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Unternehmer Keine Angst vor selbst & ständig

Selbst erfolgreiche Unternehmen im Raum Salzwedel finden keinen Nachfolger. Heinz Frommhagen gibt dennoch nicht auf.

Von Cornelius Bischoff 07.05.2020, 02:00

Henningen l „Ich kann alles, außer Jungs“, sagt Heinz Frommhagen. Wer die Werkstatt des Vaters von zwei erwachsenen Töchtern betritt, ist geneigt, dem gelernten Metallbauer Glauben zu schenken: Zwei Produktionshallen beherbergen, auf rund 1200 Quadratmetern, Maschinen, deren Gegenwert sich im hohen sechsstelligen Bereich bewegt. Mehr als 1,5 Hektar Grundstück laden zur Expansion des Unternehmens ein und die Auftragsbücher sind für den Rest des Jahres gefüllt. „Die Bedingungen für einen Nachfolger sind ideal“, sagt der 69-Jährige. Genau der aber ist nicht in Sicht.

Im vergangenen Jahr hatte Heinz Frommhagen das 40. Jubiläum seines Betriebes gefeiert. Auf die Frage seiner Frau, Hannelore, wann er aufhören wolle, in neue Technik zu investieren, kennt Heinz Frommhagen nur eine Antwort: „Nie. Es gibt immer Neueres und Besseres.“ Um es sich mit seiner Hannelore trotzdem „auf den letzten Metern nicht noch zu verscherzen“, hatte Meister Frommhagen die Schleifmaschine, die es erlaubt, halbmondförmige Ausschnitte in Stahlrohre zu raspeln, gebraucht gekauft. „Das ist“, sagt Heinz Frommhagen, „eine sinnvolle Investition“, denn, wenn es seine Zeit erlaubt, baut er Handläufe aus Edelstahl. Die blitzblanken Geländer finden ihren Platz an schicken Villen, vor Ladengeschäften oder in den Treppenhäusern der Region.

Eine Erklärung, warum sich für das gut eingeführte Unternehmen kein Nachfolger findet, hat Frommhagen nicht: Natürlich sei es einfacher, sich bei einem der großen Betriebe im benachbarten Niedersachsen anstellen zu lassen, „aber was ist das, gegen die Freiheit, den eigenen Ideen zu folgen und die eigene Lebenszeit selbst einteilen zu können?“ Hannelore Frommhagen sieht die Sache praktisch: „Von den jungen Leuten hat kaum einer Lust, Verantwortung zu übernehmen und auf einen geregelten Feierabend will auch keiner verzichten“, sagt sie. Dabei reichen die Umsätze des Unternehmens, um sechs Mitarbeiter in Lohn zu halten.

„Wir hatten vier Gesellen und meistens einen Lehrling“, zählt Frommhagen. Unterstützung findet der alte Meister heute bei seiner Frau – „meine Hannelore ist die beste Gesellin, die ich je hatte“ – und plant den Anbau einer neuen Schmiede: „Ich will noch einmal mit meiner Tochter an der Esse stehen“, sagt der 69-Jährige. Während eine Tochter des Ehepaares den Beruf der Friseurin ergriffen hatte, war die andere im Betrieb des Vaters geblieben und hatte gelernt, Metall zu bearbeiten.

„Sie hat einen Gesellenbrief und war mit mir auf Montage“, gibt Heinz Frommhagen zu Protokoll. Drei kleine Kinder seien aber starke Argumente, die der Übernahme des väterlichen Betriebes entgegenstehen. „Das verstehen wir auch“, sagt Hannelore Frommhagen. Schade sei es dennoch, denn was für den Betrachter aussieht wie ein metallverarbeitendes Unternehmen auf der grünen Wiese, zeichnet in Wirklichkeit den Lebensweg des Ehepaares.

Hannelore Frommhagen legt ein Fotoalbum auf den Tisch: Heinz beim Schachten der Baugruben. Hannelore auf dem Gerüst, einen Pinsel in der Hand. Zwei kleine Mädchen hinter dem Lenkrad eines dreiachsigen Lastwagens. „Wir haben immer zusammengehalten“, bestätigt Heinz Frommhagen und das habe sich am Ende auch ausgezahlt. Gemeinsam hatten die beiden, fremde Insolvenzen überlebt, die unvermutet sechsstellige Löcher in die Kasse des Unternehmens gerissen hatten. „Und nach der Wende haben wir natürlich auch Lehrgeld gezahlt“, erinnert sich Frommhagen: „Aber gemeinsam haben wir alle Herausforderungen überstanden.“ Heinz Frommhagen staunt, wie schnell die Jahre vergangen sind.

„Ich habe 1979 einen Beschluss vom achten Parteitag der SED genutzt, nach dem ein Kombinat kein Ofenrohr und keinen Gartenzaun baut“, schmunzelt Frommhagen. Im Alter von 27 Jahren hatte der damals junge Schlosser, der in einer Salzwedeler Möbelfabrik Arbeit gefunden hatte, die Meisterschule besucht. Mit 29 Jahren fiel der Entschluss zum Schritt in die Selbstständigkeit. „Zum Glück war ich Mitglied der Einkaufs- und Liefergenossenschaft Metall“, sagt der 69-Jährige. Die ELG war dafür zuständig, das Material zu verteilen und die Rechnung war einfach: „Frommhagen, Schlosser, ein Mann, drei Stangen Flachstahl.“ Mit Geduld und Fleiß war aus diesen drei Stangen Stahl ein Unternehmen entstanden, das Großaufträge in Belgien, der Schweiz und Österreich übernommen, und Teile der Heizanlagen in mehreren Bundesministerien konstruiert hat.

„Das kann sich heute keiner mehr vorstellen“, fasst Heinz Frommhagen zusammen, der, nach der Wende, zehn Auszubildenden die Chance gegeben hatte, das Handwerk zu lernen. In den vergangenen Jahren sei es schwerer geworden, junge Menschen zu finden, die sich für eine Ausbildung eignen. Das Spektrum der Erfahrungen, die der alte Meister mit seinen Lehrlingen gesammelt hat, reicht von Alkoholismus bis Diebstahl. „Aber die, die durchgehalten haben, haben es alle zu etwas gebracht“, sagt Frommhagen stolz.

Dummerweise hätten die jungen Leute nach dem Ende der Lehrzeit eigene Wege eingeschlagen, hätten Anstellungen gefunden oder Betriebe gegründet. Am Ende waren Heinz und Hannelore übrig geblieben.„So wird es wohl bleiben“, sagt Hannelore Frommhagen, die manchmal Angst hat, vor dem ungebrochenen Tatendrang ihres Mannes. „Wie lange ich noch in die Werkstatt gehe“, fragt Heinz Frommhagen: „Na, solange mich meine Füße noch tragen.“