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Naturschutz Altmark: Nachwuchs im Wolfsrevier

Die Anzahl der Wölfe, die in der Altmark leben, ist gestiegen. Das weist der Monitoringbericht des Bundesamtes für Naturschutz aus.

Von Antje Mewes 10.11.2020, 00:01

Salzwedel l Wohl kein heimisches Wildtier wird so zwiespältig gesehen wie der Wolf. Seit er in die Region zurückgekehrt ist, und inzwischen auch Nachwuchs zeugt, ebben die Diskussionen nicht ab. Zur Versachlichung wollen die Mitarbeiter des Wolfskompetenzzentrums in Iden beitragen, die mit umfassenden Beobachtungen und Untersuchungen die Entwicklung der Population begleiten und in einem jährlichen Monitoringbericht zusammenfassen. Für den Altmarkkreis Salzwedel und den Landkreis Stendal sind für 2019/2020 insgesamt 22 Individuen an das Bundesamt gemeldet worden, teilt Ines Wahl, Pressesprecherin des Landesamtes für Umweltschutz in Sachsen-Anhalt auf Anfrage der Volksstimme mit. Hinzu kommen 13 Tiere in grenzübergreifenden Territorien mit Niedersachsen. Es sei zu beachten, dass es sich um die Mindestzahl, das heißt um eindeutig nachgewiesene Wölfe, handelt.

Dabei gab es im Berichtsjahr vier Rudel: im Gebiet Altmärkische Höhe, das einen Welpen hatte, bei Havelberg – vier Welpen, im Zichtauer-Klötzer Forst – drei Welpen und bei Tangerhütte – drei Welpen. Ein territoriales Paar lebt im Norden der Colbitz-Letzlinger Heide und ein Rudel im Haldenslebener Teil mit zehn Jungtieren. Ein weiteres Rudel hat zudem bei Gartow unweit von Arendsee sein Revier.

Vor allem Tierhalter sorgen sich seit der Rückkehr der Wölfe um ihre Weidetiere. Zu Recht, wie die Risszahlen zeigen, die das Wolfskompetenzzentrum auf seiner Internetseite veröffentlicht. Besonders betroffen sind Schafhalter. Sie verloren landesweit in diesem Jahr bislang 231 Schafe. Insgesamt wurden bei 53 Übergriffen 249 Tiere gerissen, darunter ein Fohlen. Im Jahr 2019 sind Wölfe 69 Mal in Weiden oder Gatter eingedrungen und haben nachweislich 247 Haustiere gerissen.

Die Fachleute des Wolfskompetenzzentrums beraten zu einem möglichen Schutz der Herden und begutachten die getöteten Tiere, um Entschädigungszahlungen beantragen zu können.

Ein umfassender Schutz sei kaum möglich schätzt Kreisjägermeister Ulrich Brückner ein, und verweist auf das Beweiden der Elbdeiche. Dort und auch anderswo sichere und gleichzeitig transportable Zäune aufzustellen, die nicht untergraben werden können, sei enorm aufwändig oder gar nicht zu leisten.

Was die oft emotional geführte Debatte um die Ausbreitung der Wölfe angeht, wünscht er sich, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen. Es müsse überlegt werden, wie die Jäger ihre Aufgabe für den Artenschutz erfüllen können. Aus seiner Sicht müssten sowohl die Fachleute aus dem Wolfskompetenzzentrum daran teilnehmen, als auch Vertreter des Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, des Landesjagdverbandes und der Jägerschaften vor Ort. Dabei spiele nicht nur der Wolf eine Rolle. Nicht heimische Tiere wie Mink oder Waschbär sorgten für Druck auf die Bestände von Niederwild, Baumbrütern und anderen Arten. „Es geht darum herauszuarbeiten, wie die Jäger bei ihrem Auftrag, die Artenvielfalt zu erhalten, unterstützt werden können“, betont er.

Dabei müssten alle Aspekte zur Sprache kommen. So auch wie groß und stabil die aus Polen eingewanderte Wolfspopulation inzwischen tatsächlich ist und wie hoch ihr Schutzstatus künftig sein muss. Dabei gehe es nicht darum, eine der genannten Raubwildarten wieder auszurotten, sondern jeder Tierart mit Respekt zu begegnen.

Je mehr Wölfe es gibt, um so mehr sind an Wildunfällen beteiligt. Waren es deutschlandweit im Monitoringjahr 2017/2018 noch 61 tote Tiere, so sind ein Jahr später 100 verzeichnet worden, und im aktuellen Bericht tauchen bereits 126 Totfunde auf. Nach Verkehrsunfällen sei die illegale Tötung die zweithäufigste Todesursache. Von den insgesamt 126 tot aufgefundenen Tieren sind 98 Unfallopfer. Elf Wölfe wurden mutwillig und verbotenerweise getötet. Bei weiteren sieben verunfallten Tieren wurde bei Untersuchungen illegaler Beschuss festgestellt, heißt es im Bericht des Bundes-Naturschutzamtes. Ein Anlass für dessen Präsidentin Beate Jessel festzuhalten: „Der Wolf ist und bleibt eine streng geschützte Art. Das illegale Nachstellen und das Töten von Wölfen sind strafbar“, erklärt die BfN-Präsidentin.

Der Wolf ist eine der am besten überwachten Wildtierarten in Deutschland. Nahezu alle tot aufgefundenen Wölfe werden im Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung zentral untersucht und auf ihren Gesundheitszustand gecheckt. Die Ergebnisse sind Bestandteil des Monitorings, an dem sich auch das Wolf-Kompentenzzentrum in Iden beteiligt .

Wölfe legen täglich weite Strecken zurück, ihre Territorien seien zum Teil hunderte Quadratkilometer groß. Dabei sei es nicht ungewöhnlich, dass sie nachts Dörfer oder sogar Stadtränder durchqueren, dort nach Nahrung suchen oder tagsüber in Sichtweite von bewohnten Gebieten entlanglaufen. Die Erfahrung zeige, dass von einem solchen Verhalten keine Gefährdung des Menschen ausgeht. Angriffe von Wölfen auf Menschen seien ausgesprochen selten, hat ein internationales Expertenteam für ein Konzept zum Umgang mit auffälligen Wölfen ermittelt.

Im Untersuchungsgebiet in der Lausitz hatten sich nur wenige Tiere Menschen genähert. „Meistens handelte es sich in diesen Fällen um unerfahrene, neugierige Jungwölfe oder es überwog vor dem Fluchtimpuls vor dem Menschen das Interesse der Wölfe für Hunde oder Schafe in der Nähe der jeweiligen Person“, heißt es in der Zusammenfassung zum Konzept. Zudem geben die Experten darin Tipps, wie man sich in solchen Fällen verhalten soll.