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Filmcamp Abgedreht: Auszeit zum Aufräumen und Denken

Mehr als zehn Wochen lang lief das Jugendfilmcamp am Arendsee.Norman Schenk sprach über seine Pläne und die Zukunft.

09.09.2016, 10:18

Volksstimme: Das Jugendfilmcamp ist zu Ende, alle Teilnehmer und Dozenten sind abgereist. Wie fühlt sich das an?
Norman Schenk: Erleichtert und stolz, dass das Camp so erfolgreich über die Bühne ging. Froh über eine willkommene Pause mit Ruhe zum Gedankensammeln. Das Camp ist ja nicht nur in den Teilnehmerzahlen, in der Aufmerksamkeit der Helfer und der medialen Präsenz gewachsen, sondern auch im Aufwand. Für all die Dinge wie Businessplan, Auslosten der Perspektiven und Kooperationspartner blieb keine Zeit. Die war nötig für das laufende Camp, die Workshops, Dreharbeiten und, und, und ...
Dass das Projekt nach drei Jahren an Kontinuität gewonnen hat, zeigt sich auch an dem Interesse von Medienminister Rainer Robra, der uns besuchte. Das war eines der wichtigsten Ereignisse für mich. Neben dem Besuch von Tom Wlaschiha.

Sie waren als Initiator und Campleiter über zehn Wochen im Dauereinsatz, eigentlich schon davor wegen der Renovierungsarbeiten. Ist jetzt eine Auszeit angesagt?
Jein. Jetzt gilt es aufzuräumen. Die Film- und Computertechnik ist bereits ausgelagert, um im nächsten Sommer hier wieder einsatzbereit zu sein. Dann ist in zwei Wochen erst mal Urlaub. Und danach beginnt die Planung für das Jugendfilmcamp 2017.

Einige der Teilnehmer in diesem Jahr waren zum zweiten oder sogar schon zum dritten Mal im Camp dabei. Wie viele Teilnehmer waren es insgesamt, woher kamen sie?
Stimmt, 60 Prozent der 277 Teilnehmer waren Wiederholungstäter. Sie kamen aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, USA, China, Dänemark, Belgien. Unter ihnen waren auch 15 Flüchtlinge aus Gambia, Guinea, Syrien, Afghanistan, Pakistan, Libanon, Iran. Und 10 junge Leute, deren Familien sich das Camp nicht hätten leisten können. In den 10 Wochen JugendfilmCamp 2016 waren je Woche bis zu 38 Teilnehmer hier.

Der krönende Abschluss war das Filmfestival. Neben viel Lob gab es auch vereinzelt Kritik an der nicht nur lustigen Themenwahl. Wie schätzen Sie selbst Auswahl und Qualität ein?
Erst mal war ich überrascht, wie viele Besucher zum Festival kamen – 350 zirka. 50 unserer Campteilnehmer sind extra noch einmal angereist, teilweise mit ihren Eltern. Zur Kritik: Es heißt: Dein Film in einer Woche. Das haben wir umgesetzt. Die Jugendlichen suchen selbst ihre Themen, schreiben selbst ihre Drehbücher. Diese Filme sind Spiegel ihrer Gedanken. Dass die nicht immer lustig sind, dürfte schon aus Zeiten Goethes und der „Leiden des jungen Werthers“ bekannt sein. Nach außen wird auf Party gemacht, aber innen sind sie auf der Suche nach Sinn und manchmal (oft) verzweifelt an der Realität. Vielleicht vergessen viele älter Gewordene, wie sie selbst als Junge mit dem Weltschmerz umgegangen sind. Die spätere Leichtigkeit, der Humor, entwickeln sich ja erst später. Gut an der Kritik ist: Sie zeigt, dass man sich mit den Themen der jungen Generation auseinandersetzt.

Beim Festival sagten Sie, nächstes Jahr werde die 350er-Marke geknackt. Andererseits soll aber das Camp in der bisherigen Größe bleiben, um den individuellen Charakter zu behalten – wie sind die Pläne?
Unsere Kapazität ist auf 38 Teilnehmer pro Durchgang ausgelegt. Da wir in diesem Jahr nicht jedes Mal voll ausgelastet waren, ist also noch Luft nach oben. In einigen Wochen waren aber alle Plätzte belegt. Das war ein Test, ob es auch dann noch klappt mit der Individualität, mit dem Leben in der Gemeinschaft, dem Austausch. Dass keine Anonymität entsteht. Für unsere Ansprüche ist das Areal hier bestens geeignet. Es gibt genügend Freiraum, Platz im eigentlichen Sinne, aber auch Raum für geistige Freiheit und ein entspanntes Zusammenleben. Also wir wollen 2017 alle Plätze belegen, wollen wie bisher drei Filme pro Woche drehen und zusätzlich zu den Regie-, Schauspiel- und Drehbuchworkshops weitere Fachbereiche anbieten wie Filmmusik, Visuelle Effekte, Song Writing und Stunts.

Wie soll es nun überhaupt weitergehen – mit dem Areal, mit dem Businessplan, mit der Vision der Ganzjährigkeit?
Feststeht: Das Vorhaben ist ein Testlauf. Deshalb haben wir den Pachtvertrag zum Areal auch erst einmal auf drei Jahre beschränkt. Das Projekt soll Schritt für Schritt langsam wachsen. Das braucht Zeit. Ich will zunächst den Businessplan prüfen. Danach sollen Gespräche anlaufen mit Kooperationspartnern, der Stadt und dem Land. Parallel hat jetzt eine Architekturstudentin mit der Arbeit an einem Entwurf für die Medienstadt begonnen.

Der Besuch von Game-of-Thrones-Star Tom Wlaschiha war ein toller Höhepunkt. In seiner Festivalbotschaft kündigte er an, das Camp im Auge zu behalten und zu unterstützen. Gibt es da schon konkrete Vorstellungen, Absprachen?
Ich war sehr glücklich, dass Tom Wlaschiha hier war und drei Tage lang blieb. Er hat mit den Jugendlichen geredet, war ganz natürlich in unsere Abläufe involviert, hat überhaupt keine Starallüren an den Tag gelegt. Wir wünschen uns ihn als künstlerischen Paten, der das Filmcamp in Zukunft begleitet. Und das kann er sich selbst auch gut vorstellen. Im Herbst wollen wir diese Vorstellungen konkretisieren.

Von wem wird das Jugendfilmcamp unterstützt?
Also ohne meinen Mitstreiter Giovanni Zeitz – und alle anderen, die mitanpackten, wäre alles nicht möglich gewesen – organisatorisch, handwerklich, technisch. Dann hatten wir Unterstützung von Stadt und Luftkurort Arendsee GmbH, unserer Schirmherrin, der Bundestagsabgeordneten Marina Kermer, aus der ganzen Gemeinde und deren Einwohnern – angefangen vom Bürgermeister über den Stadtrat bis zum Fliesenleger, der Sparkasse Altmark West, der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Land Sachen-Anhalt und dem Musikhaus Meyer für Musiksoftware und Spezialtechnik. Und auch der Lionsclub Salzwedel war eine große Hilfe. Ich sage: Danke!!!

Zum Festivalabschluss lief ein Film der jugendlichen Filmcamper mit hundertfachem Dank – ins Mikro gerufen beim Baden, beim Fallschirmabsprung, am Strand, auf dem Feld – aus halb Europa ein gespielt. Wie ging’s Ihnen da?
Nicht übertrieben: zu Tränen gerührt. Unglaublich berührt und gerührt. So wie ganz viele im Saal des Integrationsdorfes. Das war nicht nur ein Dankeschön an uns Dozenten, sondern an alle, die insgesamt beteiligt waren. Das zeigte deutlich, dass das Camp ein Ort ist, wo diese Jugendlichen Raum finden nicht „nur“ zum Filmen, sondern vor allem Raum, um Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. Sich darüber mit Gleichgesinnten auszutauschen.