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Gerichtsverfahren Unwissenheit schützt manchmal doch vor Strafe

Ein Gastronom aus der Westaltmark hat eine Scheinselbstständige beschäftigt. Fünf Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe standen im Raum.

Von Wolfgang Biermann 08.12.2020, 10:06

Salzwedel/Stendal l Ein Gastronom aus dem Altmarkkreis Salzwedel musste sich wegen eines Wirtschaftsvergehens vor dem Stendaler Amtsgericht verantworten. Führt er bis zum 15. Januar des neuen Jahres 7407,62 Euro an die Sozialversicherung ab, ist das zunächst nur vorläufig eingestellte Verfahren wegen Vorenthalten von Arbeitnehmerentgelt für ihn endgültig erledigt. Wenn nicht, lebt es wieder auf.

Der Endvierziger, der seine Wurzeln im Balkan hat und seit mehr als 20 Jahren eine Gastronomie in der Westaltmark betreibt, war angeklagt, die vorgenannte Summe durch Beschäftigung einer scheinselbstständigen Kellnerin den Kranken-, und Pflegekassen sowie der Deutschen Rentenversicherung schuldig geblieben zu sein. 22 Straftaten, begangen vom Dezember 2016 bis September 2018, hatte die Staatsanwaltschaft Stendal angeklagt. Das war die Zeit, in der die Frau bei ihm als Kellnerin gearbeitet hatte. Dafür hatte sie ungekürzte Bezüge erhalten.

Dem Gesetz nach ist der Arbeitgeber alleiniger Schuldner. Im Regelfall drohen für das Nichtabführen von SV-Beiträgen bis zu fünf Jahre Gefängnis oder Geldstrafe. Der angeklagte Sachverhalt hörte sich indes einfacher an, als er sich im Prozess tatsächlich erwies. Denn der Angeklagte mit 15 Festangestellten hatte es sich nach eigenen Angaben und der seines Verteidigers mit der Beschäftigung der Frau nicht einfach gemacht.

Die hätte ihm ihren Gewerbeschein gezeigt und gesagt, dass sie sich neben ihrem eigentlichen festen Job in einem anderen Ort monatlich etwas auf 450 Euro Basis dazu verdienen wolle. Sein Mandant hätte diesbezüglich sogar sein im „tiefen Westen“ ansässiges Steuerbüro gefragt und von dort ein Okay bekommen, so der Verteidiger.

Die Frau hätte in der Vergangenheit schon mal eine Zeit lang als Festangestellte bei ihm gearbeitet und er sie als „zuverlässig, fleißig und engagiert“ schätzen gelernt. Sie hätte bei ihm gekellnert und monatlich Rechnungen für ihre Arbeit gestellt. Die Welt schien in Ordnung, bis 2019 eine Tiefenprüfung durch den Zoll auf Vorliegen von Schwarzarbeit erfolgte. In der Gaststätte hatte es keine Beanstandungen gegeben. Doch dann hatte sich der Zoll die Unterlagen der Frau vorgenommen und damit das Ganze ins Rollen gebracht.

Es gebe eine sogenannte Clearingstelle bei der Rentenversicherung. Dort könne man abklären, ob alle Voraussetzungen für eine Selbständigkeit gegeben seien, sagte der Vorsitzende Richter Rainer Mählenhoff. Er hätte auf seine „Berater vertraut“, erwiderte der Angeklagte.

„Da war offensichtlich allseits viel Unwissenheit dabei“, stellte das Gericht in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft fest. Er glaube, dass hier kein Vorsatz vorliege, begründete Richter Rainer Mählenhoff die Verfahrenseinstellung.