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Arbeitsagentur Chef Markus Nitsch verlässt Stendal

Der Chef der Arbeitsagentur Stendal, Markus Nitsch, verlässt zum Monatsende die Altmark.

Von Antje Mewes 22.10.2017, 04:00

Volksstimme: Im Januar 2014 kamen Sie in die Altmark. Wie ergab sich das?

Markus Nitsch: Ich leitete damals die Arbeitsagentur in Schwäbisch-Hall und bekam drei Angebote: in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit, in einem Bereich für Sonderaufgaben wie der Auslandsvermittlung und in Stendal. Ich wollte eine Agentur leiten, weil man da auch unternehmerisch gefordert ist. Das hat mich gereizt. Die Region war dabei ein Zufall.

Und warum verlassen Sie die Altmark jetzt wieder?

Aus familiären Gründen, meine Eltern brauchen jetzt Unterstützung.

Gibt es bereits eine Nachfolgeregelung?

Die gibt es, aber der Verwaltungsausschuss der Agentur für Arbeit Stendal muss zuerst informiert werden.

Handelt es sich um Ihre Vorgängerin Marina Kermer?

Nein, definitiv nicht.

Als Sie in die Altmark kamen, lag die Arbeitslosenquote in der Region bei 12,6 Prozent, im September 2017 waren es 8,3 Prozent. Woraus resultiert diese Entwicklung?

Wir haben pro Jahr zehn Prozent unserer Kunden verloren, das ist eigentlich das Schönste, was man sich vorstellen kann. Das hat natürlich auch demografische Gründe, denn rund zehn Prozent der Menschen, um die sich die Arbeitsagentur kümmert, gehen jährlich in Rente. Allerdings melden sich auch Menschen neu arbeitslos. Aber seit einiger Zeit verzeichnen wir ein Wachstum an Beschäftigung, das ist eine sehr positive Entwicklung für die Altmark. Die Zahl der Stellen ist, wenn auch geringfügig, gestiegen, zugleich geht die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zurück, daraus ergibt sich ein steigendes Angebot für alle, die Arbeit suchen.

Was kennzeichnet den Arbeitsmarkt in der Altmark im Allgemeinen?

Die Altmark ist durch kleine und mittlere Unternehmen gekennzeichnet, Aufschwung oder Krisen kommen hier später, mitunter auch gar nicht an. Die VW-Krise spielt hier allerdings schon eine Rolle.

Die Arbeitslosenquoten des Altmarkkreises liegen unter denen für den Landkreis Stendal. Liegt das ausschließlich an den Menschen, die nach Niedersachsen pendeln?

Der Altmarkkreis profitiert schon stark von VW, aber es gibt auch hier eine positive Entwicklung. Allerdings sinkt die Arbeitslosigkeit aktuell im Landkreis Stendal stärker, während in der westlichen Altmark nur noch ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist. Die Schere zwischen den beiden Landkreisen schließt sich langsam.

Sie haben nach einigen Monaten in der Altmark von einer sich verstetigenden Langzeitarbeitslosigkeit gesprochen. Wie sieht die Situation hier jetzt aus?

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen geht ebenfalls zurück, wenn auch die Menschen, die länger als ein Jahr ohne Arbeit sind, nicht im gleichem Umfang profitieren wie die, die nur kurz arbeitslos sind.

Welche Chancen haben Arbeitssuchende, die älter als 50 Jahre alt sind?

Viele Unternehmen wollen sich verjüngen. Weil sie aber oftmals feststellen müssen, dass sie keine jüngeren Fachkräfte finden, greifen sie vermehrt auf erfahrene, ältere Bewerber zurück.

Allerdings beklagen die Unternehmen den Mangel an Fachkräften.

Ja, das ist schon bedenklich. Es gibt weniger Jugendliche, von denen sich ein höherer Anteil für weiterführende Schulen und ein Studium entscheidet. Das heißt, der Pool an Auszubildenden wird kleiner. Da wird es in Zukunft Anpassungsprozesse geben. Unternehmen, die ihren Azubis und Mitarbeitern mehr zahlen, werden einen Wettbewerbsvorteil haben. Ich denke, die Gehälter werden in Zukunft weiter steigen.

Höhere Gehälter für Mitarbeiter würde für Handwerksbetriebe höhere Rechnungen für Kunden bedeuten. Also wird argumentiert, dass das angesichts der Löhne hier nicht möglich sei.

Wir sollten nicht nur die Löhne sehen, sondern auch die damit verbundene Kaufkraft, etwa was die Lebenshaltungskosten angeht. Die sind hier günstiger, und das ist eine Riesenchance für die Altmark, die vermarktet werden muss.

Viele Handwerker beklagen auch, dass die Jugendlichen nicht die nötigen Ausbildungsvoraussetzungen mitbringen. Sind das aus Ihrer Sicht berechtigte Klagen?

Die Menschen insgesamt, und damit auch unsere Jugendlichen, werden in jedem Jahrzehnt intelligenter, nicht dümmer. Auch deshalb streben immer mehr nach höherer Schulbildung und Studium. Zusätzlich sucht das Handwerk nach speziellen Fähigkeiten, die in den Familien kaum mehr gelebt werden. Die wenigsten Väter basteln noch mit ihren Kindern zu Hause. Unsere Handwerksbetriebe haben also tatsächlich eine geringere Auswahl mit veränderten Voraussetzungen. Dem müssen sich die Betriebe stellen. Wenn zum Beispiel das Kopfrechnen zu schwach ist, dann kann man das auch in der Berufsschule und den Betrieben trainieren, darüber hinaus finanziert die Arbeitsagentur Nachhilfe, die ebenfalls dafür verwendet werden kann. Unsere Jugendlichen heute haben Kompetenzen, aber eben andere als früher. Sich die Jugendlichen von damals zurückzuwünschen, funktioniert nicht.

Viele haben auch auf die Flüchtlinge als Lösung für das Fachkräfteproblem gesetzt, doch da haben sich die Erwartungen nicht erfüllt. Was muss geschehen, um Integration zu verbessern?

Wir sind bei der Integration der Geflüchteten auf einem guten Weg, der nur Zeit braucht. Gerade für eine Integration in Betriebe ist Sprache wichtig. Die Geflüchteten müssen die Anweisungen verstehen. Da gibt es große Fortschritte, auch durch Kurse der Arbeitsagentur und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Schwierig wird es dann, wenn die Menschen nur geduldet sind und keinen vollständigen Aufenthaltstitel haben. Manchmal schicken wir sehr gut integrierte Geflüchtete zurück in andere Länder, weil sie dort zuerst registriert wurden. Die Gesetze sind so, das ist korrekt. Aber für die Betriebe, die diese Mitarbeiter brauchen, ist das alles andere als sinnvoll. Ganz allgemein brauchen wir Zeit für eine vollständige Integration. Ich rechne damit, dass die Arbeitslosenquote unter den Menschen, die aus Syrien zu uns gekommen sind, erst nach 15 Jahren vergleichbar ist mit der der hiesigen Bevölkerung.

Welche Erfahrung der vergangenen Jahre ist Ihnen besonders wichtig?

Es hieß im Vorfeld, dass die Altmärker schwierig oder gar stur seien. Aber ich habe hier sehr offene Menschen kennen gelernt, die bereit für Veränderungsprozesse sind. Mir hat es viel Freude bereitet, mich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam auf neue Wege einzulassen.

Haben Sie einen Tipp für Ihren Nachfolger?

Er wird seinen eigenen Weg finden. Ich empfehle ihm, auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuzugehen, sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und ein offenes Ohr für ihre Belange zu haben.