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Reise Eine Eiche für Tschernobyl

Von Hohengrieben nach Tschernobyl: Diese Reise wird Gerhard Schulz noch lange bewegen.

Von Uta Elste 25.10.2018, 06:00

Hohengrieben l Am 26. April 1986, als die Menschen in Hohengrieben gerade vergnügt ihren Zelttanz feierten, explodierte mehr als 1700 Kilometer entfernt der Reaktor des Kernkraftwerkes Tschernobyl. Ein Test, in dem der Nachweis erbracht werden sollte, dass bei einem Stromausfall die auslaufenden Turbinen noch lange genug Energie produzieren, bis die Notstromaggregate in Funktion sind, scheiterte katastrophal. Das Dach des Reaktorgebäudes wurde weggesprengt, radioaktiver Staub entwich in die Atmosphäre.

Das Datum und das Ereignis haben den Hohengriebener Gerhard Schulz nie losgelassen. „Radioaktive Strahlung ist etwas ganz schwer fassbares. Man kann sie nicht greifen, nicht riechen, nicht schmecken“, sagt er. Jetzt ging sein Wunsch in Erfüllung, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen.

Bevor er mit Ehefrau Maria sowie mit Gerald und Ute Eggert aus Dähre die Reise in die Ukraine antreten konnte, standen Recherchen auf dem Plan und mussten Genehmigungen besorgt werden. Besuche in der von der Reaktorkatastrophe betroffenen Region sind möglich, jedoch muss mindestens 14 Tage vorher eine Genehmigung vorliegen.

Gerhard Schulz blätterte sich unter anderem auch durch alte Volksstimme-Ausgaben. Dort war am 30. April zu lesen, dass sich in Tschernobyl eine Havarie ereignet habe, zwei Menschen ums Leben gekommen seien, aber alles unter Kontrolle sei.

Das Tschernobyl-Museum in Kiew, das die Altmärker vor ihrer Fahrt zum Ort des Geschehens besuchten, habe einen beklemmenden Eindruck vermittelt, mit welchem Aufwand, Einsatz und auch mit welcher Verzweiflung die Menschen versuchten, den Brand, zu dem es infolge der Explosion kam, zu löschen. Wie viele Menschen langfristig durch die Folgen der Katastrophe ums Leben kommen, werde man wohl kaum jemals erfassen können, so Gerhard Schulz.

Die Altmärker besuchten auch die nahegelegene Stadt Pripjat. 1970 wurde der Ort als Wohnort für die Menschen, die im Kraftwerk arbeiteten, errichtet. Damals eine junge Stadt mit knapp 50 000 Einwohnern, darunter viele Kinder. Am Tag nach der Explosion wurde sie binnen weniger Stunden evakuiert. Heute ist Pripjat eine Geisterstadt, die von der Natur zurück erobert wird und immer wieder Ziel von Plünderern war.

„Tiere sind unmittelbar nach der Katastrophe abgeschossen worden. Ínzwischen sind sie wieder da. Uns wurde berichtet, dass sie schneller wachsen, größer und aggressiver sind, aber auch nicht mehr so alt wie früher werden.“

Die Altmärker waren auch mit dem Ziel, im Namen des Heimatvereins Hohengrieben in Tschernobyl eine Pyramideneiche zu pflanzen, in die Ukraine gereist. Keine einfache Sache, da Pflanzen nicht eingeführt werden dürfen. Eigentlich. Aber er habe eine umfangreiche mehrsprachige Dokumentation vorbereitet, und so kam die Eiche doch in die Ukraine, erzählt Gerhard Schulz schmunzelnd.

Aber nicht ins eigentliche Sperrgebiet, denn dort sind Erdbewegungen verboten. Schließlich pflanzten die vier Altmärker ihren Baum an der Gebietsgrenze in Orane. Auf einer Tafel wünschen die Hohengriebener in drei Sprachen, dass die Lehren der Vergangenheit Quellen für die Zukunft sind.

Die Reise nach Tschernobyl habe er auf keinen Fall bereut, sagt Gerhard Schulz. Was bleiben wird, ist das Nachdenken über den überheblichen Glauben des Menschen, Technik jederzeit beherrschen zu können. „Ist die Technologie, die wir heute favorisieren, morgen noch richtig“, fragt sich der Hohengriebener skeptisch.

Gerhard Schulz plant, künftig seine Reiseeindrücke in Vorträgen wiederzugeben.