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Gerichtsprozess Begriff Sklavenhaltung ist treffend

Wegen Misshandlung eines Obdachlosen ist ein Mann aus dem Raum Arendsee verurteilt worden.

Von Alexander Rekow 23.07.2019, 04:00

Salzwedel l „Das war ein Verfahren, das mir unter die Haut ging“, sagte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft am Ende der zweiten Verhandlung in ihrem Plädoyer. Bei der ersten Verhandlung am 28. Juni wurde einem Mann aus dem Raum Arendsee vorgeworfen, einen damals obdachlosen Alkoholiker als Sklaven auf seinem Hof beschäftigt zu haben. Denn statt Geld soll es Prügel gegeben haben. Die Rede war von Tritten mit Stahlkappenschuhe, von Faustschlägen, Kopfnüssen und als trauriger Höhepunkt das beinahe erfolgte Ertränken in einer Viehtränke. Sowohl Richter Klaus Hüttermann als auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zeigten sich von der möglichen Schwere der Vergehen entsetzt im Gerichtssaal. Richter Hüttermann hatte seinerzeit nach gut 2,5 Stunden genug gehört und setzte einen Folgetermin an. Dieser wurde nun verhandelt. Mit dem Ergebnis einer Bewährungsstrafe – entgegen der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Für die zweite Verhandlung hatte die Verteidigung einen letzten Zeugen aufgefahren. Der 58-Jährige erklärte, dass ein Zeuge aus der ersten Verhandlung bei einigen vorgeworfenen Straftaten des Angeklagten nicht dabei gewesen sei, wie dieser sagte. „Vielleicht wollte er ihm eins auswischen.“ Dabei vertat er sich aber zuweilen in Ort und Zeit. Den Angeklagten, ein alter Freund von ihm, könne er verstehen, wenn er mal eine Kopfnuss an den Geschädigten verteilt habe. „Das hätte ich auch so gemacht – man hat ihn damit nur zurechtstutzen wollen.“ Schließlich sei der damals Obdachlose oft betrunken gewesen und hätte eingenässt. Auch die Rüge des Richters, dass auch eine Kopfnuss eine Straftat sei, hielt ihn davon nicht ab, die Richtigkeit dafür zu untermauern. „Halten Sie endlich den Mund“, raunte der Richter sichtlich genervt: „Wenn Sie Gewalt ankündigen, können Sie ins Gefängnis gehen.“ Fortan war Ruhe. Der Zeuge erklärte schließlich, dass er keine Gewalt vom Angeklagten gegenüber dem Geschädigte gesehen hätte.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah schlussendlich zwei von vier schweren Körperverletzungen als erwiesen an. Der Angeklagte sei kein Menschenfreund, wie er sich in der ersten Verhandlung zeigte, meinte sie. Vielmehr sei der Begriff Sklavenhaltung treffend, der 58-jährige Angeklagte habe das Abhängigkeitsverhältnis rücksichtslos ausgenutzt. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, war sie sich sicher. Der damals Obdachlose sei körperlich gezüchtigt worden. Unterm Strich forderte die Amtsanwältin 15 Monate Freiheitsstrafe: „Keine Chance auf Bewährung.“

Der Verteidiger des 58-Jährigen sah dies erwartungsgemäß anders. Für ihn seien viele Dinge nicht erwiesen. Er warf der Staatsanwaltschaft Wertung vor. Von systematischem Malträtieren könne nicht die Rede sein. Was von Zeugen als Sachverhalte dargestellt wurde, seien für den Rechtsanwalt nur Behauptungen: „Ich sehe keine Anhaltspunkte, dass das so stattgefunden hat.“ Daher plädierte er auf Freispruch.

Richter Klaus Hüttermann wählte schließlich den Mittelweg und verurteilte den Angeklagten zu zehn Monaten Freiheitsstrafe – auf drei Jahre Bewährung ausgesetzt. Obendrein muss der Mann 500 Euro an den Weißen Ring zahlen.