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Zeit zum Reden Offene Türen für geflüchtete Frauen

Oft ist es das Gespräch, das Flüchtlingen fehlt. Lea Sommer und Edith Tillack bieten im Salzwedeler "eXchange“ einen Ort der Begegnung.

Von Isabel Lorenz 24.08.2017, 13:00

Salzwedel l Der erste Besucher der Frauenrunde kommt gegen 15.15 Uhr – und ist ein Mann. „Heute ist das eXchange nur für Frauen geöffnet“, sagt Edith Tillack und weist auf den Zettel an der Tür hin. Damit bleibt er nicht der Einzige: Immer wieder kommen Männer ins „eXchange“ und fragen nach einem Peter. Dann, gegen 15.30 Uhr die erste Frau: „Mein Name ist Gül, und das sind Sarah und Mahdi“, stellt die Frau sich und ihre zwei Kinder vor. Wenig später kommt die zweite Frau mit ihrem Baby ins „eXchange“. Es ist Mina Golzari mit ihrer Tochter Lina. Anfangs sind die Frauen noch etwas zurückhaltend. Bis dann alle wie gute Freundinnen bei Tee und Keksen zusammen auf der Couch sitzen.

Am Mittwoch wurden im Verein „eXchange“, an der Altperverstraße, wieder die Türen geöffnet, diesmal nur für Frauen und ihre Kinder. Lea Sommer und Edith Tillack aus dem Wendland hatten die Idee dafür. Damit wollen sie den sozialen Kontakt der Flüchtlingsfrauen fördern und vor allem einen Raum schaffen, in dem Frauen sich austauschen können. Inspiriert hatte die beiden die Initiative „Women in Exile“, die in Berlin gegründet wurde. Das Netzwerk aus geflüchteten Frauen kämpft gemeinsam für ihre Rechte.

Bei einem Treffen im Wendland Ende vergangenen Jahres waren auch Lea Sommer und Edith Tillack dabei. Danach haben sie den Entschluss gefasst, ein wöchentliches Frauentreffen in Salzwedel zu organisieren. „Es ist zwar schön, wenn Leute ihre Klamotten wegbringen, um sie für Flüchtlinge zu spenden. Viel wichtiger ist aber, dass man mit den Menschen spricht“, erklärt Edith Tillack.

Um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, haben Lea Sommer und Edith Tillack einige Zeit gebraucht: Vorher mussten sie einen Raum organisieren, eine Förderung beantragen, Werbung machen. Um die Flyer auch in Arabisch und Farsi auslegen zu können, hat Edith Tillack zwei ihrer Schülerinnen, die sie in der Jeetzeschule unterrichtet, für die Übersetzung mit ins Boot geholt.

Schließlich hat das „eXchange“ den beiden Frauen seine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung einer Förderung des Projekts zugesagt. Dazu gehören die Finanzierung der Miete, Sachleistungen sowie Honorare, um Leute für Vorträge zu Themen wie zum Beispiel dem Schulsystem in Deutschland einladen zu können.

Jeden Mittwoch von 15 bis 17 Uhr wollen die zwei Organisatorinnen ab sofort in die Räume des „eXchange“ zu Tee, Keksen und Gesprächen einladen. Willkommen sind auch Transfrauen und intersexuelle Menschen – und natürlich die Kinder, für die es eine Spiele-Ecke gibt.

Zum ersten Treffen am Mittwoch kamen drei Frauen mit ihren insgesamt drei Kindern: Gül Amani mit Tochter Sarah und Sohn Mahdi, Mina Golzari mit ihrer Tochter Lina und Melanie Bartels von der Roten Hilfe aus Salzwedel.

Gül Amani ist mit ihren Kindern vor zwei Jahren aus Afghanistan nach Salzwedel gekommen. Mina und Lina Golzari wohnen seit etwa eineinhalb Jahren in der Stadt. Die beiden Mütter sprechen noch kein gutes Deutsch, unterstützen und beraten sich aber gegenseitig, wenn Lea Sommer oder Edith Tillack versuchen, ein Gespräch mit ihnen anzufangen. Manchmal wird auch ein Vokabelbuch zur Hand genommen. Gegen Ende kommen dann auch die zwei Schülerinnen als Übersetzer dazu.

Wie schwer das ist, eine neue Sprache auch schriftlich zu lernen, haben die beiden Organisatorinnen gemerkt, als sie für den Flyer des Frauentreffs nur ein arabisches und persisches Wort austauschen wollten: Aus Dienstag sollte Mittwoch werden. „Dafür haben wir Ewigkeiten gebraucht, das war wirklich nicht so einfach“, erzählt Edith Tillack.

Bisher sind Lea Sommer und Edith Tillack noch zu zweit für den Frauentreff zuständig. Die beiden wollen sich aber noch Unterstützung – vor allem für Organisatorisches – holen. Die Zeit für den Frauentreff wenden sie ehrenamtlich auf.

Wie auch alle anderen Unterstützer und Mitglieder des „eXchange“-Vereins, der gemeinnützig ist. Im August vor zwei Jahren wurde die Einrichtung von zirka vier Leuten gegründet, unter ihnen Peter Desoi und Dorothea Hübl.

Weil der Verein unabhängig sein und niemandem unterstehen will, ist er auf Spenden angewiesen, um unter anderem die Miete bezahlen zu können. „Bisher hat das immer gerade so geklappt“, erzählt Peter Desoi. Der Verein sei aber über jede weitere Spende dankbar und suche dringend neue Mitglieder. Weil jeder beitreten können soll, werden keine Mitgliedsbeiträge erhoben. Aktiv helfen momentan um die sechs Mitglieder des Vereins mit. Auf der anderen Seite stehen etwa 100 geflüchtete und zugewanderte Menschen, die im „eXchange“ regelmäßig Hilfe oder Kontakt suchen. „Das soll ein Treffpunkt für Leute sein, die versuchen, hier Fuß zu fassen“, erklärt Peter Desoi.

Zum Angebot von „eXchange“ gehört ein Deutschkurs, Hilfe bei Fragen, die es vor allem zu Ämtern en masse gebe, Fahrradreparaturen, ein Literaturkurs und vor allem: ein offener Raum. Für Gespräche, Begegnungen, Freundschaften. „Wir wollen den Menschen dabei helfen, Kontakte zu knüpfen, eine Zukunft aufzubauen und ihnen Sicherheit geben“, sagt Peter Desoi.

So hat er im vergangenen Jahr zwölf Flüchtlingen dabei helfen können, eine Einstiegsqualifizierung – das ist eine Art Langzeitpraktikum – zu bekommen. Einige der Flüchtlinge haben danach sogar eine Ausbildung in deren Betrieb begonnen. Für sie ist das der erste Schritt in eine bessere Zukunft. Und für Peter Desoi der Beweis dafür, dass „eXchange“ etwas bewirken kann.