler Werk, will Brausse noch nicht weiter in die Zukunft schauen.

Ein gespaltenes wirtschaftliches Fazit zieht Bernd Wiesner, Geschäftsführer der Paradiesfrucht GmbH in Salzwedel, für 2020. „Absatzmäßig haben wir einen starken Nachfrageschub bekommen, da offensichtlich Kunden mehr Produkte mit unseren Paradiesfrüchtchen gehamstert, aber auch konsumiert haben“, berichtet Wiesner. Auf der Gegenseite gab das aber kein Ertragsplus, da Beschaffungspreise und Auslieferkosten ebenfalls gestiegen seien.

Daneben hätten die Corona-Maßnahmen den Betrieb personell gefordert, berichtet Wiesner von Einschränkungen aufgrund veränderter Arbeitszeiten, um Kontakte zu reduzieren und von einem stockenden Informationsfluss, wegen weniger Meetings. Als „hervorragende Leistung“ der gesamten Belegschaft verweist Bernd Wiesner aber darauf, dass das Werk in Immekath (früher Fricopan, Anmerkung der Redaktion) vollständig in die Produktion einsteigen konnte - „und das gerade im Frühjahr mit der ersten großen Welle der Pandemie“. Vereinzelt, sagt Wiesner, habe es Corona-Fälle in der Belegschaft gegeben. „Wir haben in der vergangenen Woche allen anwesenden Mitarbeitern die interessiert waren (fast alle) einen Schnelltest angeboten“, berichtet der Geschäftsführer. Das Ergebnis: „Kein positiver Befund.“

Mit Blick auf 2021 will Wiesner nicht von Optimismus sprechen. „Insgesamt sehe ich das Jahr aber nicht negativ“, sagt der Geschäftsführer. Seine verhaltene Aussage begründet er mit Blick auf den Brexit. „England ist unser zweitgrößter Absatzmarkt. Die Tücken des Deals der letzten Minute erscheinen erst jetzt und werden noch Überraschungen bringen.“ Zudem ändere sich der Markt, auf dem die Paradiesfrucht GmbH präsent ist, rasend schnell.

„Das Jahr lief besser als gedacht“, betont Anja Krost, Werksleiterin bei Flachglas Nord-Ost in Osterburg. Trotz Corona-Krise konnte das Unternehmen 2020 sogar wachsen. Mit Inbetriebnahme eines neuen Produktionsstranges wurden im vergangenen Jahr zwölf neue Mitarbeiter eingestellt. Aktuell arbeiten am Standort Osterburg damit 90 Altmärker.

Auch 2021 soll weiter in das Werk investiert werden. Produziert werden dort unter unterschiedlichste Glas-Produkte. „Wir haben in den vergangen drei Jahren rund fünf Millionen Euro investiert“, berichtet Krost weiter. Neueste Anschaffung ist ein Digitaldrucker, der Glasscheiben großformatig bedrucken kann. So blickt die Werksleiterin verhalten optimistisch ins Jahr 2021.

Etwas verhalten, weil Krost nicht genau einschätzen kann, wie sich die Pandemielage auf das weitere Geschäft auswirkt. „Vom Bauchgefühl erwarte ich eine Abkühlung der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte“, meint Anja Krost. Glücklicherweise sei der Betrieb in Osterburg bisher von Corona-Fällen verschont geblieben. Frühzeitig sei am Hauptwerk in Bayern ein Krisenstab eingesetzt worden. Diverse Corona-Schutzmaßnahmen wurden umgesetzt. So wurden zum Beispiel in der Verwaltung in Osterburg die Büros nur noch mit jeweils einer Person besetzt. Wer konnte, wurde ins Homeoffice geschickt. Daneben haben Fremde derzeit keinen Zutritt zum Werksgelände. Sollten doch Besuche notwendig sein, „müssen diese Leute getestet sein“, erklärt die Werksleiterin. Die administrativen Aufgaben seien schwer gewesen. „Ich bin aber stolz darauf, dass alle mitgemacht haben“, lobt Krost ausdrücklich ihre Belegschaft.

Mit gemischten Gefühlen blickt André Listemann, Geschäftsführer des Mercer Zellfstoffwerkes in Arneburg, auf das Coronajahr 2020. „Speziell im Frühjahr war die größte Gefahr, dass die Lieferantenkette an einer oder mehreren Stellen zu brechen drohte und damit eine Einschränkung bei der Produktion oder dem Verkauf generierte. Das konnte aber durch schnelles Reagieren verhindert werden“, berichtet er. Zudem sei es eine „enorme Herausforderung“ gewesen, die Geschäftstätigkeit unter den Corona-Restriktionen gut weiterzuführen.

Die Unternehmensführung ist aber stolz darauf, wie die Mitarbeiter alle Widrigkeiten gemeistert haben. Listemann berichtet, dass es ein paar Corona-Fälle in der Belegschaft gab. „Wirklich schlimme Fälle waren erfreulicherweise nicht dabei. Allerdings kämpfen einige Mitarbeiter teilweise auch nach Monaten noch mit den Folgen dieser Covid-19-Erkrankung“, sagt er. Zur wirtschaftlichen Lage äußerte sich Listemann nur kurz, erst sollen die Beschäftigten informiert werden. Er sagt aber, dass es schwächere Finanzzahlen im Vergleich zu den Vorjahren, bedingt durch geringere Papiernachfrage und rückläufige Zellstoffpreise, gebe.

Aktuell laufe die Produktion „auf Hochtouren“, berichtet Kerstin Schulze, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei NTN Antriebstechnik in Gardelegen. Doch im Frühjahr 2020 blieb der Automobilzulieferer vom Lockdown nicht verschont. Im April, Mai, Juni und Juli gab es Kurzarbeit und Umsatzeinbußen. Als besondere Schwierigkeit im zurückliegenden Jahr nennt Schulze die kurzfristigen Entscheidungen der Bundesregierung bei Corona-Maßnahmen. Glücklicherweise habe es bisher keine Corona-Fälle bei Mitarbeitern gegeben. Auch bei NTN Antriebstechnik seien diverse Corona-Schutzmaßnahmen umgesetzt worden.

Das Unternehmen blickt durchaus positiv in die nächsten Monate: „Aufgrund unserer Projekte und der positiven Auftragsentwicklung werden wir voraussichtlich ab April 2021 eine Mitarbeiterzahl von 250 Mitarbeitern erreichen und unsere Produktion von einem 3-Schicht auf ein 4-Schicht-System umstellen, um unseren Kundenanforderungen nachzukommen“, teilt die Sprecherin mit. So werden in Gardelegen Antriebswellen für Elektro-Fahrzeuge der Daimler AG produziert. Geplante Stückzahl: eine halbe Million pro Jahr.