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Schrifträtsel Enkelin aus Salzwedel erkennt Opas Schrift

In der Volksstimme hat eine Salzwedlerin die Handschrift des Großvaters, Wehrlogenleiter der Guttempler "Albrecht der Bär", entdeckt.

Von Alexander Rekow 16.08.2018, 01:01

Salzwedel l Im Archiv der Hansestadt Salzwedel schlummern unzählige Schriftstücke, Postkarten und andere Dokumente, die mitunter handschriftlich verfasst worden sind. Die Volksstimme nimmt das zum Anlass, um von ihren Lesern zu erfahren, ob sie die alten Schriften noch in unsere heutige Schrift übertragen können. Nach unserem ersten Rätsel, einer Postkarte von 1906, ging es im zweiten Schrifträtsel um ein offizielles Schreiben der Guttempler-Wehrlogen (siehe Fotos). Für die Volksstimme „übersetzt“ Stadtarchivar Steffen Langusch wie folgt:

„An den Magistrat der Stadt Salzwedel. Betr. 700 Jahrfeier der Stadt. Als Leiter der Wehrloge „Albrecht der Bär“ Salzwedel und als Gauwart des Bezirkes Ost-Hannover erhielt ich eine Einladung zu dem geplanten Jugendtreffen anläßlich der 700 Jahrfeier. Ich möchte nun die mir unterstellten Gruppen zu diesem Treffen einladen und möchte darum bitten mir Werbematerial; Postkarten, Klebemarken u. s. w. zuzusenden damit ich die betr. Gruppen immer an die 700 Jahrfeier erinnern kann. Mit Jugendgruß! Hans Pirnbaum.“

Nach der Veröffentlichung am 4. August 2018 meldete sich auch Ursula Köllner (84), die Tochter von Hans Pirnbaum. Sie gewährte Volksstimme-Redakteur Alexander Rekow Einblicke in das private Fotoalbum der Familie.

„Meine Tochter hat Opas Schrift in der Volksstimme erkannt“, sagt sie. Ihr Vater war von der Jugend an im Bund zur Bekämpfung von Alkoholproblemen, erklärt sie. Daher wurde im Elternhaus, auch bei Feiern, kein Alkohol ausgeschenkt. Das Rauchen war ebenfalls untersagt. Ab und an durfte Ursula Köllner auch ihren Vater zu Treffen der Loge begleiten: „Da habe ich immer ein Stück Kuchen bekommen, während sie sprachen.“

Die Arbeit ihres Vaters beschränkte sich aber nicht nur auf Salzwedel. „Wir gehörten ja vor dem Zweiten Weltkrieg zu Hannover – nicht Magdeburg“, sagt sie. Daher war ihr Vater für die Salzwedeler Wehrloge auch im Großraum Salzwedel/Uelzen/Lüneburg tätig. In einer alten Landkarte von 1876 hat Pirnbaum alle Orte markiert, die er aufsuchen möchte – stets mit dem Fahrrad. „Er hat oft mit Menschen gesprochen, die Alkoholprobleme hatten“, erinnert sie sich. Auch Elterngespräche gehörten dazu, damit die Jugend nicht vom rechten Pfard abkomme. Viele Leute hätten Hans Pirnbaum diesbezüglich um Rat gebeten. Wenn der Salzwedeler nicht auf Besuch bei anderen Wehrlogen war oder Menschen mit Alkoholproblemen half, saß er stundenlang vor seiner Schreibmaschine, schrieb Protokolle, legte Sitzungen fest und schrieb Einladungen.

Gelernt hat Hans Pirnbaum übrigens Kunstschlosser. Er arbeitete als Heizungsbauer in Berlin und Maschinenbauer in Magdeburg, ehe er im Zweiten Weltkrieg zur Marine eingezogen wurde. Nach dem Krieg verbrachte Pirnbaum lange Zeit auf Sizilien und entlud als Kriegsgefangener Handelsschiffe aus den USA. „Er kam wie ein Italiener zurück“, erinnert sich seine Tochter, „braun gebrannt.“ Fortan war er als Demontagearbeiter beim Überlandwerk in Salzwedel eingesetzt, weiß Ursula Köllner noch. Dann wollte es Hans Pirnbaum noch einmal wissen. Nach einem Studium zum Landwirtschaftsingeneur in der Volkshochschule und Halle/Saale war er ab den 1970er Jahren als Pflanzenschutzexperte beim Rat des Kreises – bis er 70 Jahre war. Für die LPG kontrollierte er Kartoffeln aus dem Ausland.

„In Salzwedel scheint die Abstinenzbewegung in der Zeit von etwa 1900 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges am erfolgreichsten gewesen zu sein und die auffälligsten Spuren hinterlassen zu haben, obwohl es sie auch noch danach gegeben hat. Möglicherweise kam die Anregung für alkoholgegnerische Vereinigungen in Salzwedel aus dem Wendland. Jedenfalls wird im Januar 1903 zunächst berichtet, dass in Lüchow die Gründung einer Guttempler-Loge beabsichtigt ist und dass es deutschlandweit bereits 560 Guttemplerlogen mit 25 000 Mitgliedern gibt“, weiß Steffen Langusch zu berichten.

Weiter erklärt der Stadtarchivar: „Etwa ab 1908 kam es dann zur Gründung von Guttemplerlogen in Salzwedel. Die erste scheint 1908 die Wehrloge ‚Albrecht der Bär‘ gewesen zu sein. 1913 ist dann auch noch von einer Guttemplerloge ‚Altmärker Heim‘ die Rede.“ Am 31. Juli 1910 weihte die Salzwedeler Guttemplerloge „Albrecht der Bär“ ihre Gartenanlage ein. Man sei der Meinung gewesen, dass Obst- und Gartenbau treue Helfer im Kampf gegen Rauschtrank und Trinksitte seien. Nach einem Bericht über ein Gartenfest am Sonntag, 10. August 1913, befand sich die Gartenanlage der Guttemplerloge „Albrecht der Bär“ am Schwarzen Weg, also wohl nördlich der Stadt in Richtung Bürgerholz. Im „Odeon“ fand am 19. April 1913 auch die Feier zum fünfjährigen Bestehen der Guttemplerloge „Albrecht der Bär“ statt. Bei seiner Recherche stieß Steffen Langusch schließlich auch auf das „Erste alkoholfreie Restaurant der Almark“, 1905 durch Otto Lange gegründet und in der St. Georg-Straße 53 (Eckhaus Teichstraße) zu finden.

Wir bedanken uns bei den zahlreichen Lesern für die Zusendungen. Das nächste Rätsel folgt in einer der folgenden Ausgaben.