Artenverlust Gärten des Grauens

Mit Pflastersteinen befestigt oder mit Kiesel- oder Schottersteinen verfüllt, so sehen immer mehr Vorgärten in Salzwedeler Wohngebieten aus.

Von Antje Mewes 03.11.2019, 00:01

Salzwedel l „Gärten des Grauens“ werden sie im Volksmund genannt – Flächen rund um Häuser, die zugepflastert oder geschottert sind. Eintöniges Grau statt bunter Blumenpracht ist schon seit einigen Jahren immer öfter das Mittel der Wahl, wenn es um die Gestaltung von Vorgärten geht. Oftmals werden als grüne Tupfer ausländische, immergrüne Arten gepflanzt. Der Natur sind diese Flächen entnommen. Dabei wären sie gerade im städtischen Raum, aber zunehmend auch auf dem Lande wichtig für die Artenvielfalt, schätzt der Biologe Günter Brennenstuhl von der Bürgerinitiative Pro Baum ein. Zudem würden dadurch neben Straßen-, Gehweg- und Parkplatzbau in den Wohngebieten noch mehr Flächen versiegelt. Es sei eine „schlimme Erfindung“, sagt er, denn diese Areale seien tot. „Dort kann nichts gedeihen, der Boden ist versiegelt, für den Naturhaushalt sind sie verloren“, schätzt der Fachmann ein.

Das sieht auch Joachim Funke vom Umweltamt des Altmarkkreises so und spricht von einer Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt, weil Insekten die Nahrungsgrundlage entzogen wird und damit auch Vögeln oder Fledermäusen, die von den Kerbtieren leben. „Diese Gärten fallen zudem als ökologische Nischen und auch als Trittsteinbiotope weg“, erklärt er. Zudem könnten sich Schottergärten stark aufheizen und somit zu einer Beeinträchtigung des Mikroklimas führen. Auch dies könne zu einem Rückgang von geeigneten Lebensstätten für die verschiedenen Tierarten führen. Weiterhin würden oft nichtheimische Pflanzen verwendet. Sie seien ebenfalls nicht insektenfreundlich und bieten keine Nahrung für die Tiere.

Zu intensiv gepflegte Rasenflächen, die meist viel zu oft gemäht werden und auf denen jedes noch so kleine Kräutlein ausgestochen wird, seien ebenfalls problematisch, betont Günter Brennenstuhl.

Beide plädieren für heimische mehrjährige Stauden in den Vorgärten, die kaum Pflege brauchen, aber ein schönes buntes Biotop direkt vor der Haustür sein können. Grünflächen sollten nicht zu oft gemäht und auch die spontan aufkommende Vegetation und Wildkräuter belassen werden, empfiehlt Joachim Funke und rät beispielsweise zu wilder Malve oder Salbei, die gern von Insekten angeflogen werden. Auch Sukkulenten wie Fette Henne und oder bodendeckende blühende Pflanzen seien völlig anspruchslose Alternativen zu Kieselstein oder Schotter.

Der Landschaftsgärtner Ernst Pengel aus Arendsee kennt das Problem. Der Diplomingenieur für Gartenbau verweist auf eine bereits seit zwei Jahren laufende Initiative des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau mit dem Titel „Rettet den Vorgarten“. Darin wird auf die vielen Vorteile für die Natur, aber auch für die Menschen hingewiesen. Denn der Vorgarten sei gewissermaßen die Vistenkarte des Hauses und seiner Bewohner und sollte dazu beitragen, die Lebensqualität an und in Gebäuden sowie in der Nachbarschaft positiv zu beeinflussen.

Weiterhin binden die grünen und blühenden Flächen Feinstaub, reinigen die Luft und produzieren Sauerstoff. Und sie bieten ein gutes Klima, denn sie kühlen an heißen Sommertagen die Luft, indem sie über ihre Blätter Wasser verdunsten, argumentieren die Landschaftsgärtner. Zudem schlucken Pflanzen Schall und können dazu beitragen, Wohnquartiere leiser zu machen.

Mehr Tipps zum Anlegen schöner und trotzdem pflegeleichter Vorgärten gibt es auf der Internetseite des Verbandes unter der Rubrik „Rettet den Vorgarten“.