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Buchhandelspreis Eine Instanz für ihre Mitmenschen

Salzwedelerin Helga Weyhe, Deutschlands älteste Buchhändlerin, erhielt den Ehrenpreis des Deutschen Buchhandlungspreises.

Von Arno Zähringer 01.09.2017, 01:01

Hannover/Salzwedel l Anfangs war die Salzwedelerin noch ein bisschen skeptisch. „Mal sehen, wie es wird“, sagte sie noch vor der Preisverleihung. Knapp drei Stunden später sprach sie von einer „guten Sache“ und dass es „natürlich schön ist, wenn man mal aus dem Hintergrund nach vorne tritt“. Und das, obwohl die bescheidene Frau alles andere als gerne im Rampenlicht steht. Mit der Auszeichnung würdigte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters, die langjährigen und herausragenden Verdienste der Salzwedelerin um den deutschen Buchhandel.

In ihrer Laudatio bezeichnete Grütters Helga Weyhe als eine „unverzichtbare Instanz für eine Stadt und ihre Menschen“. Weyhe, seit 2012 Ehrenbürgerin der Hansestadt Salzwedel, war als junge Buchhändlerin im Jahr 1945 in eine bereits seit 1880 im Familienbesitz geführte unabhängige Buchhandlung eingestiegen, die sie 1957 vom Vater übernahm.

Der Großvater stammte aus Osterwohle und hatte 1871 die Buchhandlung gekauft. „Bis zum heutigen Tag haben Sie sie alleine durch die Zeiten einer weiteren Diktatur und die Phase der Veränderungen nach der Wende geführt“, hob Grütters heraus. Und Helga Weyhe stehe mit 94 Jahren ihren Kunden immer noch jeden Tag mit Rat und Tat zu Seite.

Weyhe führe kein Leben zwischen Büchern, sondern ein Leben mit und für Bücher – und zwar seit mehr als 70 Jahren als mittlerweile älteste Buchhändlerin Deutschlands. Grütters erinnerte an die Zeit nach 1945, als mit der deutschen Teilung die Märkte Hamburg und Uelzen zunächst wegfielen und zudem mit den sogenannten Volksbuchhandlungen scheinbar eine „staatsnahe und damit übermächtige Konkurrenz entstand“.

Weyhe habe es allerdings verstanden, mit einem klaren Fokus auf das Sortiment, das ihre Buchhandlung unverwechselbar machte, diese „unternehmerische Herausforderung zu meistern“. Fachbücher, die auch für Kunden aus dem Westen interessant waren, wurden zu einem wichtigen Standbein des Geschäfts. Weyhes schlüssiges Credo: „Das menschliche Skelett ist schließlich in Ost und West gleich.“

Die Wende brachte auch für Helga Weyhes Buchhandlung an der Altperverstraße neue und aufregende Zeiten. „Die besten Jahre waren 1989 und 1990. Endlich konnte ich wieder das verkaufen, was ich wollte“, sagte sie am Donnerstag. Seit der Wiedervereinigung hat Helga Weyhe die von ihrem Vater initiierten Lesungen, die durch ihre Buchhandlung gesponsert werden, wieder aufgenommen. „Ich finde, man sollte die Leute kennenlernen, die Bücher geschrieben haben.“ Allerdings könne man zu diesem Thema noch viel reden, sagte die Geehrte, die gerne auch Bibliothekarin in einer Universitätsbibliothek geworden wäre. Mit den Lesungen „schaffen Sie über die tägliche Arbeit in ihrem Laden hinaus Möglichkeiten der Begegnung und des Austauschs für Literaturbegeisterte“. Nehme man all das zusammen, dann werde klar, warum aus einer Buchhandlung eine Institution und aus einer Buchhändlerin eine Instanz für ihre Mitmenschen und ein Vorbild für Kollegen werden konnte. Dies habe eine besondere Würdigung mehr als verdient, sagte Grütters unter dem tosenden Beifall der Anwesenden, die aus Respekt gegenüber Helga Weyhe im Stehen applaudierten.

Auf die Frage des Moderators der Veranstaltung, was in einem Roman über ihr Leben so alles verschwiegen werden müsste, sagte Helga Weyhe in der ihr typischen Art: „Das weiß ich nicht. Sicher eine ganze Menge.“

Am 11. Dezember feiert Helga Weyhe ihren 95. Geburtstag. Welchen Rat hat sie für junge Kollegen, die eine Buchhandlung eröffnen wollen? „Es ist schwierig. Man muss schon viel wissen“, sagte sie im Gespräch mit der Volksstimme, bevor sie sich wieder auf die Heimreise nach Salzwedel machte.