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Anzeige erstattet Facharzt weist Flüchtlingskind ab

Hat ein Salzwedeler Arzt seine Behandlungspflicht gegenüber einem Flüchtlingsjungen verletzt? Seine Pflegefamilie ist davon überzeugt.

Von Alexander Walter 24.05.2016, 03:00

Salzwedel/Fleetmark l Als der 16-jährige Rahmanullah am Freitagmorgen aufwacht, hat er starke Kopfschmerzen. Eine Entzündung in der Nasenhöhle hat sich trotz Antibiotika-Behandlung durch den Allgemeinarzt verschlimmert. „Die Augen waren ganz geschwollen“, erinnert sich Pflegevater und Pfarrer Rainer Holst Montag. Erst im Dezember hatten er und seine Frau den unbegleiteten Flüchtlingsjungen aus Pakistan bei sich in Fleetmark aufgenommen.

Dem Rat des Hausarztes folgend, fährt Holst mit Rahmanullah an diesem Morgen sofort in die Hals-, Nasen-, Ohrenarzt- (HNO) Praxis von Sven-Peter Schreitter nach Salzwedel. Dort angekommen, soll ihm allerdings signalisiert worden sein, was er bis heute nicht fassen kann: Der Arzt wird den Jugendlichen nicht behandeln.

Nach der Aufnahme sei zunächst die Schwester auf ihn zugekommen und habe erklärt, Rahmanullah werde nicht untersucht, erinnert sich Holst. „Ich habe dann gesagt, dass ich den Arzt sprechen möchte.“

Doch auch mit ihm habe Schreitter nicht sprechen wollen. Holst wartet – bis der Fachmediziner sich schließlich in den Praxisräumen zeigt. Er nutzt seine Chance, spricht den Arzt an und erhält die nächste Abfuhr. „Er hat gesagt, dass er nicht mit mir sprechen wird, schon gar nicht auf dem Flur“, erinnert sich Holst.

Als der Pfarrer nachhakt, soll der Arzt deutlich geworden sein: Er könne den Krankenschein von Rahmanullah nicht akzeptieren, weil es sich um eine Kopie handele. Zudem hätte sich der Schein nach genauem Hinschauen als Fälschung herausgestellt, habe der Arzt behauptet. Eine Behandlung habe Schreitter auch persönlich abgelehnt. Dabei handelte es sich um einen Notfall, betont Holst.

Der Fleetmarker nimmt den Jungen und fährt zu einem anderen Mediziner. Dieser akzeptiert den nach Angaben des Pfarrers völlig korrekten Krankenschein ohne Nachfragen und untersucht Rahmanullah sofort. Ergebnis: Die Entzündung des Jugendlichen ist so gefährlich, dass dieser ins Altmark-Klinikum eingeliefert werden muss, es besteht die Gefahr einer Meningitis. Rahmanullah bekommt endlich die dringend benötigte Hilfe.

Über das Vorgehen des HNO-Arztes Sven-Peter Schreitter ist Rainer Holst auch am Montag noch entsetzt. „Er hätte ihn doch wenigstens mal angucken können“, sagt er. „Ich bin verärgert, so etwas habe ich noch nicht erlebt“. Holst hat inzwischen Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erstattet und die Landesärztekammer verständigt.

Nach Auskunft des Altmarkkreises haben sich Holst und sein Pflegesohn völlig korrekt verhalten. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erhalten je Quartal einen Krankenbehandlungsschein, teilte Sprecherin Birgit Eurich am Montag mit. „Dieser kann anders als bei sonstigen Flüchtlingen direkt auch bei Fachärzten vorgelegt werden“, betonte Eurich.

Zu klären ist damit die Frage, ob sich Sven-Peter Schreitter der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht hat. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus hat sich ein Mediziner in Sachsen nach der Weigerung Flüchtlinge zu behandeln, eine Beschwerde der dortigen Landesärztekammer eingehandelt.

Rahmanullah ist unterdessen noch im Altmark-Klinikum, aber auf dem Weg der Besserung.

Nach Angaben von Mitarbeitern wurde Rahmanullah dort übrigens von einem Vertrags-Arzt des Krankenhauses untersucht. Sein Name: Sven-Peter Schreitter. Schreitter wollte sich auf Nachfrage der Volksstimme nicht zum Thema äußern.