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Bei Grasmahd Kiebitz-Kinderstube zerstört

Kiebitz und Steinschmätzer stehen auf der Roten Liste. Ihr Brutgebiet am alten Rinderstall bei Siedenlangenbeck ist zerstört worden.

Von Anke Pelczarski 01.06.2017, 03:00

Siedenlangenbeck l „Wir dachten, es ist alles abgesprochen, um die seltenen Vögel zu schützen. Und dann das“: Der Siedenlangenbecker Jörn Thaute ist fassungslos. Jahrelang sei an der Binsen-Seggen-Feuchtwiese am alten Rinderstall nahe des ländlichen Weges Siedenlangenbeck-Audorf nichts gemacht worden. Es seien immer wieder Brutpaare der unter Schutz stehenden Vögel beobachtet worden. Nicht nur Steinschmätzer und Kiebitze hätten sich hier wohl gefühlt, sondern auch Braun- und Schwarzkehlchen sowie die Wiesenschafstelzen.

Mitte Mai sei durch die Agrargesellschaft GmbH Siedenlangenbeck eine der beiden feuchten Stellen gegrubbert worden. Am 19. Mai habe es einen Vor-Ort-Termin gegeben mit dem Geschäftsführer des Betriebes, dem Kreis-Umweltamt, dem Naturschutzbeauftragten sowie Vertretern der Bürgerinitiative Pro Jeetzetal. Es sei abgesprochen worden zu mähen, damit der Grasbewuchs nicht zu dicht werde, aber großzügig Abstand zum Biotop zu halten. „Am 24. Mai sind die Arbeiten erfolgt, aber viel zu dicht ran. Das Ergebnis: Die Kiebitz-Jungen sind nicht mehr da und auch die Alten sind weg“, sagt Jörn Thaute.

Der ehrenamtliche Ornithologe Dirk Schäffer beschreibt das Biotop als „das letzte funktionierende Bruthabitat zwischen Beetzendorf und Salzwedel, wo Wiesenbrüter ihren Nachwuchs aufziehen können“. Im Vorjahr sei sie von den Brutpaaren her durchaus mit dem Schutzgebiet Brietzer Teiche vergleichbar gewesen. Doch jetzt existiere die Fläche nicht mehr. „Es gibt die Möglichkeit, eine Agrarförderung als Ausgleich dafür zu beantragen, wenn man solch ein Biotop nicht anrührt“, zeigt er eine Möglichkeit auf. Es sei fraglich, ob der Kiebitz im nächsten Jahr zum Brüten zurück komme.

Der Naturschutzbeauftragte Ralf Knapp berichtet von einer Beratung im April mit der Agrargesellschaft, bei der vereinbart worden sei, etwa einen Hektar Fläche auszusparen, damit die seltenen Vögel ein Refugium zum Brüten finden. „Kiebitze mögen Feuchtstellen in ihrem Lebensraum. Dort gibt es eine artesische Quelle“, beschreibt er. Vor seinen Augen sei ein Traktorist mit einem Kreiselmäher auf das Kiebitzgebiet zugefahren und habe dieses niedergewalzt. „Uns war aber vom Geschäftsführer zugesichert worden, dass die Quelle großflächig ausgespart wird“, erklärt er. Ralf Knapp wünscht sich, dass Landwirte und Naturschützer an einem Strang ziehen, um seltene Arten zu schützen. Seiner Meinung nach könnte die Bauern eine Prämie für die erfolgreiche Brut von Kiebitzen zum Handeln motivieren.

Christian Schmidt, Geschäftsführer der Agrargesellschaft, sagt, dass er in diesem Jahr vom Vorkommen der Kiebitze erfahren habe. „Wir haben uns verständigt, dass wir die Nassstelle verschonen und nicht düngen“, sagt er. Als die Zeit des Grasmähens anstand, seien die Nester jedoch nicht, wie abgesprochen, gekennzeichnet gewesen. „Deshalb haben wir vermutet, dass nur die Nassstelle ausgespart werden muss“, erklärt Christian Schmidt. Bei einem Vor-Ort-Termin sei Einigkeit erzielt worden, etwa einen Hektar Fläche stehen zu lassen. Der Naturschutzbeauftragte habe ihm signalisiert, dass kein Kiebitz da sei. Es sei abgesprochen worden, dass außen herum gemäht werde, um die Brutbedingungen zu verbessern. „Unser Mitarbeiter ist übereifrig gewesen und hat ein Stück von der nassen Ecke mit erwischt, aber nicht bis auf den Boden herunter gemäht“, sagt Christian Schmidt. Er sei bereit, seltene Vögel zu schützen. „Wir haben beim Wiesenweihen-Projekt mitgemacht und ein Schutzgebiet für den Brachvogel eingerichtet“, erklärt der Geschäftsführer. Er wolle auch beim Kiebitz-Erhalt mithelfen. Allerdings halte er es für schwierig, Ausfall-Fördergelder zu beantragen: „Kiebitze haben keinen starren Brutplatz. Da lässt sich die Fläche nicht genau definieren.“

Dem Kreis-Umweltamt sei der Vorgang bekannt. Er sei auch dokumentiert, sagt Kreis-Sprecherin Birgit Eurich auf Nachfrage der Volksstimme. Jetzt würden Stellungnahmen eingefordert, weil es um eine streng geschützte Art gehe. „Dann wird geprüft, ob das Geschehen als Ordnungswidrigkeit oder Straftat eingeordnet werden muss“, erklärt sie das Prozedere.