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Sexuelle Nötigung Pfarrer muss hinter Gitter

Ein Pfarrer aus dem Kirchenkreis Salzwedel ist wegen sexueller Nötigung in mittelbarer Täterschaft zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

Von Cornelia Kaiser 30.10.2019, 19:35

Stendal l „Etwas Derartiges habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt. Die Art und Weise der Tat macht das Gericht sprachlos“, sagt der Vorsitzende Richter, Ulrich Galler.

Unmittelbar zuvor hat er, nach nichtöffentlich gehaltenen Plädoyers, das Urteil gegen einen Pfarrer aus der Westaltmark verkündet: Drei Jahre Haft, wobei drei Monate aufgrund der langen Verfahrensdauer bereits auf die Strafe angerechnet werden. Der 59-Jährige muss für sexuelle Nötigung in mittelbarer Täterschaft hinter Gitter. Er hat sich „unvorsätzlich handelnder Werkzeuge“, nämlich an Gewaltsex interessierten Männern, bedient, um seiner Ex-Geliebten zu schaden. Als diese, die angeblich Spaß an Vergewaltigungen hat, hatte er sich im Herbst 2016 über Wochen in einschlägigen Onlineportalen ausgegeben und auf diese Weise zwei Männer zu ihrer Wohnung gelockt. Er hatte diesen über Chatverläufe genaue Anweisungen gegeben, wie sie in die Wohnung gelangen und wie sie die junge Frau – halb so alt wie der Ex-Geliebte – überwältigen sollten. Denn sie spiele ja nur eine Rolle, wenn sie sich wehre.

Einmal kam es gar zu Handgreiflichkeiten zwischen der ahnungslosen Frau und einem der unwissenden Männer. Ein anderer wurde misstrauisch, fragte nach und fuhr schließlich gemeinsam mit der Geschädigten zur Polizei. Das perverse Spiel des Pfarrers flog auf.

Es handelt sich nicht nur um einen Geistlichen, der sich von Berufs wegen um das Seelenheil seiner Mitmenschen kümmern sollte, sondern auch um einen verheirateten Familienvater, der just zum Zeitpunkt der Tat auch noch einen jungen Flüchtling in Pflegschaft genommen hatte – gemeinsam mit seiner Ehefrau.

Die wird am letzten von mehreren Verhandlungstagen noch in den Zeugenstand gerufen. Zuvor hat die Anwältin der Geschädigten eine Stellungnahme ihrer Mandantin verlesen, in der diese davon berichtet, am Nachmittag des 25. Oktober 2019 von ihrem Ex-Geliebten und dessen Gattin aufgesucht worden zu sein. Weil die junge Frau nicht anwesend war, hätten die beiden versucht, mithilfe einer Nachbarin auf das Wohngrundstück zu gelangen, um Blumen und eine Karte zu hinterlassen. Dann aber wird die junge Spaziergängerin doch „hinterm Haus“ gesichtet. Während der Pfarrer im Auto sitzen bleibt, steigt seine Gattin aus, geht auf die Frau zu, spricht mit ihr und übergibt die Blumen.

Die Bilder, welche die Anwältin der Nebenklägerin in deren Stellungnahme und die Ehefrau in ihrer Zeugenaussage von der Situation zeichnen, weichen voneinander ab. Während sich die junge Frau laut Anwältin fragt, ob hier eine Beeinflussung stattfinden soll – und sich unmittelbar nach dem Aufeinandertreffen an die Polizei wendet –, hat die Angetraute des Pfarrers den Eindruck, die junge Frau sei „überrascht, aber auch erfreut“ gewesen.

„Am Anfang war sie sogar mehr damit beschäftigt, was sie mir angetan hat“, so die Zeugin. Sie berichtet davon, die Ex-Geliebte ihres Mannes – von der Affäre erfuhr sie nach eigener Aussage erst nach Bekanntwerden der Tat – früher sogar mal als Schülerin betreut zu haben.

Offenbar ließ die junge Frau aber auch gegenüber der Pfarrersfrau keinen Zweifel daran, dass sie eine offizielle Entschuldigung des Täters erwartet. Zwar hat dieser in einer Karte, die dem Blumenstrauß beilag, persönliche Worte an sie gerichtet und geschrieben, dass ja „Gott sei Dank nichts geschehen ist, außer dass Du bis heute Angst hast“. „Aber das kann so nicht angenommen werden“, betont die Anwältin der Geschädigten. Und dann sagt sie, an den Angeklagten gerichtet: „Es ist peinlich, dass Sie Ihre Ehefrau vorgeschickt haben.“ Die Chance, sich vor Gericht bei der Ex-Geliebten zu entschuldigen, die ja während des Prozesses auch als Zeugin gehört wurde, hat er vertan.

Dabei hat der Täter „der Geschädigten eine Zielscheibe auf den Körper gemalt, die bis heute nicht beseitigt ist. Denn das Internet vergisst nicht“, so der Vorsitzende Richter. Die junge Frau zieht nach Angaben ihrer Anwältin nun sogar einen Wohnortwechsel in Betracht.

Der Pfarrer war trotz eines enormen beruflichen Drucks – seine Pfarrstelle sollte mit einer weiteren fusioniert werden – zum Tatzeitpunkt nicht vermindert schuldfähig, so die Ansicht des Gerichtes. Erst nach Bekanntwerden der Tat suchte er ärztliche Hilfe.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig und eine Revision möglich.