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ProzessBeim Enkeltrick selbst reingelegt

Sie wollten eine Frau betrügen, gingen aber der Polizei in die Falle. Zwei Angeklagte mussten sich vor Gericht in Salzwedel verantworten.

22.04.2020, 23:01

Salzwedel l Ein misslungener Betrugsversuch wurde im Amtsgericht Salzwedel verhandelt. Der 26-jährige Hauptangeklagte sowie sein 40-jähriger Helfer – beide mit polnischer Staatsangehörigkeit – wollten im vergangenen November bei einer Frau in Reddigau fast 10.000 Euro sowie mehrere Schmuckstücke abholen. Dies hatte zuvor eine noch unbekannte Mittäterin telefonisch mit dem Opfer vereinbart.

Die Komplizin versuchte sich am sogenannten „Enkeltrick“. Dabei rufen Leute ältere Menschen an und geben sich als Verwandte aus, die hohe Geldsummen zur Zahlung von Krankenhauskosten oder Verkehrssünden benötigen. In diesem Fall wurden um zunächst 17.000 und später 24.000 Euro gebeten, um die Kaution für einen Verkehrsunfall zu bezahlen.

Die gutgläubigen oder wehrlosen Opfer fallen oft auf den Trick rein, doch dieses Ziel wurde hellhörig. Die Frau erkannte die Masche und informierte zusammen mit ihrem Ehemann die Polizei. Trotzdem spielte sie mit, um die Täter in einen Hinterhalt zu locken. Das Opfer verwickelte die vermeintliche Enkelin in ein zweistündiges Gespräch und gab an, 9800 Euro sowie ein paar Schmuckstücke geben zu können. Die beiden Angeklagten sollten das Geld abholen.

Der Plan ging auf, neben der Frau und ihren Wertsachen wartete auch die Polizei auf die Betrüger. Diese starteten zunächst einen Fluchtversuch, konnten aber gefasst werden und befanden sich seitdem in Untersuchungshaft.

Dass es sich um einen Betrugsversuch handelte, erkannte das Opfer „in den ersten drei Worten“, wie die Frau der Volksstimme gegenüber angab. In der Zeugenvernehmung konnte sie diese Angabe nicht machen, denn die fiel zusammen mit der Vorführung eines Beweisvideos aus. Die Angeklagten waren so kooperativ und geständig, dass die weitere Beweisaufnahme unnötig blieb.

Der Jüngere von beiden gab an, sich beim Besuch von Freunden in Berlin auch mit einem Mann getroffen zu haben, der den Enkeltrick plante. Der Angeklagte, der sein Geld über Gelegenheitsarbeiten verdiente, hatte zu dem Zeitpunkt Schulden und stellte sich daher als Abholer zur Verfügung. Dafür sollte er 10 Prozent der Beute bekommen, ein Teil davon sollte an den Fahrer gehen, der mit ihm zusammen auf der Anklagebank saß. Auch er sprach von Geldsorgen: Von seinem Catering-Job in England bleibe im Monat nicht viel übrig. Die 100 Euro, die er bekommen sollte, hätten da schon geholfen.

Die Geständigkeit wurde bei beiden positiv angerechnet, als Staatsanwältin Claudia Rohde das Strafmaß vorschlug. Beim Hauptangeklagten kam außerdem hinzu, dass er noch keine Vorstrafen aufwies. Sein Fahrer, der sich neben der Beihilfe zum Betrug auch des Schwarzfahrens mit einem englischen Lernführerschein schuldig machte, ist dagegen mehrfach vorbestraft. Deutsche, polnische und englische Gerichte hatten ihn wegen Delikten wie Betrug, Körperverletzung oder Trunkenheit am Steuer verurteilt. Für sein Fehlverhalten nach seiner jüngsten Straftat bezeichnete sie ihn zudem als „Bewährungsversager“.

Dementsprechend beantragte die Staatsanwältin ähnlich hohe Strafen für beide: Zehn Monate Haft für den Hauptangeklagten, neun Monate für den Helfer – jeweils mit einer Bewährung von drei Jahren. Die Pflichtverteidiger stimmten der Einschätzung zu, auch Richter Klaus Hüttermann bestätigte sie.

Als einzige Auflage müssen beide jeden Umzug unaufgefordert dem Gericht melden. Außerdem wurde ihre Haftstrafe aufgehoben, die beiden wurden entlassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.