Gastronomie fehlt Personal Köche und Kellner werden im Altmarkkreis Salzwedel knapp
Im Altmarkkreis Salzwedel sollen 17 Prozent der Beschäftigen im Hotel- und Gaststättengewerbe offiziellen Zahlen zufolge innerhalb eines Jahres die Branche verlassen haben. Die Volksstimme sprach mit einigen Gastronomen über die angespannte Situation in Hotels und Restaurants der Region.

Innerhalb des vergangenen Jahres haben im Altmarkkreis rund 150 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt. Das teilte kürzlich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf Zahlen der Arbeitsagentur mit.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beschäftigte das Hotel- und Gaststättengewerbe im Altmarkkreis Salzwedel zum Jahreswechsel 2020/2021 796 Menschen. Genau ein Jahr zuvor – vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie – waren es noch 954. Damit haben innerhalb von zwölf Monaten 17 Prozent der Beschäftigten die Branche verlassen. Die Volksstimme hat sich bei Gastronomen und Hoteliers vor Ort umgehört, ob sie von der Personalnot betroffen sind.
Das Hotel Siebeneichen hat laut Chefin Annette Lipinski in letzter Zeit zwei Mitarbeiter verloren – einen Koch und eine Auszubildende. „Das lag aber beides nicht an Corona, sondern hatte andere Gründe“, sagt die Hotelchefin. Schließen konnte sie die Lücke bislang nicht. „Wir haben beide Positionen im Internet und beim Arbeitsamt seit Anfang Juli ausgeschrieben. Aber bislang gab es keine Bewerbungen“, stellt Lipinski bedauernd fest. Sie habe nun die Öffnungszeiten des Restaurants angepasst. Am Mittwoch und Donnerstag bliebe es aufgrund des Personalmangels geschlossen.
Ich arbeite deshalb inzwischen selbst in der Küche mit.
Radovan Smiljanic, Amadeus in Salzwedel
Über ähnliche Probleme klagt auch Radovan Smiljanic, der Restaurantchef des Amadeus. Zwar habe er sein gesamtes Team während der Coronakrise halten können, wie er sagt. Jedoch hätte er dringenden Bedarf an zusätzlichen ausgebildeten Leuten in Küche und Service. Doch die seien nicht zu finden. „Ich arbeite deshalb inzwischen selbst in der Küche mit“, verrät er. Auch ohne Corona gebe es in der Gastronomie inzwischen ein Personalproblem. Gute Leute seien rar. „Glücklicherweise haben wir immerhin einen Auszubildenden für das neue Ausbildungsjahr gefunden“, freut sich Smiljanic.
Mit Blick auf Corona sieht er immer noch Risiken. „Wir wissen ja nicht, was noch kommt, auch wenn jetzt schon viele Leute geimpft sind“, macht er sich Sorgen. Dennoch will er einstellen: „Wir suchen in allen Bereichen.“
In der Salzwedeler Baumkuchen GmbH habe der Personalmangel ebenfalls nichts mit der Corona-Krise zu tun. Das Unternehmen betreibt zwei Verkaufsstellen mit Cafés in Salzwedels Innenstadt. Dass in allen Fachkräfte fehlen, hat für Geschäftsführerin Rosemarie Lehmann auch mit dem aktuellen Bildungssystem zu tun. Die Jugendlichen würden nur unzureichend auf das Ausbildung und Berufsleben vorbereitet. Dem müsste mit mehr und längeren Praktika in verschiedenen Betrieben entgegengewirkt werden, findet sie. „Spätestens ab der achten Klasse“, betont sie. Damit könnten die Schüler Einblicke in den Arbeitsalltag verschiedener Berufe erhalten und besser entscheiden, was zu ihnen passe.
Zudem würden auch ihrer Ansicht nach viel zu viele Absolventen von ihren Lehrern ermuntert, ein Studium aufzunehmen.
Hotelchef Burghard Bannier vom Flair Hotel Deutsches Haus hat wegen des Coronalockdowns ebenfalls kein Personal verloren, wie er sagt. „Wir haben versucht, die Mitarbeiter nicht alleine zu lassen. Unsere Azubis konnten wir durchgängig beschäftigen, denn wir hatten ja noch den Geschäftsreiseverkehr“, blickt er zurück. Phasenweise wurde das Kurzarbeitergeld aufgestockt auf mehr als 80 Prozent des regulären Einkommens.
Dass die Mitarbeiter während der Kurzarbeit ins Nachdenken kommen, ist doch klar.
Burghard Bannier, Deutsches Haus Arendsee
Als ehrenamtliches Mitglied im Präsidium des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DeHoGa wisse er jedoch, dass nicht alle Betriebe so glimpflich davongekommen seien. „Die Gastronomie hat am längsten unter der Situation gelitten und hat Arbeitszeiten, die von denen anderer Branchen abweichen“, analysiert er die Ursachen. Jedoch sieht er ebenso wie die Gewerkschaft NGG, dass sich die Arbeitgeber in der Gastronomie besser um ihr Personal kümmern und die Bezahlung verbessern müssten: „Dass die Mitarbeiter während der Kurzarbeit ins Nachdenken kommen, wenn sie lange zu Hause sind und das Geld knapp wird, ist doch klar“, erklärt Bannier, dass viele von ihnen umgesattelt haben.
Wenn gut ausgebildete Fachkräfte in Anwalts- oder Arztpraxen die Büroorganisation übernähmen oder in Supermärkten zwei Euro mehr pro Stunde verdienten als in Hotels und Gaststätten, dürfe es niemanden überraschen, dass sich die Menschen neu orientierten, meint auch Holger Willem, Geschäftsführer der NGG-Region Magdeburg.
Schon vor Corona hätte die Gastronomiebranche es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen, kritisiert er. Wirte und Hoteliers hätten nun die Chance, sich neu aufzustellen. Sie müssten armutsfeste Löhnen und bessere Arbeitsbedingungen bieten. Vom Staat gebe es momentan umfassende Finanzhilfen für angeschlagene Hotels und Gaststätten. Im Rahmen der Überbrückungshilfen könnten sie sich diesen Monat bis 40 Prozent Personalkosten bezuschussen lassen, wenn sie Angestellte aus der Kurzarbeit zurückholten (Restart-Prämie).