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Beilwurf-Prozess Reichsbürger muss sechs Jahre in Haft

Ein mutmaßlicher Reichsbürger aus Salzwedel wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Er hatte Polizisten mit einem Beil beworfen.

04.10.2018, 23:01

Stendal/Salzwedel (wbi) l Versuchter Totschlag, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Drogenbesitz, Beleidigung, falsche Verdächtigung, Hausfriedensbruch... Sechs Jahre und fünf Monate Gefängnis, parallel dazu eine Geldstrafe. So lautete am Donnerstag, 4. Oktober, am Ende eines am 28. August begonnenen Prozesses das Urteil der Schwurgerichtskammer am Landgericht Stendal gegen einen 45-jährigen Mann aus Salzwedel.

Nach Auffassung der Richter hat sich der vielfach vorbestrafte und der sogenannten Reichsbürgerszene zugerechnete Angeklagte insgesamt zehn Straftaten schuldig gemacht. Seine aus dem Iran stammende 36-jährige Ehefrau wurde wegen Drogenbesitz, falscher Verdächtigung und Beleidigung zu 19 Monaten Gefängnis ohne Bewährung und parallel gleich zu zwei Geldstrafen verurteilt.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte bei einer Durchsuchung seiner Wohnung am frühen Morgen des 12. Oktober 2016 in Tötungsabsicht ein Beil auf einen Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) des LKA Magdeburg geworfen hat. Das Beil traf den anonymisierten Beamten mit der Kennnummer 101 am Oberkörper. Der 30-Jährige blieb aber dank seiner Schutzweste unverletzt. Wegen des Verdachts des Drogenbesitzes hatte das Polizeirevier Salzwedel die Durchsuchung beantragt. Da der Angeklagte als gewaltbereit und aggressiv gilt und sich außerdem ein großer Hund in der Wohnung befand, war das SEK angefordert worden.

Nach der Razzia, bei der auch Drogen gefunden wurden,  beschuldigte das Ehepaar die Polizeibeamten, unter anderem 5000 Euro, mehrere Handys und Tablet-Computer sowie einen Goldbarren gestohlen zu haben. In den weiteren Anklagen ging es um das Zusammenschlagen eines Gartennachbarn, mehrfache Beleidigungen von Polizisten, Behördenmitarbeitern und einer privaten Wohnungsverwalterin sowie um Widerstand bei Polizeimaßnahmen.

 „Das hier hat nichts mit einem fairen Verfahren zu tun, das ist eine Farce – alles Fake." Mit diesen Worten leitete der 45-Jährige am Donnerstag sein gut einstündiges, im typischen Vokabular von „Reichsbürgern" gehaltenes „letztes Wort" vor der Urteilsfindung ein, sich in den Wortattacken ständig wiederholend. Hauptziele der teils sehr persönlich gehaltenen Angriffe waren die drei Berufsrichter und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Damit setzte er seine von Prozessbeginn an offen gezeigte Ablehnung des Gerichts fort. Mehrfach hatte er Befangenheitsanträge gegen die Richter gestellt, die aber allesamt abgelehnt worden waren.

Staatsverleugnend, gleichwohl aber aus Grundgesetz und Völkerrecht zitierend, hielt er Staatsanwaltschaft und Gericht vor, sich „nicht an die eigenen Gesetz zu halten". Die Quittung dafür würden sie schon noch erhalten, denn er werde  sie „persönlich haftbar machen". Seine Staatsbürgerschaft sei im Übrigen nicht deutsch: „Ich bin Deutscher." Seiner Frau widersprechend, gab er zu: „Ich habe das Beil geworfen." Die hatte den Beilwurf im Prozess und nochmals in ihrem letzten Wort auf sich genommen.

„Die wahren Verbrecher sind die Polizisten, alles war illegal", behauptete er. Die Wohnungsdurchsuchung definierte er so: „Wir sind von vermummten Terroristen überfallen, ausgeplündert, entführt, verschleppt und gefoltert worden. Das war ein Terroranschlag." Das Beil hätte er aus  Notwehr geworfen. Hätte er eine Schusswaffe gehabt, hätte er „ein ganzes Magazin leergeschossen – durch die Tür, in Gesichtshöhe".

Gemeinsam mit seiner Frau werde er in Revision gehen und notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof, kündigte er schon vor dem Urteil an. Außerdem werde er ein Buch darüber schreiben „mit Klarnamen".

Mit dem Urteil folgte das Gericht weitgehend den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, blieb im Strafmaß mit sechs Jahren und fünf Monaten Gefängnis aber unter den geforderten neuneinhalb Jahren. Auch bei der Ehefrau. Da hatte die Staatsanwaltschaft 26 Monate gefordert. Das Gericht hielt 19 Monate für ausreichend.

Die Verteidiger hatten Teilfreisprüche gefordert, aber keine konkreten Anträge gestellt, alternativ nur Strafen im unteren Rahmen. Zu den jetzt ausgeurteilten Haftstrafen steht für beide Angeklagten der Widerruf von in den Vorjahren ausgesprochenen Bewährungen ins Haus – für den Angeklagten elf Monate und für seine Ehefrau vier Monate.